Flüchtlingskrise Was Österreichs Grenzkontrollen für Südtirol bedeuten

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Kontrollen könnten Exportwirtschaft gefährden

Rund elf Millionen Fahrzeuge rollen jedes Jahr über die Passstraße. Zwei Millionen davon sind schwere Lkw, die Waren von Süden nach Norden und Norden nach Süden bringen: insgesamt 42 Millionen Tonnen im Jahr.

In Südtirol sorgen sich Politik und Wirtschaft vor allem um die Exportwirtschaft der Provinz. Güter im Wert von mehr als vier Milliarden Euro exportiert Südtirol jedes Jahr: unter anderem Äpfel, Gemüse, Autoteile und Kunststoff-Vorprodukte. Vieles davon geht über den Brenner nach Deutschland und Österreich.

In den vergangenen zwei Jahren sind Südtirols Ausfuhren mit teils hohen zweistelligen Raten gewachsen. Sollten Österreichs Behörden die Transporte demnächst am Brenner aufhalten, dürften Kunden in Deutschland und Österreich woanders ordern, und mit den satten Exportzuwächsen Südtirols, dessen Wirtschaft in diesem Jahr immerhin um 1,7 Prozent wachsen dürfte, wäre es vorbei.

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Wie keine andere Provinz Italiens lebt Südtirol von der Integration mit den Nachbarn Österreich und Deutschland. In der Region herrscht praktisch Vollbeschäftigung; in der Industrie fehlen Fachkräfte, auch Mediziner sind knapp. Viele Deutsche und Österreicher leben und arbeiten darum in Südtirol, andere pendeln täglich. „Die Grenze ist eigentlich keine Grenze“, sagt Alfred Aberer, Generalsekretär der Handelskammer in Bozen. Am Wochenende karren Busse massenhaft Südtiroler in die entgegengesetzte Richtung nach München zum Einkaufen und Essen. Die bayrische Landeshauptstadt ist die nächstgelegene Großstadt.

Tourismusbranche in Gefahr

Schwer treffen würden Staus und Chaos am Brenner den Tourismus. Etwa 17 Prozent trägt der Fremdenverkehr zur Wirtschaftsleistung Südtirols bei. Im vergangenen Jahr zählte die Provinz 30 Millionen Übernachtungen.

Sollten Dauerstaus den Brenner verstopfen, dürften sich Touristen verstärkt für Urlaubsziele in Österreich oder der Schweiz entscheiden. Sinkt aber die Zahl der Touristen in Italien nur um ein Prozent, fehlen Südtirol etwa 30 Millionen Euro an Wertschöpfung, rechnet Aberer vor. „Eine Grenzschließung zwingt Italien nicht in die Knie“, sagt Georg Lun, Direktor des Instituts für Wirtschaftsforschung in Bozen, „bei Südtirol sieht das schon anders aus.“


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Doch auch die italienische Regierung rechnet bei einem blockierten Brenner mit wirtschaftlichen Schäden für den Rest des Landes, vor allem wegen der dann ausbleibenden Besucher aus dem Ausland. Österreich rechnet bei Staus und Wartezeiten durch Grenzkontrollen mit Verlusten von täglich etwa einer Million Euro für die Logistikbranche.

Der Vertreter der Spediteure in Südtirol ist Elmar Morandell, ein leicht ergrauter Tiroler mit buschigem Schnauzbart und herzlichem Lachen. 260 Spediteure aus der Region vertritt Morandell, er selbst hat ein Transportunternehmen mit 45 Zugmaschinen und 70 Angestellten. Seine Lkw fahren unter anderem Fracht über den Brenner nach Deutschland zu den Fabriken von Siemens, Bosch und Mercedes. „Wenn es an der Grenze bald langwierige Kontrollen gibt, kann es in den Werken in Deutschland schnell zu Produktionsausfällen kommen“, warnt Morandell.

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