Gazprom EU geht auf Konfrontationskurs mit Moskau

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Ein herber Schlag für den russischen Energieriesen

Konkret wirft die Wettbewerbskommissarin Gazprom vor, seine dominante Stellung im europäischen Gasmarkt auszunutzen. Ihre Beamte haben festgesellt, dass Gazprom in acht Mitgliedsstaaten (Bulgarien, der Tschechischen Republik, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen und der Slowakei) den Kunden territoriale Beschränkungen aufzwingt, so dass geliefertes Gas nicht ausgeführt werden darf. Außerdem hat die EU-Kommission Beweise, dass Gazprom in Bulgarien, Estland, Lettland und Polen eine unlautere Preispolitik betreibe. Teilweise sei das Problem, dass diese sehr hohen Preise an den Ölpreis gekoppelt seien. Gazprom ist der marktbeherrschende Erdgaslieferant in allen mittel- und osteuropäischen Ländern. In den meisten dieser Länder liegt der Marktanteil nach Angaben der EU-Kommission bei weit über 50 Prozent.

Die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas und Öl

Gazprom hat nun zwölf Wochen Zeit, um auf die Vorwürfe zu reagieren. Theoretisch ist ein Vergleich immer noch möglich, aber durch die Verschärfung des Verfahrens eher unwahrscheinlich. Sollte die EU-Kommission zu dem Ergebnis kommen, dass ein Verstoß gegen Wettbewerbsrecht vorliegt, kann sie eine Strafe von zehn Prozent des Umsatzes erlassen. Das wäre ein herber Schlag für den russischen Energieriesen, dessen Gewinn im vergangenen Jahr vor allem wegen des niedrigen Rubelkurses und der günstigen Rohstoffpreise um 70 Prozent eingebrochen war.

Im Februar hatte die EU-Kommission das Projekt Energie-Union vorgelegt, mit dem die 28 Mitgliedstaaten unabhängiger von Energieimporten werden sollen. Obwohl nicht explizit erwähnt, zielt dies auf Russland ab. Führende Energieexperten wie der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Friedbert Pflüger bremsen aber die Erwartungen, dass sich die Europäer in nennenswertem Umfang von Gasimporten aus Russland abkoppeln können. „Es wird bei einer gegenseitigen Abhängigkeit bleiben“, so Pflüger.

Allerdings bemüht sich Moskau seinerseits, die Abhängigkeit von Rohstoff-Exporten in die Europäische Union zu reduzieren: Gazprom hat mit China Verträge über Gaslieferungen abgeschlossen, die zwar vorerst wenig lukrativ, aber sehr umfangreich sind. Allerdings müssen für geschätzte 55 Milliarden Euro zunächst Pipelines durch Sibirien gebaut und neue Gasfelder erschlossen werden. Letztere werden technisch nicht mit den für Europa bestimmten Vorkommen verbunden sein. Somit tun sich beide Seiten schwer mit ihren krampfhaften Versuchen, sich strategisch unabhängiger vom jeweiligen „Partner“ zu machen.

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