Flüchtlingspakt Merkel gerät wegen Türkei-Deal unter Druck

Der Streit zwischen der EU mit der Türkei eskaliert. Eine Visumfreiheit für Türken soll es nur geben, wenn Ankara seine Anti-Terror-Gesetze entschärft. Der Türkei-Besuch von Kanzlerin Merkel dürfte ungemütlich werden.

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Angela Merkel reist wieder in die Türkei. Quelle: dpa

Gut eine Woche vor dem nächsten Türkei-Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verhärten sich die Fronten im Konflikt um den Flüchtlingspakt mit Ankara. Sollte die Türkei die Voraussetzungen für die Visumfreiheit seiner Bürger nicht erfüllen und vor allem die Anti-Terror-Gesetze entschärfen, könnten bestehende Erleichterungen gestrichen werden, warnte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, Manfred Weber. Es gehe um den privilegierten Zugang der Türkei zum EU-Binnenmarkt und bereits existierende Erleichterungen bei der Beantragung von Visa für Geschäftsleute, sagte er dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat eine Änderung der Anti-Terror-Gesetze jedoch kategorisch ausgeschlossen und angedeutet, sein Land könnte wieder mehr Flüchtlinge nach Europa schicken, sollte die Visumfreiheit platzen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bekräftigte jedoch, er gehe weiter von der „vollständigen Umsetzung der Vereinbarung“ aus. „Ich arbeite daran, dass die bestehende Vereinbarung vollständig umgesetzt wird und nicht an einem Plan B“, sagte er dem „Reutlinger General-Anzeiger“.

Zugleich wächst der Druck auf Merkel, gegenüber Erdogan nicht einzuknicken. „Wir müssen von Angela Merkel verlangen, dass die Punkte umgesetzt werden, und wir sollten uns vor einem allzu devoten Umgang mit Erdogan hüten“, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann dem „Spiegel“. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sagte, bei der Forderung nach einer Reform der türkischen Anti-Terror-Gesetze werde es keine Abstriche geben. Der SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel kritisierte, Erdogan wolle „Visaerleichterungen, ohne dafür die Voraussetzungen zu liefern“.

Die EU will vor allem, dass die türkischen Anti-Terror-Gesetze nicht mehr dazu missbraucht werden, missliebige Journalisten oder politische Gegner zu verfolgen.

Kritik an der Verknüpfung des Flüchtlingsdeals mit der Visumfreiheit übte die Grünen-Politikerin Claudia Roth. Wer das tue, mache die Türken „zu Geiseln der Allmachtspolitik von Präsident Erdogan“, schrieb die Bundestags-Vizepräsidentin in einem Gastbeitrag für das Redaktionsnetzwerk Deutschland, dem mehr als 30 Zeitungen angehören.

Merkel reist am 22. Mai nach Istanbul. Beim ersten UN-Nothilfegipfel werde sie einen Tag später eine Rede halten, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin mit. Am Rande der Konferenz, bei der es um den Umgang mit humanitären Krisen gehen soll, seien auch bilaterale Gespräche geplant. Ob Merkel Erdogan treffe, stehe noch nicht fest.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen forderte in einem offenen Brief an die EU-Staats- und Regierungschefs, vom Flüchtlingspakt Abstand zu nehmen. „Das EU-Türkei-Abkommen bedroht das Recht aller Menschen, Asyl zu beantragen“, heißt es in dem Schreiben.

Nach dem Abkommen zur Begrenzung des Flüchtlingszuzugs schickt die EU Migranten, die seit 20. März illegal in Griechenland eingereist sind, zurück in die Türkei. Für jeden zurückgeschickten syrischen Flüchtling darf ein anderer Syrer aus der Türkei legal in die EU einreisen. Teil des Abkommens ist auch die Visumfreiheit für türkische Bürger, die in die EU reisen wollen.

In Griechenland zeigt das Abkommen Wirkung: Zwischen Freitag- und Samstagfrüh seien nur 14 Menschen aus der Türkei übers Meer gekommen, teilte der griechische Flüchtlingskrisenstab mit. Im Februar setzten im Schnitt täglich noch mehr als 2000 Migranten über, im März sank die Zahl auf fast 900 pro Tag. Im April kamen nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks im Schnitt nur mehr 122 Migranten täglich an.

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