All in – mit diesem Glücksspielbegriff kommentierte die DZ Bank den Katalog an Maßnahmen, mit dem die Europäische Zentralbank (EZB) die Märkte flutete. Ein schlechtes Zeichen? Eigentlich sollten Glücksspiel und die Politik einer Notenbank eine möglichst kleine Schnittmenge haben. EZB-Chef Mario Draghi sieht das offenbar etwas anders.
Er hat nicht nur wie erwartet am Einlagezins geschraubt, sondern zusätzlich den Leitzins auf null gesetzt. Zudem bläht die EZB ihr Anleihekaufprogramm massiv auf, kauft nun monatlich Anleihen für 80 Milliarden Euro statt bisher 60 Milliarden Euro. Als wäre das nicht genug, feilt Draghi auch noch an den Statuten des Anleihekaufprogramms und legt neue Langfrist-Kredite für Banken zu Schnäppchenpreisen auf (TLTROs).
Es ist, als wolle der Italiener alle seine Kritiker Lügen strafen. Er habe keine Maßnahmen mehr im Köcher, tönte es bereits bei vorhergehenden Zinsschritten von vielen Seiten. Was er denn machen wolle, wenn es mal wirklich ernst werde, wurde der EZB-Chef gefragt. Spätestens nun ist klar: egal wie expansiv die Geldpolitik bereits ist, dem Italiener wird noch etwas einfallen, um mehr Notenbankgeld in die Märkte zu drücken. Es gibt kaum Tabus.
Das sagen Ökonomen zur EZB-Entscheidung
"Die Beschleunigung der Anleihekäufe unter dem 'Quantitative Easing' erhöht die Dosis des Gifts. Die Notenbanken werden zu den größten Gläubigern ihrer Staaten, das ankaufbare Material wird immer knapper. Die Maßnahmen sind Ausdruck einer verzweifelten Suche der EZB nach immer mehr Stimulanz für die Märkte. Dabei sind diese gar nicht mehr nötig. Besser wäre gewesen, erst die Wirkung der ohnehin schon expansiven Schritte vom Dezember abzuwarten."
"Die EZB-Entscheidung stellt die Banken auch in Zukunft vor massive Probleme und ist ein Risiko für die Finanzmarktstabilität in Europa. Gerade die kleinen und mittelgroßen Banken sowie Sparkassen, die von Fristentransformationen leben, werden durch die Entscheidung benachteiligt. Sie werden in Zukunft Probleme haben, profitabel zu arbeiten. Zudem ist nicht klar, ob die Strategie der EZB aufgeht. Die Banken könnten gezwungen sein, die Zinsen zu erhöhen, um profitabel zu arbeiten. Dies würde der Strategie der EZB widersprechen. Es ist unwahrscheinlich, dass die Maßnahmen der EZB mittelfristig zu nachhaltigem Wachstum führen."
"Die Kritik an der Linie der Notenbank sollte nicht überzogen werden. Denn solange für deutsche Finanzanlagen eine Sicherheitsprämie gezahlt wird, ist das extrem niedrige Zinsniveau hierzulande eben auch und vor allem ein Ergebnis der hohen Unsicherheit über die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Europa."
"Das ist eine gute Nachricht für die Börsianer und für die Schuldenländer im Süden. Für die deutsche Bevölkerung ist das katastrophal. Die Sparer werden enteignet. Das ist eine gigantische Umverteilung von Norden nach Süden. Politisch birgt das einen großen Sprengsatz, wenn man das mit der Flüchtlingskrise zusammentut. Das ist brandgefährlich.
Im Ergebnis wird das nichts bringen. Man lullt die Schuldenstaaten ein. Sie machen keine Reformen, die Produktivität steigt nicht. Nord und Süd driften so noch weiter auseinander. Die deutschen Exporteure können vielleicht kurzfristig ein bisschen profitieren, weil der Euro weiter geschwächt wird. Auf der anderen Seite ist es aber schlecht für die Importeure."
"Die EZB hat die von ihr selbst geschürten Erwartungen noch übertroffen und den geldpolitischen Expansionsgrad mit zahlreichen Instrumenten weiter ausgeweitet. Allerdings ist dies nicht positiv zu beurteilen. Sobald die Kapitalmärkte etwas mehr Volatilität zeigen, 'verspricht' Mario Draghi, dass er 'etwas tun werde'. Die EZB 'tut' tatsächlich sehr viel. Aber es ist nicht Aufgabe der EZB, für dauerhaft steigende Kurse zu sorgen. Auch bewegt sich die EZB mittlerweile außerhalb ihres Mandats. Die Grenzen zur direkten Staatsfinanzierung werden fließend. Die Entscheidung von heute war ein weiterer Schritt in die falsche Richtung."
"Die EZB hat mit der Verkündung ihrer Maßnahmen massiv überrascht und im Prinzip alles auf den Markt geworfen, was sie kann. Dabei geht sie technische und politische Risiken ein. Mit diesen Maßnahmen nimmt die EZB in Kauf, Marktblasen zu erzeugen, wenn die Liquidität in der blutleeren konjunkturellen Entwicklung nicht in die Realwirtschaft findet."
"Die heute vom EZB-Rat beschlossenen Maßnahmen zur Ausweitung der Liquidität werden nicht die gewünschte Wirkung zeigen. Noch mehr billiges Geld und noch niedrigere Zinsen führen nicht zu mehr Investitionen. Im Gegenteil: Die bizarre Welt der negativen Zinsen verunsichert Unternehmen und Verbraucher, belastet die Altersvorsorge und erhöht die Anreize zur Verschuldung, sowohl der Unternehmen und Privathaushalte, als auch der Staaten. Ohnehin malt die EZB mit ihrer Konjunktureinschätzung unnötig schwarz."
"Die EZB sendet mit ihrer Entscheidung ein starkes Signal, dass sie alle ihre Instrumente entschieden nutzen wird, um ihrem Mandat der Preisstabilität wieder gerecht zu werden. Die weitere Expansion der Geldpolitik ist massiv und überraschend. Das anhaltende Risiko der Deflation und die sich abschwächende europäische Wirtschaft lassen der EZB keine andere Wahl, als ihre Geldpolitik weiter zu lockern. Es sollte nicht vergessen werden - bei allen Sorgen in Deutschland über die Nebenwirkungen der expansiven Geldpolitik -, dass es Aufgabe der EZB ist, Geldpolitik für die Eurozone und nicht nur für Deutschland zu machen. Die Entscheidung der EZB bedeutet eine noch längere Phase der Nullzinspolitik in Europa."
"Die EZB hat sich noch tiefer in die Sackgasse manövriert. Mit größter Sorge sieht die Versicherungswirtschaft, dass die Notenbank ihre schon extrem expansive Geldpolitik noch weiter signifikant gelockert hat. Denn immer mehr Anzeichen deuten darauf hin, dass diese monetären Anreize ihr Ziel nicht erreichen. Besonders deutlich wurde das seit Jahresbeginn auf den Aktienmärkten oder beim Euro-Wechselkurs, wo Verluste beziehungsweise eine Aufwertung im krassen Gegensatz zur Haltung der Geldpolitik standen.
Schlimmer noch: Mittlerweile ist sogar zu befürchten, dass diese unorthodoxe Geldpolitik das Gegenteil von dem bewirkt, was eigentlich beabsichtigt ist - nämlich mehr Wachstum und eine höhere Inflation. Die Notenbank läuft daher zunehmend Gefahr, von den Risiken und Nebenwirkungen ihres Tuns eingeholt zu werden."
"Doktor Draghi hat die Dosis deutlich erhöht. Wie von uns befürchtet, hat er die Geldpolitik der EZB leider deutlicher gelockert als die meisten erwartet hatten. Diese Geldpolitik wird kaum in der Realwirtschaft ankommen. Denn die Nebenwirkungen sind massiv. Das Produktivitätswachstum lässt nach, weil auch unrentable Investitionen wegen der niedrigen Zinsen attraktiv erscheinen. Es steigt das Risiko, dass es in Deutschland am Immobilienmarkt zu Überhitzungen kommt. Außerdem wird der Anreiz für Euro-Länder gesenkt, notwendige Reformen durchzusetzen. Alles in allem verschlechtert diese lockere Geldpolitik langfristig die Rahmenbedingungen für die Unternehmen, so dass sie sich heute schon zurückhalten. Die Medizin wird nicht wirken, auch wenn man die Dosis erhöht."
"Die EZB hat heute abermals ein umfangreiches Maßnahmenbündel auf den Weg gebracht und setzt ihren immer expansiveren Kurs fort. So wurden die Zinssätze zurückgenommen und die QE-Maßnahmen ausgeweitet. Wir gehen davon aus, dass eine Abkehr von diesem Pfad - zumindest bis auf weiteres - nicht in Sicht ist."
"Es handelt sich um eine weitere massive geldpolitische Lockerung. Angesichts der bisherigen Erfahrungen mit QE (geldpolitische Lockerung) halte ich es für unwahrscheinlich, dass die Ausweitung der Anleihekäufe die Inflation nachhaltig erhöhen wird. Der Markt für Unternehmensanleihen ist in Europa zu klein, als dass sich aus deren Einbeziehung ein großer Effekt ergeben dürfte. Gleichzeitig setzt die weitere Senkung der Einlagenzinsen die Erträge der Banken noch stärker unter Druck.
Ich halte Instrumente wie die langfristigen Kreditlinien (TLTROs), die direkt an der Kreditvergabe ansetzen, für sinnvoller als den weiteren Ankauf von Anleihen. Allerdings hängt auch hier die Wirksamkeit davon ab, ob es überhaupt eine Kreditnachfrage gibt, die zu befriedigen ist."
"Die EZB beschleunigt ihre geldpolitische Irrfahrt. Die heutige Zinsentscheidung der EZB verstärkt den Abwärtsstrudel für die Sparer. Langfristige Altersvorsorgekonzepte werden ebenso entwertet, wie zinsabhängige Institute in risikoreichere Geschäfte gedrängt werden. Es ist absolut unnötig, die deutsche Kreditwirtschaft zu einer umfangreicheren Kreditvergabe zu nötigen."
"Mit ihren heute verkündeten Maßnahmen ist die EZB ihrem monetären Kurs extrem treu geblieben. Allerdings zeugt das große Bündel an Maßnahmen von einer enormen Nervosität seitens der obersten Währungshüter. Denn auch sie müssen sich eingestehen, dass ihre Geldpolitik bislang die Wirkung verfehlt hat. Die Bilanz ist ernüchternd: So ist es der EZB nicht einmal gelungen, die am leichtesten von ihr zu beeinflussenden Indikatoren in die gewünschte Richtung zu drehen."
"Es ist vollkommen unnötig, dass die Europäische Zentralbank (EZB) den Geldhahn heute noch weiter aufgedreht hat. Die Notenbank überzeichnet die Deflationsrisiken. Der Geldmarkt im Euro-Raum ist durch die EZB-Politik faktisch stillgelegt. Wirtschaftsreformen sowie die Sanierung von Bankbilanzen werden verschleppt. Doch auf all diesen Feldern hat die EZB heute noch einmal eine Schippe draufgelegt."
Die heutige Entscheidung der europäischen Zentralbank, den Leitzins auf Null Prozent zu senken, hat gravierende Folgen für sämtliche Formen der kapitalgedeckten Vorsorge. Nach Ansicht des Bund der Versicherten e. V. (BdV) steht die private Versicherungswirtschaft vor einem Wendepunkt. Alle Formen der privaten Vorsorge basieren darauf, dass an den Kapitalmärkten Zinsen erwirtschaftet werden können. „Sowohl die private Krankenversicherung als auch die private Altersvorsorge haben bei dauerhaftem Null-Zins keine Zukunft“, erklärt Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des BdV.
Das Potpourri reicht von klassischer Zinspolitik bis hin zu sehr unkonventionellen und unerwarteten Instrumenten. Unsere Maßnahmen bewegen sich von den konventionellen immer weiter hin zu den unkonventionellen Instrumenten der Geldpolitik, erklärte Draghi im Anschluss an die Ratssitzung der 26 EZB-Direktoren.
Doch was genau hat die EZB beschlossen? Ein Überblick über die Änderungen und Instrumente.
1. Die klassische Leitzinssenkung
Was hat die EZB gemacht?
Der Leitzins, also der Zins, zu dem sich Banken bei der Zentralbank Geld leihen können, wurde von der Notenbank auf null gesetzt. Gleichzeitig senkte sie den Spitzenrefinanzierungszins um fünf Basispunkte auf 0,25 Prozent.
Was war vorher?
Der wichtigste Zins von Europas Notenbank lag schon vorher auf einem historisch niedrigen Niveau von 0,05 Prozent.
Was will die EZB damit erreichen?
Eigentlich ist eine Veränderung des Leitzinses die zentrale Stellschraube in der Politik der Notenbank. Gesenkt werden die Zinsen normalerweise, um die Inflation anzukurbeln, also für steigende Preise zu sorgen. Die EZB strebt wie andere Notenbanken eine Inflationsrate von knapp unter zwei Prozent an, so definiert sie Preisstabilität. In diesem Fall will die EZB vor allem Deflation verhindern, also sinkende Preise, denn sie fürchtet dadurch Zweitrundeneffekte wie sinkende Löhne und einen sinkenden Konsum.
Was bringt das?
Die Leitzinssenkung dürfte für das Ziel der Preisstabilität maximal eine Nebenrolle spielen, der Effekt der geringen Absenkung marginal sein. Denn: schon vorher lag der Zins auf einem Rekordtief, Banken konnten sich so günstig wie noch nie Geld bei der Notenbank leihen. Trotzdem sank die Teuerungsrate in der Euro-Zone im Februar wieder in den deflationären Bereich. Im Vergleich zu den anderen Maßnahmen ist die Leitzinssenkung aber Kleinvieh. Draghi dürfte zu dem Instrument gegriffen haben, um den Märkten zu zeigen, dass er vor nichts zurückschreckt. Noch nicht einmal vor Nullzinsen.
Draghi straft die Banken ab
2. Der gesenkte Einlagezins
Was hat die EZB gemacht?
Wie erwartet hat die Zentralbank am negativen Einlagezins geschraubt. Banken, die ihr Geld kurzfristig bei der EZB anlegen, zahlen künftig einen Strafzins in Höhe von 0,4 Prozent.
Was war vorher?
Bisher lag der Einlagezins bei minus 0,3 Prozent.
Pressestimmen zum EZB-Entscheid
„Das viele frische Geld dürfte kaum in der Realwirtschaft ankommen, sondern vielmehr die Blasenbildung an den Finanzmärkten verstärken. Der wichtigste Transmissionsmechanismus für die Übertragung geldpolitischer Impulse, die Kreditvergabe der Banken, wird durch negative Zinsen zusehends blockiert. So können die Banken die Negativzinsen kaum an Sparer weiterreichen, da diese ihr Geld sonst abheben und „unter der Matratze“ horten könnten. Um die höheren Zinskosten dennoch auf die Kunden abzuwälzen und der sinkenden Profitabilität zu begegnen, erhöht manche Bank einfach ihre Kreditzinsen, etwa im Hypothekarbereich. Die zur Ankurbelung von Krediten gedachten Negativzinsen führen in diesen Fällen zu einer Verschärfung der Kreditpolitik. Die überdosierte Medizin der EZB ist bisweilen nicht nur wirkungslos, sondern gar kontraproduktiv.“
„Das war mehr als die Finanzmärkte erwartet hatten, und sie reagierten anfangs auch begeistert. Doch dann trübte sich das Bild. Denn der Hintergrund der weiteren Lockerung der Geldpolitik ist keineswegs rosig. Die EZB senkte nämlich zugleich ihre Erwartungen hinsichtlich des wirtschaftlichen Wachstums sowie ihre Voraussagen zur Entwicklung der Inflation. Sie stellt somit fest, dass ihre Therapie bislang nur unzureichend wirkt, und sie verdoppelt deshalb die Dosis ihrer Medizin. Derweil geht das Vertrauen in eine wirtschaftliche Erholung verloren.“
„Die Kreditkrise war entstanden, weil es zu billig war, sich Geld zu leihen und Unternehmen ebenso wie Verbraucher zu viele Schulden machten. Die EZB ist nun erneut dabei, das Schuldenmachen zu stimulieren. Damit ist das Risiko verbunden, dass diese Schulden die Wirtschaft später wieder in Schwierigkeiten bringen. Wenn Banken zu riskante Kredite vergeben, können neue Seifenblasen entstehen. Hinzu kommt, dass Banken durch die Negativzinsen unter Druck geraten und so noch weiter geschwächt werden. Angesichts dieser Risiken kritisieren vor allem Zentralbanken in Nordeuropa schon seit geraumer Zeit die Zinspolitik der EZB.“
„Hin- und hergerissen zwischen den Rufen der Finanzmärkte nach noch mehr billigem Geld und kritischen Kommentaren von Volkswirten ob der Wirkungslosigkeit der bisherigen Maßnahmen mussten er und die anderen Mitglieder des geldpolitischen Rats eine wegweisende Entscheidung treffen. Nun sind die Würfel gefallen: Draghi setzt alles auf eine Karte und versucht mit einer monströsen Flut an Geld einen Befreiungsschlag - von dessen Gelingen die wirtschaftliche Zukunft der Eurozone zu großen Teilen abhängt.
Um des Hauptproblems, nämlich immer niedrigerer Inflationsraten, Herr zu werden, drückt der EZB-Chef die Zinsen noch tiefer, teilweise auch unter null. Damit entsteht eine Situation, die genauso skurril ist, wie sie klingt: Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Gesamtwetterlage in Europa setzt Draghi just auf jene Maßnahmen, welche die Probleme herbeigeführt haben - nämlich eine zu laxe Geldpolitik, wie sie auf globaler Ebene seit Jahrzehnten praktiziert wird.“
„Jetzt haben wir den Beweis, dass sich die Europäische Zentralbank auch dann nicht beeinflussen lässt, wenn ihre Kritiker so mächtig sind wie die Welt der deutschen Wirtschaft. Dass sie nicht schüchtern ist und sich auf jungfräuliches Gebiet wagt. Dass sie zu überraschen weiß. Tatsächlich hat sie gestern mit einem komplexen Maßnahmenpaket überrascht und damit deutlich gemacht, dass sie nicht die Absicht hat, ihre Glaubwürdigkeit durch zögerliche Entscheidungen zu gefährden. Für die Märkte war dies die Botschaft, dass die EZB reagiert, wenn sich die wirtschaftlichen Umstände in der Eurozone und global ändern.“
„Die Entscheidungen der EZB sind eine verschlüsselte Botschaft an Berlin. EZB-Präsident Mario Draghi signalisiert damit der Bundesregierung, dass die Eurozone eine andere Finanzpolitik braucht. Europa kann die Stagnation überwinden, wenn Berlin zwei Dinge einsieht.
Erstens muss Deutschland mehr investieren, vor allem in die Verbesserung der Infrastruktur. Zweitens kann eine niedrige Nachfrage durch staatliche Investitionen belebt werden. Europa muss ein Konjunkturprogramm finanzieren. Es wird nicht leicht sein, Berlin davon zu überzeugen. Daher muss Draghi seine Botschaft ständig wiederholen.“
„Ein Land, das Entscheidungen trifft, ohne die Interessen seiner Partner zu berücksichtigen, kann von ihnen selbst keine Solidarität erwarten. Deutschland muss lernen, selbst Verantwortung für die Folgen seiner Entscheidungen zu tragen. Diese Beobachtung ist weiterhin gültig. (...) Dass die Probleme und Proteste zunehmen, bedeutet nicht, dass die Deutschen ihre Kanzlerin stürzen wollen. Eher wollen sie die Regierungschefin zu einer Änderung ihrer Politik bewegen - und das geschieht Schritt für Schritt auch. Doch weit mehr noch hat sich die Position Deutschlands innerhalb der EU verändert. (...) Deutschland ist inzwischen selbst im Westen der Europäischen Union zu einer großen Insel (in der Flüchtlingspolitik) geworden.“
„Die Christdemokraten werden wahrscheinlich nicht glänzend abschneiden, aber niemand wird wegen eines Stimmenverlustes Merkel wegputschen. Sie hat keinen Herausforderer, es gibt keine Alternative zu ihr. Horst Seehofer weiß das auch. Hinter den lästigen Manövern des bayerischen Landesregierungschefs und CSU-Vorsitzenden, wie etwa seine Kumpelei mit dem ungarischen Ministerpräsidenten, steckt die Überlegung, dass er mit stark populistischen Schritten in dem in der Flüchtlingsflut als Frontstaat geltenden Bayern der AfD den Boden entziehen kann.
Bedenklicher ist, wie einsam die Kanzlerin der führenden politisch-wirtschaftlichen Macht Europas geblieben ist. Der Bundesrepublik ist es bisher immer im Interesse einer gemeinsamen europäischen Lösung gelungen, einen gewissen Konsens zu schaffen - obwohl die Griechen dazu andere Erfahrungen haben und verständlicherweise anderer Meinung sind. Deutschland und seine Regierungschefin wirken im März 2016 wie isolierte Reisende auf einem Sonderweg. Alle anderen schließen. Routen, Grenzen. Im Kalten Krieg gab es vielleicht eben soviel Stacheldraht auf dem Kontinent, der nur mit seinen Zäunen und seinem Klingendraht höchstens etwas Zeit gewinnt. Die Flüchtlinge kommen.“
Was will die EZB damit erreichen?
Die Notenbank will Banken dafür bestrafen, Einlagen bei der EZB zu halten. Die Institute sollen das Geld lieber für die Vergabe von Krediten verwenden und so das Wirtschaftswachstum ankurbeln.
Was bringt das?
Die Maßnahme ist höchst umstritten, denn die EZB schadet damit vor allem den Banken, deren Margen weiter sinken. Zwar erklärt die Notenbank, bisher sei die Profitabilität der Institute durch den Negativzins nicht beeinflusst worden. Viele Bankvorstände sehen das allerdings ganz anders. Die Konsequenz: einige Sparkassen überlegen bereits offen, ihr Geld nicht mehr bei der EZB anzulegen, sondern Scheine und Münzen lieber im eigenen Tresor zu lagern. Das ist günstiger. Ziehen tatsächlich Institute ihr Geld aus dem System ab, hat die EZB ihren gewünschten Effekt definitiv verfehlt.
Die Erfahrung anderer Länder zeigt bereits, dass Negativzinsen oft nicht den gewünschten Effekt einer steigenden Kreditvergabe erzielen. In Dänemark beispielsweise wurden Darlehen am Ende teurer, weil die Banken die Strafzinsen auf diesem Weg an den Kunden weitergaben. Auch in Japan wurden vor kurzem Negativzinsen eingeführt. Prompt kündigten die Gewerkschaften der Banken an, in diesem Jahr wohl keine Lohnerhöhung zu fordern. Ein Grund dafür dürfte die schlechte Situation der Banken aufgrund des Negativzinses sein. Die Bank of Japan könnte also genau das Gegenteil von dem erreichen, was sie anstrebt: fallende Preise. Denn bleiben die Löhne niedrig, wird nicht mehr konsumiert, und die Preise steigen auch nicht. Denkbar ist dieses Szenario auch in der Euro-Zone.
Viele Beobachter erwarteten daher, die EZB könne einen gestaffelten Einlagezins einführen und nur bestimmte Einlagen mit dem höchsten Strafzins von 0,4 Prozent belasten. Offenbar hielt Mario Draghi das aber für falsch. „Wir wollten nicht signalisieren, dass wir den Zins so weit ins Negative senken können, wie wir wollen“, lautete die Erklärung des Italieners.
Das sind die drei Leitzinssätze der EZB
Der wichtigste Leitzins ist der Hauptrefinanzierungssatz. Er legt den Mindestzins fest, den Geschäftsbanken der EZB für einen Kredit mit einwöchiger Laufzeit im Rahmen der sogenannten Tenderauktionen bieten müssen. Änderungen wirken sich in der Regel direkt auf die Zinsen am Geld- und am Kapitalmarkt aus.
Für Banken, die sehr kurzfristig Geld brauchen, wird es teurer, hier bietet die EZB die sogenannte Spitzenrefinanzierungsfazilität an. Diese Kredite haben eine Laufzeit von einem Tag. Der Zins, den Banken für das über Nacht geliehene Geld zu zahlen haben, ist der Spitzenrefinanzierungssatz. Er liegt in der Regel rund einen Prozentpunkt über dem Hauptrefinanzierungssatz.
Die Einlagefazilität ist das Gegenstück zur Spitzenrefinanzierungsfazilität. Sie gibt Banken die Möglichkeit, einen Überschuss an flüssigen Mitteln bis zum nächsten Geschäftstag bei der Zentralbank zu parken. Die Verzinsung gibt der Einlagefazilitätssatz an. Spitzen- und Einlagefazilität sind Instrumente, mit denen die EZB weitere Feinsteuerung verwirklichen kann. Wenn die Banken zum Beispiel nur sehr wenig oder gar keinen Zins auf das Geld bekommen, das sie bei der EZB parken, dann steigt der Anreiz, es an einen Kunden zu verleihen. Derzeit ist der Einlagezins negativ - und bestraft somit Banken, die Geld bei der EZB parken.
Der wahre Grund könnte aber ein anderer sein: Die Commerzbank berechnete vor kurzem, dass die Banken der Euro-Kernländer wie Deutschland, Frankreich aber auch der Niederlande überproportional stark von der Einführung eines solchen Staffelzinses, also von „Freigrenzen“, profitiert hätten, da sie über deutlich höhere Überschussreserven verfügen, als Banken aus Spanien oder Italien. Gleichzeitig trifft der Strafzins die Kernland-Banken härter. Mario Draghi hat sich daher eine andere Maßnahme ausgedacht, mit der er die Banken beglücken will – das gilt aber natürlich für alle Banken der Euro-Zone.
Fazit: Die Gefahr, dass der Negativzins für nicht die gewünschte Wirkung erzielt, ist groß. Im Ernstfall straft Draghi die Banken so stark ab, dass sie weniger profitabel werden und ihre Schwäche sich wiederum negativ auf die gesamte Konjunktur auswirkt. Diesen Kreislauf muss die EZB in jedem Fall verhindern, zumal sie als Aufsicht darüber wachen muss, wie stabil Europas Banken sind.
Gefährliche Kreditblase
3. Banken-Finanzierung durch TLTROs
Was macht die EZB?
Die Notenbank bringt erneut Langfrist-Kredite für Banken zu Schnäppchenpreisen auf den Markt. Die gezielten langfristigen Refinanzierungsoperationen (TLTROs) können von Europas Banken ab Juni abgerufen werden. Sie sollen eine Laufzeit von vier Jahren haben und werden zu Mini-Zinsen erhältlich sein. Der Zins, welchen die Bank über die gesamte Laufzeit zahlt, richtet sich nach den jeweiligen Leitzinsen, liegt also gerade bei null. Hinzu kommt eine Art Bonusprogramm, welches Mario Draghi einführen will. Je mehr Kredite eine Bank laut ihrer Bilanz vergibt, desto günstiger soll sie die TLTROs bekommen. Der niedrigste mögliche Zins, so Draghi, sei der Einlagezins.
Was war vorher?
Die EZB hat bereits einmal beschlossen, solche Tender-Kredite an Banken ausgegeben, zuletzt im Sommer 2014. Diese können von den Banken noch bis März dieses Jahres abgerufen werden. Die neuen TLTROs II werden ab Juni verfügbar sein.
Was will die EZB damit erreichen?
Die Notenbank will Banken in der Euro-Zone eine langfristige Finanzierungssicherheit geben. Mit der Bonusregelung will sie zudem dafür sorgen, dass die Geldpolitik in der Realwirtschaft ankommt. Banken sollen also das billige Geld nicht einfach in ihren Bilanzen lagern, sondern es in Form von Krediten an die Verbraucher und die Unternehmen in der Euro-Zone weitergeben.
Was bringt das?
Die Wirkung dieses Instruments dürfte zumindest fraglich sein. Schon die vergangenen TLTROs wurden von den Geldinstituten deutlich weniger nachgefragt, als es noch bei den ersten Tendern der Fall war, welche Draghi während der Finanzkrise verteilte. Draghis Ziel, die Kreditvergabe anzukurbeln, ist zwar ehrenwert, muss aber hinterfragt werden.
Der Instrumentenkasten der EZB
Wieder einmal blicken alle in der Euro-Schuldenkrise gebannt nach Frankfurt: die Europäische Zentralbank (EZB) soll es im schlimmsten Fall richten, mit ihrem Waffenarsenal intervenieren und so die Märkte beruhigen.
Zwar streiten sich Fachleute und auch die Notenbanker darüber, wie effektiv, nachhaltig und sinnvoll weitere Eingriffe der Geldpolitik sein könnten. Fest steht aber: die EZB verfügt als einzige Institution über einen gut gefüllten und theoretisch sofort verfügbaren Instrumentenkasten, um angeschlagenen Banken unter die Arme zu greifen, Institute im Falle eines Bank-Runs mit neuem Geld zu schützen und durch ihre Finanz-Feuerkraft wenigsten für eine begrenzte Zeit wieder für Ruhe an den Börsen zu sorgen.
Vor dem Wahlsonntag in Athen verdichten sich die Hinweise, dass die großen Notenbanken der Welt gemeinsame Sache machen und die Märkte mit Geld fluten könnten. Eine solche konzertierte Aktion der Zentralbanken gab es schon einmal - Anfang Oktober 2008, kurz nach dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers, als weltweit die Finanzströme zu versiegen drohten.
In der aktuellen Krise rund um die Überschuldung Griechenlands und anderer südeuropäischer Länder hat bislang nur die britische Notenbank angekündigt, dass sie gemeinsam mit dem Finanzminister in London ihren Bankensektor zum Schutz vor aus Griechenland überschwappenden Problemen mit 100 Milliarden Pfund fluten will. Am Freitag sorgte die Aussicht auf eine gemeinsame Intervention der Zentralbanken zunächst für bessere Stimmung an den Märkten.
Aktuell steht der Leitzins der EZB bei 0,75 Prozent. Die Notenbank kann natürlich jederzeit an dieser in normalen Zeiten wichtigsten Stellschraube drehen. Es wäre ein historischer Schritt: Noch nie seit Bestehen der Währungsunion lag der Schlüsselzins für die Versorgung des Finanzsystems mit frischer Liquidität niedriger.
Allerdings nimmt der Spielraum der EZB mit jeder weiteren Leitzinssenkung ab - schließlich rückt damit die Nulllinie unausweichlich immer näher. Fachleute erwarten, dass die Zentralbank mit weiteren Zinssenkungen so lange wartet wie nur möglich, um für den Fall echter Verwerfungen an den Finanzmärkten, wie sie etwa bei einem Austritt der Griechen aus der Euro-Zone drohen würden, noch Munition zu haben.
Um den Geldmarkt wiederzubeleben und die Banken zu ermuntern mehr Geld in den Wirtschaftskreislauf zu geben, könnte die EZB den sogenannten Einlagezinssatz auf null Prozent kappen. Dieser Zins liegt aktuell bei 0,25 Prozent. Das bedeutet, dass Banken, die keiner anderen Bank mehr trauen, immerhin noch Geld dafür bekommen, wenn sie überschüssige Liquidität bei der EZB parken. Bei einem Einlagezinssatz von einem Prozent entfiele der Anreiz dies zu tun. Doch ob die Banken der EZB den Gefallen tun oder das Geld dann lieber horten, ist fraglich. Aktuell parken sie jedenfalls knapp 800 Milliarden Euro in Frankfurt.
Im Dezember und im Februar ist es der EZB gelungen, mit zwei jeweils drei Jahre laufenden Refinanzierungsgeschäften die Gemüter der Banker wenigstens für eine Zeit lang zu beruhigen. Damals sicherten sich die Geldhäuser insgesamt rund eine Billion Euro bei der Zentralbank zum Billigtarif von nur einem Prozent.
Einige Experten glauben, dass weitere langlaufende Geschäfte dieser Art das durch die Unsicherheit über die Zukunft der Euro-Zone untergrabene Vertrauen wieder zurückbringen könnten. Die Banken, die sich um den Jahreswechsel bei der EZB bedient haben, sind allerdings ohnehin bis mindestens Ende 2014 abgesichert. Außerdem kann jede Bank darüber hinaus bei den wöchentlichen Hauptrefinanzierungsgeschäften der Notenbank aus dem Vollen schöpfen.
Damit den Banken die Sicherheiten nicht ausgehen, die diese als Pfand bei den Refinanzierungsgeschäften mit der Notenbank stellen müssen, kann die EZB weitere Erleichterungen bei den Anforderungen beschließen. Sie kann dabei auch selektiv nach Ländern vorgehen, um gezielter zu helfen. Allerdings sind Erleichterungen bei den Sicherheiten immer auch ein Politikum, weil dadurch die Risiken steigen, die die Zentralbank durch die Refinanzierung in ihrer Bilanz ansammelt. Im Fall der Fälle müssten diese von den Steuerzahlern der Mitgliedsländer getragen werden.
Die EZB hat seit Mai 2010 Staatsanleihen hoch verschuldeter Euro-Länder für mehr als 200 Milliarden Euro gekauft. Das im Fachjargon SMP (Securities Markets Programme) genannte Programm ist wegen seiner möglichen Nebenwirkungen in Deutschland und einigen anderen nord- und mitteleuropäischen Ländern umstritten. Es ruht derzeit, kann allerdings jederzeit wieder vom EZB-Rat in Kraft gesetzt werden.
Ob es allerdings noch seine erhofften positiven Wirkungen am Bondmarkt entfalten kann, ist unklar. Wegen der Erfahrungen bei der Umschuldung Griechenlands im Frühjahr dürften wenige private Investoren wie Banken oder Versicherungen der EZB folgen und wieder in den Markt gehen, weil sie fürchten, dass die Zentralbank erneut einen Sonderstatus als Gläubiger durchsetzen könnte, wie sie es im Fall Griechenland getan hat.
Theoretisch kann die EZB neben Staatsanleihen auch andere Arten von Wertpapieren kaufen und auf diese Weise Geld schaffen: zum Beispiel Bankschuldverschreibungen, Aktien und Unternehmensanleihen. Während der Ankauf von Bank Bonds eine durchaus denkbare Möglichkeit wäre, Liquidität bei den Banken zu schaffen, scheinen andere Wege wenig erfolgversprechend. So könnte die EZB wohl schlecht erklären, warum sie etwa Aktien von Banken kauft, nicht aber von Auto- oder Chemiekonzernen. Oder sie setzt sich dem Verdacht aus, der einen Bank mehr Aktien abzukaufen als anderen oder zum Beispiel spanische Institute deutschen oder österreichischen Banken vorzuziehen.
Theoretisch kann die EZB auch ihre Anforderungen an die Mindestreserve der Banken, die diese bei ihr halten müssen, absenken. Sie hat dies um den Jahreswechsel bereits getan und den Satz ihrer gesamten Einlagen, den jede Geschäftsbank bei ihr parken muss, von zwei auf ein Prozent halbiert. Dadurch hatte sie damals eine Summe von rund 100 Milliarden Euro für die Banken freigemacht. Ein solcher Schritt würde es für Banken in Südeuropa, die wohl am ehesten unter einer Kapitalflucht leiden würden, leichter machen, Mittel flüssig zu halten.
Zum einen sind die Unternehmen der Euro-Zone weiterhin damit beschäftigt, Schulden und vor allem Überkapazitäten abzubauen. Mit seinem Maßnahmenstrauß hat Draghi zudem nicht unbedingt dafür gesorgt, dass das Vertrauen der Unternehmen in die wirtschaftliche Erholung steigt. Angesichts der Unsicherheit dürften viele eher abwarten, als zu investieren. Selbst wenn die Banken Kredite anbieten, werden diese im Zweifel also gar nicht nachgefragt.
Und das ist auch gut so, finden zumindest einige Ökonomen. Der Chefvolkswirt vom Bankhaus Lampe, Alexander Krüger, befürchtet, dass die Weltkonjunktur ihre besten Tage hinter sich hat. Gründe für eine deutliche Wachstumsbelebung sieht er nicht. „In so einem Umfeld ist es für den Euro-Raum gut, dass die Kreditnachfrage nicht kräftig steigt“, sagt Krüger. Käme es zu einem Kreditboom, drohten reihenweise Darlehen auszufallen, erklärt der Ökonom. Schon jetzt warnen sogar Bankchefs davor, die Institute würden zu riskante Kredite vergeben. Im schlechten Fall riskiert Draghi mit seiner Maßnahme also eine gefährliche Kreditblase.
"Wir schaffen das - koste es, was es wolle"
4. Veränderungen des Anleihekaufprogramms
Was macht die EZB?
Zunächst hat die Notenbank das Volumen ihrer Anleihekäufe ausgedehnt. Statt wie bisher für 60 Milliarden Euro kauft sie nun Anleihen im Wert von 80 Milliarden Euro pro Monat. Enden soll das Programm vorerst weiterhin im März 2017. Draghi betonte allerdings, dass die EZB auch darüber hinaus kaufen könnte, wenn nötig.
Das sind die drei Leitzinssätze der EZB
Der wichtigste Leitzins ist der Hauptrefinanzierungssatz. Er legt den Mindestzins fest, den Geschäftsbanken der EZB für einen Kredit mit einwöchiger Laufzeit im Rahmen der sogenannten Tenderauktionen bieten müssen. Änderungen wirken sich in der Regel direkt auf die Zinsen am Geld- und am Kapitalmarkt aus.
Für Banken, die sehr kurzfristig Geld brauchen, wird es teurer, hier bietet die EZB die sogenannte Spitzenrefinanzierungsfazilität an. Diese Kredite haben eine Laufzeit von einem Tag. Der Zins, den Banken für das über Nacht geliehene Geld zu zahlen haben, ist der Spitzenrefinanzierungssatz. Er liegt in der Regel rund einen Prozentpunkt über dem Hauptrefinanzierungssatz.
Die Einlagefazilität ist das Gegenstück zur Spitzenrefinanzierungsfazilität. Sie gibt Banken die Möglichkeit, einen Überschuss an flüssigen Mitteln bis zum nächsten Geschäftstag bei der Zentralbank zu parken. Die Verzinsung gibt der Einlagefazilitätssatz an. Spitzen- und Einlagefazilität sind Instrumente, mit denen die EZB weitere Feinsteuerung verwirklichen kann. Wenn die Banken zum Beispiel nur sehr wenig oder gar keinen Zins auf das Geld bekommen, das sie bei der EZB parken, dann steigt der Anreiz, es an einen Kunden zu verleihen. Derzeit ist der Einlagezins negativ - und bestraft somit Banken, die Geld bei der EZB parken.
Bisher durften die Notenbanken maximal 33 Prozent aller Papiere einer bestimmten Anleihe halten. Diese Grenze wurde nun für bestimmte Papiere von der Notenbank auf 50 Prozent hochgesetzt. Diese erhöhte Obergrenze gilt für Papiere von "zugelassenen internationalen Organisationen und multilateralen Entwicklungsbanken".
Der Casus Knacksus: die EZB hat ihr Anleihekaufprogramm nun auf Unternehmensanleihen ausgeweitet. Sie will Papiere von Unternehmen (keine Banken) kaufen, deren Bonität von den Ratingagenturen mit einem Investmentrating ausgestattet wurden.
Was war bisher?
Das Volumen des Programms lag bei nur 60 Milliarden Euro, der Kauf von Unternehmensanleihen durch die EZB galt als undenkbar.
Was will die EZB erreichen?
Die Notenbank will mit aller Macht dafür sorgen, dass ihr Geld bei den Unternehmen ankommt. Gleichzeitig ist der Schritt ein Signal. Draghi sagt nicht „Wir schaffen das“, sondern er sagt „Wir schaffen das – koste es, was es wolle“.
Was bringt das?
Die Zinsen im Euro-Raum dürften noch weiter sinken. Schon jetzt rentieren viele Staatsanleihen im negativen Bereich, Beobachter befürchten, dass im Fall einiger Länder bald nicht mehr genug kaufbare Anleihen da sind. Gleichzeitig betreibt die Notenbank nun Unternehmensfinanzierung. Entsprechend dürften auch die Zinsen auf Unternehmensanleihen stark sinken.
Beobachter sehen bereits jetzt eine Tendenz dazu, dass sich Unternehmen eher am günstigen Anleihemarkt finanzieren, anstatt ihre Bank um einen Kredit zu bitten. Erneut könnte also eine EZB-Maßnahme die andere konterkarieren.
Noch hat die EZB nicht erläutert, nach welchen spezifischen Kriterien sie die zu kaufenden Anleihen auswählen wird. Trotzdem steht fest: statt direkter Staatsfinanzierung betreibt die Notenbank nun direkte Unternehmensfinanzierung. Ein fatales Signal.
Und das heißt nicht, dass die Staaten dabei leer ausgehen. Durch die niedrigen Anleihezinsen können sich die Länder der Euro-Zone extrem günstig finanzieren. Mario Draghi kauft ihnen also Raum für Reformen, dieser wird aber bisher kaum genutzt. „Es verfestigt sich unser Eindruck, dass es der EZB in erster Linie um die Sicherung der Schuldentragfähigkeit geht“, schreibt Lampe-Chefvolkswirt Krüger in einer Analyse der EZB-Maßnahmen.
Hinzu kommt, dass die EZB mit ihrer Maßnahme den Euro kräftig abschwächen dürfte. Offiziell erklärt die Notenbank zwar, keine Währungspolitik zu betreiben. Ungelegen dürfte ihr der schwächere Euro aber nicht sein.
Für Sparer fatal
5. Forward Guidance
Was hat die EZB gemacht?
Die Notenbank gibt den Märkten seit einiger Zeit eine Art Richtlinie dafür, wie lange die Zinsen ultra-niedrig bleiben werden. Diese Prognose wurde nun erneut verändert. Die EZB, so Draghi, erwarte, dass der Zins für eine längere Zeit so niedrig wie jetzt oder sogar niedriger sein werde. Der Zeitraum, so der EZB-Chef, gehe deutlich über den geplanten Zeitraum der Anleihekäufe hinaus. Sprich: der Nullzins wird uns mindestens bis März 2017 begleiten.
Was war bisher?
Eine Forward Guidance gab Draghi schon seit längerem. Einen spezifischen Zusatz mit einer Mindestdauer gab es aber bisher nicht.
Was will die EZB damit erreichen?
Sie will den Märkten vor allem Planungssicherheit geben.
Was bringt das?
Für Kreditnehmer ist das ein gutes Zeichen. Wer bald ein Haus kaufen will oder in einigen Monaten eine Anschlussfinanzierung brauchen wird, kann ziemlich sicher davon ausgehen, dass er ultra-günstige Finanzierungskonditionen vorfinden wird.
Für Sparer ist das Zeichen allerdings fatal: sie wissen jetzt, dass die Zinsen auf unbestimmte Zeit ultraniedrig bleiben und müssen fürchten, dass es so etwas wie Tagesgeldzinsen künftig möglicherweise gar nicht mehr geben wird.
Fazit: Bereits jede Maßnahme für sich genommen ist riskant. Gleichzeitig lässt sich relativ sicher sagen, dass eine Maßnahme alleine keine Chance hätte, den gewünschten Effekt zu liefern. Ergänzen sich die Instrumente, ist ein Effekt denkbar. Allerdings stehen sich viele davon auch gegenseitig im Weg. Vielmehr besteht die Gefahr, dass der riesige Tanker der EZB-Geldpolitik unkontrollierbar in verschiedene Richtungen steuert und dabei enorme, extrem gefährliche Kreditblasen kreiert.