Frankreich Mélenchon angriffslustig, Fillon teilnahmslos

Elf Kandidaten konkurrieren um das französische Präsidentenamt. In einer fast vierstündigen Fernsehdebatte konnte keiner der Anwärter wirklich überzeugen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die große TV-Debatte für die Wahl in Frankreich. Quelle: REUTERS

Schon nach den Eingangstatements war klar: Das wird nicht nur ein langer, sondern auch zäher Abend – an dem die Kandidaten vor allem ihre bekannten Positionen wiederholten und sich eher weniger als mehr an die Zeitvorgaben des Senders hielten. Und so war der Erkenntnisgewinn nach der knapp vierstündigen Debatte entsprechend gering.

Einen heftigen Schlagabtausch lieferten sich die elf Anwärter auf das französische Präsidentschaftsamt lediglich beim Thema Europäische Union, der nicht nur die Kandidatin des Front National, Marine Le Pen, kritisch gegenüber steht.

Auch Gaullist Nicolas Dupont-Aignan, dessen Jackett, Hemd und Krawatte die Farben der französischen Flagge ergaben, und Rechtsnationalist François Asselineau, die aktuellen Umfragen zufolge keine Chance haben, auch nur in die Stichwahl zu kommen, kritisierten die Europäische Union. Linkspartei-Kandidatin Nathalie Arthaud bezeichnete sie gar als „Diktatur“. Der Linke Jean-Luc Mélenchon, der in der ersten Fernsehdebatte vor zwei Wochen überraschend überzeugen konnte, will die EU-Verträge neu verhandeln und unter Umständen aufkündigen.



Der unabhängige Kandidat Macron setzt dagegen auf Europa: „Ich bin im Herzen Europäer und glaube daran, dass es uns stärker macht“. Unterstützung bekam er dafür von Fillon: „Wir brauchen Europa, um uns zu beschützen“, entgegnete er Le Pen, die die Franzosen über den Austritt aus der EU abstimmen lassen und den Euro abschaffen will.

Frankreichs Präsident - das mächtigste Staatsoberhaupt

Dann setzte er wieder an: „Was Sie vorschlagen, ist Nationalismus“, entgegnete Macron und „Nationalismus ist Krieg.“ Überhaupt erlebten die Fernsehzuschauer an diesem Abend einen Kandidaten mit zwei Gesichtern: Ein normalerweise sehr gut vorbereiteter Macron wirkte in den ersten Minuten fahrig und unkonzentriert, verhaspelte sich direkt in seinem ersten Statement und hielt sich nicht an die zeitlichen Vorgaben.

Dann wieder setzte er wohldosierte, aber durchaus gerechtfertigte Angriffe gegen seine stärkste Konkurrentin Marine Le Pen. Die beiden Kandidaten liegen in den Wahlumfragen fast gleichauf – und es wird erwartet, dass sie in der Stichwahl gegeneinander antreten.

Fillon müsste endlich Fehler einräumen

Die 220 Personen im Publikum, darunter Brigitte Macron, die Ehefrau von Emmanuel Macron ebenso wie Penelope Fillon, die Ehefrau von Francois Fillon, hatten Klatschverbot und hielten sich über weite Strecken auch daran. Die Moderatorinnen hatten mehrfach Mühe, die Diskutierenden höflich, aber bestimmt darauf hinzuweisen, dass ihre Zeit längst abgelaufen war.

Für jede Antwort hatten die elf Kandidaten nicht mehr als 90 Sekunden Zeit, hinzu kam eine Minute für das Eingangsstatement, eine weitere für das Schlussplädoyer. In der knapp vierstündigen Debatte wurden so wichtige Themen wie Arbeitslosigkeit, Wirtschaftsreformen, Sicherheit und Staatsausgaben nur angerissen.

Das Rennen für die Stichwahl scheint ohnehin weitestgehend klar auf Marine Le Pen und Emmanuel Macron hinauszulaufen. Aber noch geht es darum, zumindest einen Achtungserfolg zu erringen. Und wer auf Platz drei landet, ist noch nicht ganz klar: Jean-Luc Mélenchon machte nach der letzten Debatte vor zwei Wochen Boden gut und konnte sich mittlerweile auf Platz vier vorschieben, Francois Fillon wird nach der immer größer werdenden Korruptionsaffäre unbeliebter. Zeit für einen Angriff, könnte man meinen, aber weit gefehlt.

Francois Fillon blieb über weite Strecken beinahe unsichtbar, wirkte teilnahmslos – selbst wenn er von Dupont-Aignan oder Trotzkist Philippe Poutou ("Je tiefer man bei François Fillon wühlt, desto mehr riecht es nach Korruption, Betrug.") direkt angegriffen wurde. Es könnte Kalkül sein, nicht auf jeden Angriff einzugehen, nur zu sprechen, wenn man wirklich gefragt wird.

Für eine Inszenierung als großer Staatsmann, der über den Dingen steht, reicht das aber nicht. Fillon müsste endlich Fehler in der Korruptionsaffäre einräumen, stattdessen sagt er: „Ich habe keine Fehler begangen und ich werde dazu keine Fragen beantworten, vor allem nicht von Journalisten, die mir zwei Monate das Leben schwer gemacht haben.“

So ist es am Ende Jean-Luc Mélenchon, den die Fernsehzuschauer in einer Blitzumfrage am überzeugendsten fanden, gefolgt von Emmanuel Macron, der die erste Fernsehdebatte für sich entscheiden konnte.

Kurz vor den Wahlen – am 20. April – treffen noch einmal alle elf Kandidaten aufeinander. Diese Fernsehauftritte können, trotz relativ klarer Wahlumfragen, noch das Zünglein an der Waage sein. Denn viele Wähler sind unentschlossen, und die erste Debatte sahen immerhin rund zehn Millionen Franzosen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%