Österreich und die Balkan-Länder ziehen in der Flüchtlingsfrage künftig an einem Strang. Die Innen- und Außenminister von insgesamt zehn Ländern, durch die die sogenannte Balkan-Route läuft, einigten sich am Mittwoch auf einer Konferenz in Wien auf ein gemeinsames Vorgehen zur Reduzierung des Zustroms von Migranten. Dies sei nötig, "denn die Flüchtlingsfrage kann zu einer Überlebensfrage der EU werden", sagte Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner nach dem Treffen mit ihren Amtskollegen. Europa stehe vor der "größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg".
Die Konferenz-Teilnehmer seien sich einig gewesen, dass es nationale Maßnahmen brauche, um eine Überforderung der einzelnen Länder zu vermeiden, sagte Österreichs Außenminister Sebastian Kurz. Daher sei ein Maßnahmenpaket beschlossen worden, das beim Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag präsentiert werden soll.
Reaktionen zu möglichen Grenzschließungen
Anton Börner, Präsident des Außenhandelsverband BGA, warnt im "Tagesspiegel" vor Grenzschließungen. Rund 70 Prozent des deutschen Außenhandels würden innerhalb Europas abgewickelt. "Vor diesem Hintergrund werden sich die Kosten alleine für die internationalen Straßentransporte um circa drei Milliarden Euro verteuern."
"Durch Staus und Wartezeiten, zusätzliche Bürokratie oder zum Beispiel die Umstellung von Just-in-time-Lieferung auf deutlich teurere Lagerhaltung können sich die Kosten für die deutsche Wirtschaft schnell auf zehn Milliarden Euro pro Jahr summieren", mahnt DIHK-Geschäftsführer Martin Wansleben.
Der Vize-Präsident des Europaparlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), sagte der "Rheinischen Post": „Die Schließung der deutschen Grenzen wäre ein Debakel für die Flüchtlinge, für die Wirtschaft, aber auch für Millionen Pendler und Urlauber.“
"Verstärkte Kontrollen ist was anderes, aber eine komplette Schließung ist absolut illusorisch. Und man sollte den Leuten da keine Scheinlösungen anbieten“, sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley im Deutschlandfunk.
"Wenn die Grenzen geschlossen würden, ist Schengen gefährdet. Das hat ebenfalls große Auswirkungen auf Deutschland, auf Arbeitsplätze in Deutschland", sagte der nordrhein-westfälische CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet.
Demnach wollen die Länder nur noch schutzbedürftige Personen aufnehmen. Menschen mit gefälschten Dokumenten sollen strikt abgewiesen werden. Zudem sollen Mindeststandards zur Registrierung der Flüchtlinge eingeführt werden, damit die Personendaten nicht in jedem Land einzeln aufgenommen werden müssen. Zudem sei beschlossen worden, Mazedonien künftig mit der Entsendung von Polizisten an die Grenze zu unterstützen, sagte Mikl-Leitner.
Neben dem Gastgeber nahmen an der Konferenz Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Kosovo, Kroatien, Mazedonien, Montenegro, Serbien und Slowenien teil. Griechenland war nicht eingeladen, was im Vorfeld für Kritik sorgte. Österreichs Außenminister verteidigte die jährlich stattfindende Konferenz als "bestehendes und erprobtes Format". "Zum andern ist es so, dass es nicht gerade an gemeinsamen Sitzungen mangelt, sondern es mangelt uns am gemeinsamen Willen der EU den Zustrom zu reduzieren", sagte Kurz.
Die Kritik Deutschlands am Vorgehen Österreichs, wies Mikl-Leitner erneut zurück. "Deutschland muss sich entscheiden, welche Signale es senden will", sagte sie. Es könne nicht sein, dass einerseits Griechenland die Politik der offenen Türen zugestanden werde und andererseits von Österreich gefordert werde, alle, die nach Deutschland wollten, zu stoppen. Deutschland müsse sich für eine Strategie entscheiden.
Österreich hatte in der Vorwoche eine tägliche Obergrenze zur Aufnahme von Asylbewerbern eingeführt. Das Land akzeptiert an seiner Südgrenze nur noch 80 Asylanträge pro Tag und will täglich höchstens 3200 Flüchtlinge durchreisen lassen. Der Beschluss, den die EU-Kommission als illegal bezeichnet hat, löste eine Reihe weiterer Maßnahmen von Staaten entlang der Balkanroute aus. Am österreichisch-slowenischen Grenzübergang in Spielfeld kamen laut Polizeiangaben seit Dienstag keine Flüchtlinge mehr an. Am Montag wurden dort noch insgesamt 600 Migranten gezählt.