Genau hier kommt das Bundesverfassungsgericht auf den Plan. Mit seiner in der Pressemitteilung vom 7. Februar getroffenen Aussage, das OMT-Programm sei nicht durch den Vertrag gedeckt, und der Entscheidung, den EuGH zu einer Vorabentscheidung anzurufen, macht das der Zweite Senat des Gerichts (bei zwei Gegenstimmen) klar, dass die EZB keine allgemeine Wirtschaftspolitik aus dem Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten betreiben darf. Es sieht hier eine klare Verletzung des Mandats und eine Beschneidung der demokratischen Rechte der Bürger.
Die Begründung ist schlüssig. Die Ankündigung, beim Kauf der Staatsanleihen zu diskriminieren, widerspricht erstens dem Mandat klar. Selbst wenn es gelebte Praxis ist, auf dem Sekundärmarkt Staatsanleihen im Rahmen von Offenmarktpolitik zu kaufen du verkaufen, ist eine selektive Auswahl ausgerechnet der schwächsten Anleihen geldpolitisch kaum zu begründen. Zweitens ist die Finanzierung einzelner Staaten durch die EZB nicht demokratisch legitimiert. Sie bürdet einigen Ländern Risiken auf, ohne dass in den dortigen Parlamenten darüber entscheiden werden konnte.
Zur Niedrigzinspolitik äußert sich das Bundesverfassungsgericht wohlweislich nicht, denn sie findet auf der instrumentellen Ebene statt. Aber auch sie stellt in gewisser Weise eine allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahme dar, weil sie gezielt den Regierungen die Finanzierung und den indirekten Abbau ihrer Schulden erleichtert. Sie schützt vor allem vor Reformen und der Bewältigung des Strukturwandels, Stichworte sind Zombiewirtschaft, Zombiebanken und Zombiestaaten. Dies ist an dieser Stelle mehrfach diskutiert worden.
Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird klar, dass das Gericht die Einhaltung von demokratischen Regeln für unabdingbar hält. Dies ist sehr beruhigend in Zeiten, in denen die europäischen Eliten die Regeln sehr gedehnt haben. Auch die drei Ökonomen scheinen die diskretionären Spielräume der Notenbank ausdehnen zu wollen. Sicherlich ist dies gut gemeint und soll die Lage verbessern. Aus theoretischen Modellen und praktischen Erfahrungen haben wir jedoch eindeutig gelernt, dass die Einhaltung kluger und im politischen Prozess beschlossener Regeln dem Vertrauen auf die überlegene Klugheit einzelner – noch so wohl meinender – Diktatoren vorzuziehen sind. Und dass die Regeln des Maastricht-Vertrages klug sind, dürfte allgemeiner Konsens sein.
Man darf gespannt sein, wie der Fall ausgeht. Richtig ist sicherlich, dass das OMT-Programm durch die Karlsruher Entscheidung an Wucht verloren haben dürfte. Das Gespenst der Krise ist zurück.