Es ist doch recht unwahrscheinlich, dass die EZB auch so handeln würde. Wahrscheinlicher ist vielmehr, dass die EZB weitere Begründungen finden würde, von ihrer expansiven Politik nicht abweichen zu müssen.
Ein Argument könnte sein, der durch den Energiepreisanstieg ausgelöste Inflationsschub sei zu klein. Diesem Argument kann man insofern etwas abgewinnen, als dass es konsistent in die bisherige Argumentation passt und somit keinen Bruch darstellt.
Ein zweites Argument könnte darauf hinauslaufen, die positive Entwicklung der Verbraucherpreise weiterhin aufmerksam zu beobachten, also erst einmal abzuwarten. Auch dieses Argument ist schlüssig im Kontext der bisherigen Politik.
Richtig ist auch, dass die Investitionen noch nicht angezogen haben, was die Aufgabe der expansiven Geldpolitik unmöglich machen könnt. Dazu müsste es allerdings tatsächlich möglich sein, mit Nullzinspolitik Investitionen zu stimulieren, was stark bezweifelt werden darf.
Damit kommen wir zum eigentlichen Problem. Der Anstieg der Ölpreise wird es den Haushaltspolitikern nicht leichter machen, Einnahmen zu steigern und Ausgaben zu senken. Vor diesem Hintergrund wäre die aktuelle Geldpolitik nötiger denn je, sollte es wirklich zum Anstieg des Rohölpreises kommen.
In diesem Zusammenhang könnte es sogar sein, dass die EZB ihre bisherige Argumentation der Deflation einfach ignoriert und stattdessen die Gefahren des gestiegenen Ölpreises für die Konjunktur in den Mittelpunkt der Argumentationskette rückt. Dann wäre es der EZB-Logik zufolge eher angebracht, die Geldpolitik noch weiter zu lockern.
Es wäre allerdings einigermaßen zynisch, wenn nach dem sinkenden Ölpreis nun der steigende Ölpreis Anlass für weitere Zinssenkungen bzw. Geldmengensteigerungen wäre. Wenn es dazu käme, sollte die Bank einfach die Kommunikation einstellen, denn spätestens dann hätte die EZB wohl jedwede Reputation verspielt. Ob es ihr noch etwas ausmacht, ist eine andere Frage.