Die Meldung drohte beinahe unterzugehen unter dem enormen Wirbel um die erste Rede des amerikanischen Präsidenten vor dem Kongress und den Auftritt des Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten am politischen Aschermittwoch: Die Inflationsrate in der gesamten Eurozone steht bei 2 Prozent; für Spanien wurden im Februar sogar 3 Prozent gemessen, in Deutschland waren es 2,2 Prozent, in Frankreich hingegen sind es nur 1,4 Prozent.
Die Europäische Zentralbank hat ihre expansive Geldpolitik und ihr Ankaufsprogramm für Staatsanleihen ja unter anderem immer damit begründet, dass ihr Inflationsziel bei knapp unter 2 Prozent liege und dass die Inflationsraten der letzten Jahre so niedrig waren. Ja, sogar Deflation sei zu befürchten si. Nun ist das Ziel sogar noch „übertroffen“, wenigstens aus Sicht einer Zentralbank, die vorher eine Inflationsrate von unter einem Prozent erzeugt hat. Jedenfalls steht fest, dass eine dauerhafte Inflationsrate von 2 Prozent oder mehr weder mit den langfristigen Zielen der europäischen Bürger noch mit der Zielvorstellung der EZB vereinbar ist.
Wenn es der EZB allein um die Preisniveaustabilität ginge (wir unterstellen, dass die Inflationsrate weiterhin eine Zielgröße ist), würde sie in den kommenden Wochen sehr besonnen und mit einer klaren Ankündigung die expansive Geldpolitik beenden. Das heißt konkret, sie würde schon in Kürze das Ankaufsprogramm für Staatsanleihen beenden und in den kommenden Monaten und den Leitzins in kleinen Schritten anheben.
Allerdings gibt es bereits Anzeichen, dass dies nicht geschehen wird. Zum einen weisen Beobachter auf den Unterschied der aktuellen Inflationsrate zur Kerninflation hin. Letztere ist die um besonders volatile Güter und Dienste bereinigte Preisniveauveränderung. Insbesondere Mineralölprodukte und Lebensmittel fallen darunter. Beide Gruppen sind als Treiber der gegenwärtigen Preisrunde identifiziert worden; die Kerninflation liegt demnach bei knapp unter einem Prozent. Das Argument der Kerninflation ist ökonomisch nicht sehr stichhaltig, legt es doch nahe, dass einige Preise systematisch um einen stabilen Mittelwert schwanken und deshalb nicht in die Berechnung der Inflationsrate einbezogen werden müssten. Dies ist aber nicht richtig, denn die Preise für Rohöl und – mehr noch – für Lebensmittel folgen durchaus einem Trend. Außerdem müssen die Preise für diese wichtigen und im Budget der Menschen durchaus zu Buche schlagenden Güter gezahlt werden, so dass es berechtigt ist, sie auch in die Berechnung der Inflation einzubeziehen.
Ob diese Argumente gegen die Verwendung der Kerninflation die EZB beeindrucken, ist zweifelhaft. Zwar hat die EZB das Argument der Kerninflation – durchaus richtiger Weise – nicht verwendet, als es um die Bekämpfung der zu niedrigen Inflation ging. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass sie es nun heranziehen wird, zumal der Lebensmittelpreisanstieg vor allem in einem kalten Winter in den Obst- und Gemüseanbaugebieten im Süden Europas zugeschrieben wird. Da fällt es dann leicht, von Sondereffekten zu reden.