Finanzmarkt nach dem Brexit Wie die EU das Clearing neu regelt

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Inhalte der Reform

Was sieht die Reform im Einzelnen vor?

Die neuen Auflagen der EU sehen für Clearing-Häuser aus Drittstaaten vor, dass diese sich an die Bestimmungen halten müssen, die auch für Abwickler in der Eurozone gelten und gleichzeitig die Auflagen erfüllen, die in ihren Heimatstaaten festgelegt wurden. Sie sollen sich ferner verpflichten, ESMA alle relevanten Informationen zur Verfügung zu stellen und Kontrollbesuche zu ermöglichen. Derartige Befugnisse entsprechen dem Prinzip von US-Behörden, die schon jetzt das Recht haben, Dollar-Geschäfte in London unter die Lupe zu nehmen und sensible Daten einzusehen. Außerdem schlägt die EU-Kommission vor, dass die Abwickler eine Bestätigung der relevanten EU-Zentralbanken brauchen sollen, um zu beweisen, dass sie auch die weiteren zusätzlichen Auflagen erfüllen, die von diesen Notenbanken gefordert werden. Das betrifft zum Beispiel die Verfügbarkeit von Sicherheiten, die die Handelspartner bei den Clearing Häusern hinterlegen müssen oder bestimmte Liquiditätsanforderungen.  

Derivate-ABC für Einsteiger

Ist auch von einer Verlagerung des Clearing in die Euro-Zone die Rede?

Die ESMA soll entscheiden können, ob ein EU-externes Abwicklungshaus systemrelevant ist und hohe Volumen von in Euro ausgegebenen Derivaten verwaltet. Sollte dies der Fall sein, könnte die EU-Kommission in einem letzten Schritt anordnen können, das Geschäft zu verlagern. In dem Entwurf ist von einer begrenzten Zahl von systemrelevanten Clearing Häusern die Rede, die als so wichtig gelten können, das auch die in der Reform genannten verschärften Auflagen nicht ausreichen, um den potentielle Risiken entgegenzuwirken. In diesem Fall kann die EU-Kommission auf Antrag der ESMA und in Übereinstimmung mit der zuständigen Zentralbank entscheiden, dass dieses Clearing Haus nur dann Euro-Derivate abwickeln darf, wenn es eine physische Präsenz in der Eurozone etabliert.

Was meinen die Kritiker einer Verlagerung des Euroclearing?

Viele Großbanken, vor allem die US-Investmenthäuser in London hatten davor gewarnt. Sie meinen eine Fragmentierung der Clearing-Standorte führe zu höheren Kosten. Wie hoch diese Mehrkosten ausfallen könnten, wird diskutiert. Auch der Chef der Londoner Börse LSE, Xavier Rolet, wehrt sich vehement gegen eine Verlagerung.

Warum hat die EU jetzt Reformvorschläge für das Euro-Derivate-Clearing vorgelegt?

Es geht um den Brexit und um die Finanzstabilität. Denn nach dem EU-Austritt wird Großbritannien ein Drittland sein, die Europäische Zentralbank (EZB), die als Lender of Last Ressort agiert, hätte dann als Aufsichtsorgan womöglich kein Durchgriffsrecht auf die Londoner Clearing Häuser. Die Folgen einer Reform für die Kosten der Marktteilnehmer sind im Vergleich dazu weniger wichtig.

Was bedeutet die Vorschläge der EU-Kommission für den Finanzplatz London?

Eine große Mehrheit der Marktteilnehmer verrechnet ihre Euro-Derivate derzeit beim Londoner Clearinghaus LCH Clearnet, denn die Tochter der London Stock Exchange (LSE) wickelt derzeit den größten Teil aller Euro-Derivate und Zinsswaps ab. Insgesamt werden in London jeden Tag Geschäfte im Wert von rund 800 Milliarden Pfund abgewickelt – das sind Dreiviertel des gesamten globalen Geschäfts. Mit dem Brexit aber werden ganz neue Bedingungen geschaffen, LCH Clearnet könnte seine Zulassung als EU-Clearingstelle verlieren. LSE-Chef Xavier Rolet meint, dass in einem solchen Fall etwa 100 000 Jobs in der britischen Finanzindustrie verloren gehen könnten.

Wohin könnte das Euroclearing wandern, wenn es in die Eurozone verlagert werden muss?

Kurz gesagt: nach Frankfurt und/oder nach Paris. Frankfurt mit der Deutsche-Börse-Sparte Eurex Clearing und Paris mit Clearnet SA hoffen, viele dieser Jobs anzulocken. Insgesamt gibt es in der EU - einschließlich Großbritannien - 17 gibt sogenannte Central Counterparties (CCPs), darüber hinaus operieren weitere 28 CCPs aus Drittländern unter einem System der gegenseitigen Anerkennung (Äquivalenz). Es gibt bereits jetzt globale Clearinghäuser, die eine Zulassung für das Euroclearing haben.

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