Freytags-Frage

Wie kann die Europäische Kommission Europas Handelspolitik stärken?

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Keine Angst vorm Investitionsschutz

Das heißt aber nicht, dass die Situation damit geklärt und zur allseitigen Zufriedenheit gelöst wäre. Investitionsschutz und Regulierungen werden im internationalen Handel immer wichtiger. Das liegt daran, dass sich Handel und Investitionen in globalen Wertschöpfungsketten zunehmend ergänzen. Der Handel mit Vorprodukten etwa erfordert Direktinvestitionen im Ausland, darunter auch in Ländern mit zweifelhafter Rechtsordnung.

Die Investoren fordern deshalb regelmäßig Schutz vor willkürlicher Behandlung durch die Regierung im Gastland. Aus diesem Grund unterzeichnen viele Länder bilaterale Investitionsschutzabkommen. Allein die Bundesrepublik hat über 120 solcher Abkommen ausgehandelt. Insgesamt existieren knapp 3000 bilaterale Abkommen. Da macht es Sinn, diese Abkommen zu harmonisieren. Ein erster Versuch dazu besteht in der Tat darin, dass die EU mit ihren Freihandelspartnern solche Abkommen für alle Mitgliedsländer abschließt.

Politisch bedeutet das im gegenwärtigen Klima ein erhebliches Risiko. Zwar dienen die Abkommen in erster Linie dem Schutz europäischer und speziell deutscher Unternehmen im Ausland. Da aber die breite Mehrheit der Bevölkerung solchen Abkommen kritisch gegenübersteht, wird es schwer, Mehrheiten für Freihandelsabkommen zu finden, die Investitionsschutzabkommen enthalten.

Wer darf über Freihandelsabkommen entscheiden? Auf diese Frage haben Richter des Europäischen Gerichtshofes die mit Spannung erwartete Antwort geben. Auf die Handelspolitik der EU könnten unruhige Zeiten zukommen.

Deshalb sollte die Europäische Kommission ihre Haltung in dieser Frage grundsätzlich ändern. Investitionsschutz ist ein aktuelles, weltumspannendes Thema, das vielen Menschen Angst macht. Wenn es gelingt, dieses Thema von bilateralen Verträgen und privaten Anwälten als Ad-hoc-Richtern zu einer etablierten Organisation wie etwa der Welthandelsorganisation (WTO) zu verschieben, dürften auch die Skeptiker zu beruhigen sein. Wenigstens dann, wenn es ihnen – anders als der Kampagnenorganisation Campact, die selber zugegeben hat, kein inhaltliches Interesse am Thema TTIP zu haben (ab Minute 22,22) – um die Sache geht. Ein multilaterales Abkommen senkt darüber hinaus die Transaktionslosten und mach Investitionen in Schwellen- und Entwicklungsländern gerade für den Mittelstand interessant.

Der positive Nebeneffekt wäre, dass die Kommission sich in Verhandlungen zu Freihandelsabkommen auf die Handelspolitik, also auf ihr Mandat, konzentrieren könnte. Sie wäre nicht länger von der Zustimmung nationaler oder gar regionaler Parlamente abhängig, die fehlgeleitet von geschickt geführten postfaktischen Kampagnen gegen die Abkommen entscheiden – und damit für Millionen Verbraucher und Arbeitnehmer Schaden anrichten.

Es lohnt sich also an dieser Stelle für die Europäische Kommission, aktiv zu werden und die Verhandlungen für eine multilaterale Investitionsschutzordnung aufzunehmen. Auch in vielen Entwicklungsländern wird man eine solche Initiative begrüßen. Denn in einem multilateralen Abkommen werden alle Länder gleich behandelt. 

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