Frankreich-Wahl Das Handicap des Emmanuel Macron

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Ein Novum: Keine der großen Parteien schaffte es in die Stichwahl

Das würde erklären, warum sie es am Sonntag nicht zum äußersten kommen ließen. Für den Fall eines Einzugs in die Stichwahl von Le Pen und Mélenchon hatten Experten eine massive Kapitalflucht befürchtet. Laut Reynié trugen solche Ängste in den vergangenen Wochen auch dazu bei, dass Le Pen ihren Anti-EU-Kurs abschwächte und die Entscheidung über einen Ausstieg nun von einem Referendum etwa ein Jahr nach ihrer Wahl abhängig machen will. „Wenn sie bis zur Stichwahl Anhänger der Konservativen zu sich herüber ziehen will, muss sie auch diesen Vorschlag komplett fallen lassen,“ ist Reynié überzeugt.

Wählerpotenzial für die FN ist bei den konservativen Republikanern durchaus vorhanden. Zwar rief deren Kandidat François Fillon nach Bekanntwerden seiner eigenen Niederlage sofort zur Unterstützung Macrons auf. Allerdings sind vor allem dessen Wähler im Süden des Landes und in erzkatholischen Kreisen eher für den ausländerfeindlichen Teil des FN-Programms zugänglich als für die Botschaft Macrons einer offenen Gesellschaft, in der es nicht die eine französische Kultur gibt. Befragungen zu Folge wollen nur gut ein Drittel der Republikaner-Wähler in zwei Wochen für Macron stimmen.

Ohnehin ist die Zukunft der Republikaner und mehr noch die der französischen Sozialisten nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen ungewiss. Dass keine der beiden großen Parteien, die den vergangenen Jahrzehnten die Politik des Landes bestimmten, es in die Stichwahl schaffte, ist ein für sie schwer zu verkraftendes Novum. Der Kandidat der Sozialisten, Benoit Hamon, kam gerade einmal auf etwas mehr als sechs Prozent der Stimmen.

Le Pen will „Gift“ radikaler Islamisten „ausrotten“
Ihre Feindbilder sind „das System“ und „die Globalisierung“: Marine Le Pen ist eine der bekanntesten Figuren des Rechtspopulismus in Europa. Le Pen kam 1968 als jüngste Tochter des rechtsextremen Polit-Haudegens Jean-Marie Le Pen zur Welt. Im Alter von acht Jahren wurde sie von einer Bombenexplosion aus dem Schlaf gerissen - ein Anschlag auf ihren Vater, dessen Hintergründe nie geklärt wurden. Sie studierte Jura und arbeitete als Rechtsanwältin, bis sie 1998 die Justizabteilung des Front National (FN) übernahm. 2011 übernahm sie die Führung des FN von ihrem Vater. Die 48-Jährige hat der Partei ein gemäßigteres Auftreten verordnet, offenen Rassismus zurückgedrängt. Für diese Strategie ließ sie sogar ihren Vater aus der Partei ausschließen. Sie vertritt aber weiter radikale Positionen gegen die Europäische Union, den Euro und Einwanderung. Le Pen ist zudem Abgeordnete im EU-Parlament. Vorwürfe zur Verwendung von EU-Mitteln, wegen denen auch die französische Justiz ermittelt, lässt sie als Manöver ihrer politischen Gegner an sich abperlen.Nachfolgend einige ausgewählte Zitate Marine Le Pens. Quelle: dpa
Marine Le Pen Quelle: AP
Marine Le Pen Quelle: REUTERS
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Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen Quelle: dpa
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Marine Le Pen Quelle: AP

Enttäuscht über die vergangenen fünf Jahre sozialistischer Regierung unter einem ihrer Meinung nach zu liberalen Staatschef François Hollande wandten sich zahlreiche ehemalige Wähler entweder weiter nach links Mélenchon zu oder Le Pen. Obwohl die FN rechtsextrem ist, verfolgt sie ein linken Wählerinteressen zugeneigtes Wirtschaftsprogramm. Es macht den Staat für das Glück seiner Bürger verantwortlich. Bei der Herabsetzung des Renteneintrittsalters auf 60 Jahre sowie der Erhöhung von Staatsausgaben und niedrigen Löhnen etwa sind die Programme von Le Pen und Mélenchon nahezu deckungsgleich.

Frankreichs Präsident - das mächtigste Staatsoberhaupt

Anders als der Sozialist Hamon, der seine Anhänger bat, für Macron zu stimmen, vermied Mélenchon zunächst ausdrücklich jede Wahlempfehlung. Es ist nicht auszuschließen, dass er die Meinung einiger kleinerer linksgerichteter Kandidaten teilt, die politische Debatte müsse nun auf der Straße ausgetragen werden. Das ließe nicht Gutes für künftige Reformen erwarten.

Macron weiß das nur zu gut. Als er am Sonntagabend vor seine Anhänger trat, schickte er einen Gruß an sämtliche unterlegenen Kandidaten und ließ seine Fans applaudieren. „Danke, das vereint uns,“ sagte er. Er wolle alle Franzosen hinter sich versammeln, denn „die Kraft der Einheit wird entscheiden, wie ich Präsident sein und regieren kann“.



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