Macron hat derweil ein anderes, nur auf den ersten Blick kleines Problem. Die Niederlage des Reformkandidaten Manuel Valls bei den gestrigen Vorwahlen der Sozialisten verschafft ihm zwar den Vorteil, dass er es nicht mit einem Konkurrenten aufnehmen muss, der ähnliche Überzeugungen vertritt, und als Premierminister bis vor wenigen Monaten Macrons Chef war.
„Valls' Niederlage bedeutet, dass Macron nun als einziger Kandidat das Erbe der sozialistischen Regierung übernehmen muss,“ sagt die Ökonomin Julia Cagé. Was dieser natürlich nicht will. Aus genau diesem Grund war er als Wirtschaftsminister zurück getreten und hatte seinen Hut als unabhängiger Kandidat an der Spitze seiner eigenen Bewegung „En Marche!“ (Vorwärts) in den Ring geworfen.
Macrons Strategie, sich als dem System fern stehender Bewerber um das französische Präsidentenamt weder politisch links noch rechts einordnen zu lassen, würde vermutlich ebenfalls Schaden nehmen, wenn nun Dutzende Reform-Sozialisten zu ihm überlaufen würden. Bereits am Dienstag wollen sich in Lyon rund 30 sozialistische Abtrünnige um den dortigen Bürgermeister Gérard Collomb versammeln.
„Wir haben uns zwar auf dieses Spiel der Vorwahlen eingelassen. Aber wir können heute nur konstatieren, dass aus dieser Konsultation einer Minderheit nichts Nützliches für das Land entspringt und eine politische Linie hervor bringt, die reale Zwänge missachtet und zum selben Schiffbruch führen wird, wie ihn die britischen Arbeiter erleiden müssen,“ schreiben sie in einem Kommuniqué.
Mit Jean Pisani-Ferry hatte bereits zum Jahreswechsel einer der wichtigsten wirtschaftlichen Vordenker der Regierung das Handtuch geworfen und koordiniert nun die Arbeit an Macrons Programm. In den vergangenen Wochen hatten sich zudem zahlreiche Sozialisten, heimlich oder auch ganz offen, bei „En Marche!“ gemeldet mit dem Wunsch, auf deren Liste für die im Juni geplante Parlamentswahl zu kandidieren. Nach dem gestrigen Abend könnten weitere folgen. Als höchste Amtsträgerin hat bisher Umweltministerin Ségolène Royal ohne Scheu die Seiten zu Macron gewechselt. „Fehlt nur noch, dass es der Präsident tut,“ witzeln politische Kommentatoren in Paris.
Doch die Frotzelei kann nicht einmal mäßig darüber hinweg täuschen, wie ernst die Lage tatsächlich für die Sozialisten ist. Trotz des protokollarischen Händedrucks zwischen Valls und Hamon am Sonntagabend und der zahlreichen offiziellen Statements, dass die Partei nun geschlossen hinter dem Kandidaten steht, erscheint genau das völlig undenkbar.
Frankreichs Schwächen
Hohe Arbeitslosigkeit und vor allem wenig Hoffnung auf Besserung am Arbeitsmarkt: 3,5 Millionen Menschen sind in Frankreich arbeitslos und es werden immer mehr. Trotz leichten BIP-Zuwachses stieg die Arbeitslosenquote zuletzt um 0,4 Prozent. Rang 49 im Ranking.
Das Leben in Frankreich ist teuer – für Privatbürger wie für Unternehmen. Die Mieten für Geschäftsimmobilien sind überdurchschnittlich hoch (Rang 38), die Energiepreise ebenso (Rang 40). Da auch die Produktionskosten hoch sind, haben es die Unternehmen schwer, konkurrenzfähig auf den Märkten zu agieren.
Eines der größten Probleme Frankreichs ist die immense Besteuerung. Nur 13 Prozent der Unternehmen bescheinigen dem Steuersystem, „wettbewerbsfähig“ zu sein. Das IMD sieht das ähnlich. Kein Land kommt bei der Steuerpolitik schlechter weg als die Franzosen (Rang 61).
In Frankreich ist – wie oben beschrieben – Arbeit teuer. Das Sozialsystem ist aufgebläht, doch die Bereitschaft der Bürger, Abstriche zu machen, ist nicht vorhanden. Im Gegenteil. Die Franzosen verrennen sich in ihrem Protest gegen die Globalisierung (Einstellung gegenüber der Globalisierung: Rang 60), sie sind wenig flexibel und anpassungsfähig (Rang 60).
Es waren die Meuterer um Hamon, die Staatschef François Hollande und Premier Valls bei der Umsetzung wirtschaftsfreundlicher Reformen ein ums andere Mal Beine stellten. Hamon und Ex-Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg flogen deshalb im Sommer 2014 aus dem Kabinett. Und nun sollen Hollande, Valls und der gesamte Reformflügel der Sozialisten allen Ernstes artig die Reihen hinter Hamon schließen?
Beobachter warten statt dessen nur auf den großen Knall und die Spaltung der PS. In den vergangenen gut zwei Jahren war sie mit viel Mühe vermieden worden. Nur ein Schicksal der Sozialisten ist heute so gut wie gewiss: Den nächsten Präsidenten werden sie nicht stellen.