Fillon, das sei Sarkozy in präsentabler Form, hieß es in den vergangenen Tagen bei den konservativen Republikanern. Die Vorhaben sind ähnlich wie die von Sarkozy, der bereits in der ersten Runde der Vorwahlen ausschied. Aber der Mann, der sie nun vertritt, weiß sich gewählt und ruhig auszudrücken. Bei den Vorwahlen der der Sozialisten von 2011 - den ersten Vorwahlen überhaupt in Frankreich - hatten sich die Wähler strategisch für den gemäßigteren der beiden Stichwahlkandidaten entschieden - für denjenigen, dem sie zutrauten, nicht nur traditionell linke Wähler anzusprechen, sondern auch aus der politischen Mitte Frankreichs. Etwa enttäuschte ehemalige Wähler des damaligen konservativen Staatschefs Sarkozy. Sie schickten mit deutlichem Stimmenvorsprung François Hollande ins Rennen und erteilten der weiter links positionierten Martine Aubry eine Abfuhr. Hollande gewann die Präsidentschaftswahl im Mai 2012.
Frankreichs Konservative wagen den riskanteren Weg. Fillons Gegner schießen sich ein auf einen Kandidaten, den sie als ultraliberal, ultrakonservativ und ultra-antisozial brandmarken. Das gilt nicht nur für die politische Linke in Frankreich und für Gewerkschaften, deren Macht er als Präsident brechen will, im Zweifelsfall auch mit der Entsendung der Polizei in die Betriebe. Der rechtsnationale Front National (FN) von Marine le Pen fürchtet zwar durchaus die politische Schnittmenge zu Fillon, was die Themen Immigration, Kampf gegen den Islamismus, Putins Syrien-Politik oder das Glück von Herrn und Frau Jedermann angeht.
Das ist Marine Le Pen
Marine Le Pen, Tochter des Politikers und FN-Gründers Jean-Marie Le Pen wurde am 5. August 1968 in Neuilly-sur-Seine geboren. Als Kind überlebte sie ein Attentat, das 1976 gegen das Wohnhaus der Familie verübt wurde. Die 46-Jährige war mit Geschäftsmann Franck Chauffroy verheiratet. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Nach der Scheidung heiratete sie den FN-Funktionär Éric Lorio. Auch diese Ehe scheiterte. Marine Le Pen studierte in Paris Jura und erhielt 1992 die Anwaltszulassung. Bis 1998 war sie als Anwältin tätig. Besonders markant ist ihre dominante und und für eine Frau sehr tiefe Stimme.
Seit Marine Le Pen den Parteivorsitz inne hat, versucht sie frischen Wind in den „Front National“ zu bringen. So hat sie sich zum Ziel gesetzt, Anspielungen auf das Dritte Reich zu vermeiden, um das Bild einer rechtsextremen Partei loszuwerden. Dazu passt auch, dass sie sich stärker auf die Alltagsprobleme der Bürger fokussiert. Die hohe Arbeitslosigkeit und steigende Preise sind nun die neuen zentralen Themen. Ihre Rezepte zur Überwindung der Krise: Heimische Investoren sollen von einer Abwanderung abgehalten werden, Franzosen sollen bei der Jobsuche bevorzugt werden und das Land aus dem Euro austreten. Feindbild ist die "wilde Globalisierung".
Von 1998 bis 2004 war Marine Le Pen Abgeordnete im Parlament der Region Nord-Pas-de-Calais. Über ihren Wahlkreis Île-de-France zog sie 2004 ins Europaparlament ein. Nach Stationen im Regionalparlament der Île-de-France wurde sie 2011 an die Parteispitze des Front National gewählt. Bei der Präsidentenwahl 2012 wurde sie nach Hollande und Sarkozy drittstärkste. Zeitweise sahen Umfrageergebnisse, die im Magazin „Le Nouvel Observateur“ erschienen sind, den Front National als stärkste französische Partei. Seit der Europawahl im Mai 2014 ist sie Abgeordnete im Europäischen Parlament.
Eine explizite Feindschaft zum Islam gehört zu den zentralen Positionen Le Pens und ihrer Partei. Eine entsprechende Äußerung in einer Wahlkampfrede im Dezember 2010 brachte Le Pen ins Visier der Staatsanwaltschaft. Sie verglich öffentliche Gebete von Muslimen mit der deutschen Nazi-Besatzung. "Sicher geschieht dies ohne Panzer und ohne Soldaten, aber trotzdem ist es eine Besatzung, und betroffen sind die Einwohner", so Le Pen.
Doch warum sollten die 68 Prozent FN-Wähler, die bei den Regionalwahlen vor knapp einem Jahr aus Protest gegen die vergleichsweise harmlosen Reformen unter dem sozialistischen Präsidenten Hollande zu den Rechtsnationalen überliefen, plötzlich für Fillon stimmen? Da ist es, kalkuliert le Pen durchaus nicht realitätsfern, doch viel bequemer, eine Frau zu wählen, die das Renteneintrittsalter wieder auf 60 Jahre senken will, Geringverdienern 200 Euro mehr pro Monat verspricht und Frankreich mit Importzöllen vor der verhassten Globalisierung zu schützen gedenkt.
Von der Linken ist keine Abhilfe zu erhoffen. Sie kegelt sich gerade selbst aus dem Spiel: Sie macht den erschreckend gleichen Fehler wie 2002, als Lionel Jospin in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl gegen sieben Gegenkandidaten um die Gunst ähnlich orientierter Wähler kämpfen musste - und mit gerade einmal 16,2 Prozent ausschied. In die Stichwahl gegen Jacques Chirac gelangte stattdessen Marine le Pens Vater Jean-Marie.
Vergebens drängt der sozialistische Parlamentspräsident Claude Bartolone nun darauf, die Kräfte zu einen und bei Vorwahlen der Linken einen gemeinsamen Kandidaten zu bestimmen. Am Wochenende kürten die Kommunisten Jean-Luc Mélenchon zu ihrem Kandidaten. Die ehemalige Wohnungsbauministerin der sozialliberalen Parti Radical de Gauche (PRG), Sylvia Pinel, erklärte, ebenfalls am Wochenende, ihre Kandidatur keinerlei Vorwahlen unterwerfen zu wollen.
Zuvor hatten bereits Hollandes ehemaliger Wirtschaftsminister Emmanuel Macron und Frankreichs Grüne erklärt, mit eigenen Programmen anzutreten. Damit sind schon einmal vier Linke am Start, die Präsident Hollande und/oder Premierminister Manual Valls Stimmen streitig machen werden. Valls versucht nun, das Ruder noch herum zu reißen.
„Angesichts der Verunsicherung, des Zweifels, der Enttäuschung, der Vorstellung, dass die Linke keine Chance hat, will ich den Mechanismus durchbrechen, der uns in die Niederlage führen wird,“ sagte er der Sonntagszeitung „Le Journal de Dimanche“. Implizit fordert er damit Hollande auf, auf eine erneute Kandidatur zu verzichten. Bisher galten amtierende Staatschefs automatisch als Kandidaten für eine einmalige Wiederwahl. Angesichts der Unbeliebtheit Hollandes - nur noch vier Prozent der Franzosen sind mit seiner Arbeit einverstanden - müssten die Vorwahlen der Linken im Januar jedoch in „neuem Elan und neuer Hoffnung“ münden, so Valls.
Tatsächlich wäre der Law-and-Order-Mann, selbst Einwanderersohn, aber bis in die Haarspitzen assimiliert, wohl der einzige, der Fillon mit harter Hand gegen den Islamismus, aber einem wirtschaftlich gemäßigten Reformprogramm auf der linken Seite die Stirn bieten könnte. Doch wie die Dinge liegen, wird die Entscheidung allein rechts fallen.