Die Alternative für Deutschland (AfD) nähert sich gerade der pan-europäischen Rechten beziehungsweise Rechtsextremen an. Angetrieben von Alexander Gauland wird eine engere Kooperation mit dem Frontal National in Frankreich angestrebt. Herr Gauland sieht Gemeinsamkeiten beider Parteien im Kampf gegen eine immer engere europäische Integration.
Damit ruft er allerdings innerparteiliche Opposition in der AfD hervor. Der Ko-Vorsitzende der Partei, Jörg Meuthen sieht wenige Gemeinsamkeiten mit den französischen Kollegen.
Auch die Europaabgeordnete Beatrix von Storch argumentiert dagegen, und dies vor allem mit wirtschaftspolitischen Argumenten. Der Front National sei sozialistisch (vermutlich hat sie in diesem Punkt Recht), die AfD und sie selbst hingegen seien liberal (dass sie in diesem Punkt Unrecht hat, wird diese Kolumne zeigen).
Denn mit ihrer Begründung wirft Frau von Storch eine interessante Frage auf: Kann man zugleich fremdenfeindlich und liberal sein? Kann man andere an der Religionsausübung hindern wollen und sich für Freiheit einsetzen?
Die Antwort darauf kann nur negativ ausfallen. Das kann man sich am besten an der Frage, was es heißt liberal zu sein, klarmachen. Liberale akzeptieren Lebensmodelle anderer Menschen; sie stören sich nicht an anderen Religionen und Hautfarben, Geschäftsmodellen und sexueller Orientierung. Sie räumen vorrangig der/dem Einzelnen die Entscheidung über die Art, ihr/sein Leben zu führen, ein und halten die individuelle Freiheit für das höchste Gut; sie akzeptieren damit auch die individuelle Verantwortung, die damit einhergeht.
Sie wissen natürlich, dass auch freie Individuen Teile einer Gesellschaft sind. Damit haben sie die Rechte anderer sowie die Rechtsordung im Allgemeinen zu respektieren und sind Teil einer Solidargemeinschaft. Diese liberale Grundhaltung macht nicht an Grenzen halt. Die Freiheit und Selbstbestimmung von Inländern und Ausländern wird gleichermaßen als Recht anerkannt. Das heißt nicht, dass die Solidarleistungen einer Gemeinschaft allen außerhalb der Gemeinschaft zukommen sollen; interpretiert man eine Solidargemeinschaft als einen impliziten Versicherungsvertrag, so konstituiert ausschließlich die Bereitschaft, einen Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten, Rechte.
Wie hoch der Beitrag dann ist, hängt von der Leistungsfähigkeit ab. Dennoch gibt es im Grundsatz keine Unterscheidung von denen da draußen, d.h. den Ausländern, und uns hier drinnen, den Inländern. Damit wird auch der Außenhandel als Recht der/des Einzelnen interpretiert; Freihandel ist die Konsequenz. Man beachte, dass das Argument für Freihandel hier explizit nicht auf die allokative Effizienz, die Beschäftigung und Unternehmensgewinne abstellt, sondern auf Rechte von Individuen.
Von Storch will deutschen Muslimen friedliche Religionsausübung untersagen
Mit Protektionsmaßnahmen und ökonomisch ungerechtfertigten Eingriffen in die Märkte als Kooperationsplattformen schränkt eine Regierung die Rechte ihrer Bürger ein. Nun passiert das aber recht häufig. Die Liberalen wissen deshalb auch, dass Freiheit kein Geschenk ist; sie muss erkämpft und permanent verteidigt werden.
Nicht nur Extremisten von links und rechts – so wie Frau Le Pen – sind antiliberal. Auch manche, aber bei weitem nicht alle eher gemäßigte Politiker trauen anderen wenig zu; sie mögen deren Freiheit nicht; zu gerne bestimmen sie deren Schicksal und drängen sie in irgendeine Gemeinschaft (wir hier drinnen gegen die da draußen!).
Fazit: Für Liberale unabhängig von irgendwelcher Parteizugehörigkeit ist Freiheit Menschenrecht für alle, dass immer wieder verteidigt werden muss. Ein alter Freund des Kolumnisten stellte dazu vor vielen Jahren fest, dass die einzigen, die die Internationale mit voller Berechtigung singen dürften, die Liberalen seien. Recht hat er. Ist Frau von Storch eine solche Liberale? Sicher nicht.
Sie will den bei uns lebenden Ausländern und den deutschen Muslimen die freie und friedliche Religionsausübung untersagen und ihre Rechte streichen. Dies ist weder menschlich noch liberal. Wenn sie sich selber als liberal bezeichnet, scheint sie sich ausschließlich auf die wirtschaftlichen Aspekte des internationalen Handels und der Marktwirtschaft zu beziehen.
Wird die AfD langfristig erfolgreich sein?
Die Forschungsgruppe Wahlen hat zwischen September 2014 und Mai 2015 in Deutschland Wahlberechtigte befragt, ob sie glauben, die AfD werde langfristig erfolgreich sein.
Quelle: ZDF Politbarometer, Statista
Im September 2014, also ungefähr ein Jahr nach dem knapp verpassten Einzug in den Bundestag, glaubten nur 56 Prozent der Befragten, die AfD werde langfristig nicht erfolgreich sein.
Zwei Monate später stieg der Anteil derer, die der AfD keinen langfristigen Erfolg zutrauten, auf 63 Prozent.
Im Januar 2015 glaubten 69 Prozent nicht an den langfristigen Erfolg der Euro-Kritiker um Bernd Lucke.
Im Februar 2015 prognostizierten 64 Prozent der AfD keinen langfristigen Erfolg.
Im Mai 2015 stieg (unter dem Eindruck der internen Personaldebatte?) der Anteil derjenigen, die der Alternative für Deutschland keinen Erfolg auf lange Sicht hin zutrauen, auf den in der Umfrage bisher höchsten Stand von 76 Prozent.
Dies ist ein technokratischer und kein umfassender Freiheitsbegriff. Damit gehört sie gerade nicht zu den Liberalen. Ganz im Gegenteil, es ist geradezu unerträglich, dass jemand wie diese Abgeordnete sich als liberal bezeichnet. Dagegen müssen sich echte Liberale wehren. Sie darf natürlich ihre Position vertreten (ansonsten wären wir ja gerade keine Liberalen), sie möge sie aber als das bezeichnen, was sie wirklich ist: fremdenfeindlich und antiliberal; und damit in unangenehmer Weise menschenverachtend.
Wenn sie das nicht selber so nennt, müssen wir es eben machen. Es ist somit die Aufgabe der Liberalen aller Parteien, in klarer Weise, aber nicht ausgrenzend, diese Position zu verdeutlichen. Wenn dies gelingt und die Überlegenheit einer offenen Gesellschaft gegenüber einer AfD-Volksgemeinschaft deutlich herausgearbeitet wird, bleiben solche Politiker wie Herr Gauland und eben Frau von Storch dauerhaft eine Randerscheinung.