Freihandelsabkommen Das letzte Gefecht um TTIP beginnt

Die TTIP-Gegner wollen erneut Hunderttausende gegen die Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA auf die Straße bringen. Foodwatch, Greenpeace und Co. haben vieles richtig gemacht. Jetzt naht die Entscheidung.

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TTIP-Gegner in Berlin Quelle: imago images

Die Gegner des transatlantischen Freihandelsabkommens müssten Sigmar Gabriel dankbar sein. Denn der Bundeswirtschaftsminister spricht aus, was die Bundesregierung offiziell nicht wissen möchte. „Besser kein Abkommen, als ein schlechtes“, ist einer dieser Gedanken. Oder: „Ich glaube nicht, dass der Wunsch von Angela Merkel, noch in diesem Jahr ein Abkommen mit den USA zu haben, irgendeine Chance hat.“

Doch die TTIP-Gegner suchen nicht etwa den Schulterschluss mit dem SPD-Chef. Im Gegenteil: Thilo Bode, Chef der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, wirft dem Vizekanzler Trickserei vor, um doch noch den Weg für das Abkommen zu ebnen. „Das ist die Strategie von Gabriel: Er redet Ceta schön, weil er TTIP haben will“, sagte Bode kürzlich im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. „Deshalb macht er uns vor, dass das Abkommen mit Amerika gescheitert ist. Damit wir wegschauen.“

Ceta steht für „Comprehensive Economic and Trade Agreement“, ein umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen, das zwischen der EU und Kanada geschlossen werden soll. Der Vertrag ist fertig ausgehandelt, nun geht es um die Ratifizierung. Die Kritiker der beiden Abkommen wollen zunächst CETA stoppen, um dann auch TTIP beerdigen zu können.

Heute stellte ein Anti-TTIP-Bündnis in Berlin seine Pläne für den Herbst vor. Mitte September wollen sie in sieben Städten mehr als eine Viertelmillion Menschen für Demonstrationen gegen Ceta und TTIP mobilisieren. Den rhetorischen Rahmen hatte Bode bereits vorgegeben: „TTIP gehört in die Tonne.“ Die Bedingungen, unter denen EU und USA verhandeln, könnten widriger kaum sein. Das Abkommen ist längst nicht fertig ausgehandelt, wichtige Streitthemen bleiben offen – etwa die Frage der privaten Schiedsgerichte oder die Angleichung von Schutzstandards.

Das Problem für die TTIP-Verhandler: Ihnen läuft die Zeit davon. Im November wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Beide Kandidaten – Donald Trump und Hillary Clinton – haben sich als Freihandelsskeptiker positioniert, um bei frustrierten, globalisierungskritischen Wählern zu punkten. Und selbst wenn bis dahin das Abkommen fertig verhandelt wird, dürfte der Ratifizierungsprozess lange dauern. Weder der Kongress in den Vereinigten Staaten noch das Europäische Parlament (oder gar der Deutsche Bundestag) dürften TTIP einfach durchwinken. Auf beiden Seiten des Atlantiks dürften die Vor- und Nachteile über Monate diskutiert werden.

Damit ist jetzt schon klar: Die Gegner des Abkommens können ihre Kampagnen als Erfolg feiern. Ihnen ist es gelungen, die Deutungshoheit zu gewinnen und die Schwächen der Befürworter für sich zu nutzen.

Beispiel Transparenz: Im Juli 2013 trafen sich die Vertreter von EU und USA zu den ersten Verhandlungen. Erst 15 Monate später, im Oktober 2014, erfuhr die Öffentlichkeit, worüber die EU-Kommission im Namen der Mitgliedsstaaten verhandelt. Claudia Schmucker von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik hält es für einen Fehler, dass die EU-Kommission das Verhandlungsmandat so spät und erst unter dem Druck der Öffentlichkeit veröffentlicht hat. „So ist der Eindruck von Mauschelei und Hinterzimmerpolitik entstanden“, sagt Schmucker. „Doch zur Verteidigung der Kommission: Noch nie zuvor in der Geschichte hatte sich die Öffentlichkeit für ein solches Mandat interessiert.“

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