Geldpolitik der EZB Der Euro auf Talfahrt

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Die ganz große Geldschwemme

In den nächsten Jahren könnte der Euro-Zone Ähnliches bevorstehen. „Ebenso wie damals die Banca d’Italia wird die EZB faktisch von den Finanzministern dominiert, Europa ist auf dem Weg in die italienische Währungsunion“, fürchtet Commerzbank-Chefökonom Krämer. Daher sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Frankfurter Währungshüter ebenso wie die italienische Zentralbank damals in großem Stil Staatsanleihen kaufe. Die jüngsten Beschlüsse der EZB, mit Krediten besicherte Wertpapiere (ABS) und Pfandbriefe zu erwerben, sei nur die „Ouvertüre“ für die ganz große Geldschwemme.

Auslöser könnte ausgerechnet die US-Notenbank Fed sein. Erhöht sie wie erwartet ihre Leitzinsen Mitte nächsten Jahres, fließen Anlegergelder von Europa nach Amerika. „Die EZB wird versuchen, den Euro-Raum gegen den Zinsanstieg aus Amerika durch den Ankauf von Staatsanleihen abzuschirmen“, prognostiziert Krämer. Die Zinsunterschiede zwischen den USA und Europa nehmen dann zu – und die nächste Abwertungswelle erfasst den Euro.

Noch gesteht die EZB nicht offen ein, dass sie den Euro zur Weichwährung machen will. So begründete EZB-Chef Draghi die avisierten ABS-Käufe und die im Juni beschlossenen Geldleihgeschäfte mit dem Ziel, die Kreditvergabe in den Krisenländern wieder in Gang zu bringen. Indem die Banken ABS an die EZB verkaufen, erhalten sie von der Zentralbank frisches Geld, das sie verwenden können, um neue Kredite zu refinanzieren.

Stimmen aus dem Ausland zur EZB-Politik

Schlechte Absatzaussichten und hohe Arbeitslosigkeit

Zudem setzt der ABS-Verkauf Eigenkapital der Banken frei. Damit könnten die Banken neue Kredite unterlegen. Das nutzt jedoch nichts, weil die Kreditnachfrage in den Krisenländern am Boden liegt. Unternehmen und Bürger ächzen dort noch immer unter hohen Altschulden, ihre Lust auf neue Kredite ist daher gering. Zudem dämpfen die schlechten Absatzaussichten und die hohe Arbeitslosigkeit den Wunsch nach neuen Schulden.

Der Hinweis der EZB auf die lahme Kreditvergabe dürfte daher in erster Linie ein Ablenkungsmanöver sein, um ihre Weichspül-Pläne für den Euro zu kaschieren. Verräterisch war die Bemerkung von EZB-Chef Draghi, er wolle die Bilanzsumme der Zentralbank, die seit geraumer Zeit schrumpft, wieder auf den Stand von Mitte 2012 erhöhen. Denn dazu müssen die Währungshüter rund 1000 Milliarden Euro an frischem Zentralbankgeld in das Bankensystem pumpen.

Weil die Kreditnachfrage stockt, werden die Banken einen Großteil des Geldes ins Ausland schleusen, wo ihnen höhere Zinsen und Renditen winken. So bieten zehnjährige US-Staatsanleihen derzeit eine Rendite von rund 2,5 Prozent, 1,5 Prozentpunkte mehr als Bundesanleihen mit gleicher Laufzeit. Anlagen in Schwellenländern verzinsen sich sogar im Schnitt mit 6,5 Prozent.

Die Folgen der EZB-Niedrigzinspolitik

Negativer Einlagenzins bedeutet Strafe für Banken, die ihr Geld bei der Notenbank parken

„Die jüngsten Lockerungsmaßnahmen der EZB zementieren die Position des Euro als Finanzierungswährung für Carry-Trades“, urteilt Valentin Marinov von der Citigroup in London. Die EZB sei die erste Zentralbank, die nicht nur Geld in die Märkte pumpe, sondern auch Banken durch einen negativen Einlagenzins dafür bestrafe, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. „Die Finanzinstitute werden geradezu gedrängt, ausländische Vermögenswerte zu kaufen“, sagt Marinov. Das erhöht das Angebot an Euro und drückt den Wechselkurs nach unten.

Ein schwacher Euro verbilligt zwar die Exporte, aber er verteuert auch die Importe. Der höhere Preisauftrieb im Inland steigert das nominale Wirtschaftswachstum. Liegt die Wachstumsrate des nominalen BIPs über dem Zins, zu dem sich die Regierung verschuldet, bremst dies den Anstieg der Schuldenquote, im günstigsten Fall sinkt diese sogar. Kein Wunder, dass vor allem Politiker aus den hoch verschuldeten Ländern der Euro-Zone nicht müde werden, niedrigere Zinsen und eine Abwertung des Euro zu fordern. Die Zentralbank wird zunehmend zum Lakai der Regierungen.

Die Kollateralschäden der Minizins- und Weichwährungsstrategie sind gigantisch. „Die Erfahrung zeigt, dass viele Regierungen sinkende Zinsen als Aufmunterung verstehen, noch mehr Schulden zu machen und Reformen auf die lange Bank zu schieben“, warnt Commerzbanker Krämer. Steigt der Schuldenberg, wächst der Druck auf die EZB, die Zinsen weiter zu senken und niedrig zu halten, damit der Finanzminister den Schuldendienst stemmen kann. Es entsteht eine Spirale aus steigenden Schulden und sinkenden Zinsen. Am Ende droht der Kollaps des gesamten Geldsystems.

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