Die Augen der Franzosen sind derzeit auf die Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron und Marine Le Pen gerichtet. Sie dominieren die Umfragen und werden vermutlich in die Stichwahl im Mai gehen.
Allerdings sind viele der Wähler noch unentschieden, der Druck vor der ersten von drei Fernsehdebatte war groß. Am Montagabend traten Macron und Le Pen gegen Benoît Hamon, Jean-Luc Mélenchon und Francois Fillon an. Die Zuschauer erlebten dabei einen angeschlagenen Fillon, der blass und über weite Strecken der Debatte verkrampft, beinahe abwesend, wirkte.
Frankreichs Präsident - das mächtigste Staatsoberhaupt
Von allen Staatsoberhäuptern der Europäischen Union hat der französische Präsident die größten Vollmachten. Seine starke Stellung verdankt er der Verfassung der 1958 gegründeten Fünften Republik, ihr erster Präsident war General Charles de Gaulle.
Der Staatschef wird seit 1965 direkt vom Volk gewählt und kann beliebig oft wiedergewählt werden. Seit 2002 beträgt seine Amtszeit noch fünf statt sieben Jahre.
Der Präsident verkündet die Gesetze, kann den Premierminister entlassen und die Nationalversammlung auflösen. In Krisenzeiten kann er den Notstandsartikel 16 anwenden, der ihm nahezu uneingeschränkte Vollmachten gibt.
Der Staatschef ist gegenüber dem Parlament nicht verantwortlich. Durch eine 2007 beschlossene Verfassungsänderung sind Staatschefs im Amt vor Strafverfolgung ausdrücklich geschützt. Das Parlament kann den Präsidenten nur bei schweren Verfehlungen mit Zweidrittelmehrheit absetzen.
Frankreichs Staatschef ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und hat in der Verteidigungs- und Außenpolitik das Sagen. Seine stärksten Druckmittel sind der rote Knopf zum Einsatz von Atomwaffen und das Vetorecht im UN-Sicherheitsrat.
Der Präsident ernennt den Premierminister und auf dessen Vorschlag die übrigen Minister, leitet die wöchentlichen Kabinettssitzungen und nimmt Ernennungen für die wichtigsten Staatsämter vor.
Seine Macht wird jedoch eingeschränkt, wenn der Regierungschef aus einem anderen politischen Lager kommt und der Präsident keine eigene Mehrheit in der Nationalversammlung hat. Dieser Fall der „Kohabitation“ war bei der Verabschiedung der Verfassung nicht vorgesehen. Er trat aber bereits drei Mal ein, zuletzt 1997 bis 2002, als der konservative Staatschef Jacques Chirac mit dem sozialistischen Premierminister Lionel Jospin auskommen musste.
Trotz immer erdrückender werdenden Korruptionsvorwürfen nutzte er den Fernsehauftritt nicht, um sich zu entschuldigen. Er gab lediglich kleinlaut zu Bedenken, dass Menschen eben Fehler hätten - und er auch. Sein Ziel für die kommenden zwei Fernsehdebatten sollte es sein, kampflustiger und vor allem wieder selbstsicherer zu werden.
Dieses Mal war es vor allem der Europaabgeordnete Jean-Luc Mélenchon, der mit seiner eloquenten, zuweilen sehr engagierten und lauten Art, einen kleinen Aufmerksamkeitserfolg landen konnte. Er sorgte dafür, dass die Diskussion keine weitere Wahlkampfveranstaltung wurde, sondern eine echte Debatte. Beim Thema Bildung und in der in der Einwanderungsfrage bezog er klar Stellung gegen Marine Le Pen: „Menschen werden nicht freiwillig zu Migranten, sie werden dazu gemacht – und wir müssen sie so behandeln, wie wir behandelt werden möchten.“ In Frankreich dominierte er auf Twitter von Beginn an die Tweets.
Frankreichs Stärken
Der einzige Lichtblick auf dem Arbeitsmarkt ist die hohe Beschäftigungsquote von Frauen. Dank guter Kinderbetreuungsmöglichkeiten und aufgeschlossenen Arbeitgebern sind viele Frauen in Arbeit. Rang 9 im internationalen Vergleich.
Ein gutes Gesundheitssystem, eine gute technische Infrastruktur und hohe Energiesicherheit: Die Grundlagen für erfolgreiches Unternehmertum sind von dieser Seite her gegeben.
Mélenchon muss jede Öffentlichkeit nutzen, die ihm geboten wird. In den Wahlumfragen liegt er bislang nur auf Platz fünf, holt aber auf. Einige sehen ihn schon gleichauf mit Hamon.
Die beiden Linken könnten zwischen dem ersten Wahlgang und der Stichwahl zum Zünglein an der Waage werden. Dann wird es darum gehen, ihre Wähler noch einmal zu mobilisieren, um Marine Le Pen zu verhindern. Das dürfte auch erklären, warum sich Hamon und Mélenchon gegenseitig überhaupt nicht angriffen - und von Zeit zu Zeit sogar den Ausführungen von Emmanuel Macron zunickten. Auch deshalb war die TV-Debatte ein „Alle gegen Le Pen“.
Emmanuel Macron war der einzige Kandidat, der direkt zu den Zuschauern an den Bildschirmen sprach, sie mit einem „Bon Soir“ (Guten Abend) begrüßte und seine Konkurrenten ausblendete, so als wolle er sagen: Es gibt nur mich. In seinem Eingangsstatement präsentierte er sich weniger als etablierter Politiker, sondern als arbeitender Mensch, als Banker. „Darauf bin ich stolz.“
Le projet que je porte est un projet qui a confiance dans le pays et son énergie.
— Emmanuel Macron (@EmmanuelMacron) 20. März 2017
C’est un projet porteur d’espoir. #LeGrandDébat pic.twitter.com/yRPMwKRLLF
Er ist der einzige Kandidat, der noch nie für ein politisches Amt kandidiert hat, obwohl er unter Hollande bereits Wirtschaftsminister war. Ein etablierter Politiker werde die Probleme Frankreichs (unter anderem Klimawandel, islamistischer Terror) nicht lösen. „Das Projekt, das ich vorhabe, hat Vertrauen in das Land und seine Energie. Es ist ein Projekt der Hoffnung.“
Marine Le Pen brauchte mit drei Minuten für ihr Eingangsstatement fast doppelt so lange, wie ihre männlichen Konkurrenten. Sie formulierte den einprägsamsten Satz der Debatte: „Ich möchte nicht die Vizekanzlerin von Angela Merkel sein.“ Außerdem stehe sie auch nicht als „Chefin einer Region der EU“ zur Verfügung, sondern als „Präsidentin der französischen Republik.“ Für diese Unabhängigkeit Frankreichs seinen schließlich „Millionen von Franzosen gestorben.“
Le Pen spricht viel, Macron gewinnt die Debatte
Le Pen war nicht die einzige, die Bundeskanzlerin Angela Merkel angriff. Fillon warf dem unabhängigen Kandidaten Macron vor, dass er die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin lobte. Dabei war er nicht der einzige Diskutant, der Lob für die Kanzlerin übrig hatte. Auch der Sozialist Hamon befand das „deutsche Konzept“ für gut und plädierte für ein „humanitäres Visum für Flüchtlinge“. Er ging sogar noch einen Schritt weiter und monierte, dass Frankreich bislang nicht gastfreundlich genug gewesen sei.
Damit war er in Sachen Einwanderungspolitik allerdings weitestgehend alleine: Sogar der sonst so liberale Emmanuel Macron forderte eine bessere Sicherung der europäischen Grenzen, möchte aber gleichzeitig die Dauer verkürzen, in der über Asylanträge entschieden wird. Die illegale Einwanderung solle eingedämmt, Flüchtlinge müssten aber willkommen geheißen werden.
Fillon forderte Quoten für Einwanderer, die aber nicht für Asylbewerber gelten sollen. Jean-Luc Mélenchon hielt eine Begrenzung für nicht umsetzbar.
Wenig überraschend möchte Marine Le Pen illegale und legale Migration strikt unterbinden, stattdessen müsse man sich darauf konzentrieren, Armut und Arbeitslosigkeit im Land zu bekämpfen. „Wir wissen, dass mit diesem Flüchtlingsstrom auch Islamisten kommen“, sagte sie. „Die Franzosen können nicht mehr.“
So richtig Fahrt nahm die Debatte erst in der zweiten Hälfte beim Thema „religiöse Symbole“ auf. Le Pen wärmte den Streit um die Ganzkörper-Anzüge, der vergangenen Sommer die Schlagzeilen dominiert hatte, wieder auf. „Vor einigen Jahren gab es keine Burkinis an den Stränden“, sagte sie an Macron gerichtet und sah das als Zeichen für eine "Zunahme des radikalen Islams". Er hielt entgegen: „Hören Sie auf, die französische Gesellschaft zu spalten“, warf Macron Le Pen vor. „Sie schließen vier Millionen Menschen aus, die in Frankreich an den Islam glauben – und machen aus ihnen Feinde. Aber nicht mit mir.“
Am Ende der mehr als drei Stunden war es Marine Le Pen, die den größten Redeanteil hatte, Fillon sprach am wenigsten. Und so war es Emanuel Macron, der in einer Blitzumfrage am besten abschnitt. 29 Prozent der Zuschauer fanden ihn am überzeugendsten. Le Pen kam lediglich auf Platz drei. Die nächste Debatte steht für den 4. April an.