Geldpolitik der EZB Der Euro auf Talfahrt

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Staatsanleihen und Festgelder in der Euro-Zone

Für die Sparer sind das denkbar schlechte Nachrichten – zumindest, wenn sie ihr Geld in vermeintlich sicheren Staatsanleihen und Festgeldern in der Euro-Zone geparkt haben, anstatt es mit Auslandsanlagen in Sicherheit zu bringen. Schon jetzt gleichen die Magerzinsen, die Staatspapiere und Festgelder abwerfen, kaum die Geldentwertung aus. Treibt der schwache Euro die Teuerung in die Höhe, wird die Geldanlage zur Geldvernichtung.

Dazu kommt: Je länger die Zinsen auf Guthaben hinter der Inflationsrate zurückbleiben, desto schwieriger wird es für die jüngeren Generationen, einen auskömmlichen Kapitalstock fürs Alter aufzubauen. „Ein 35-Jähriger, der eine monatliche Zusatzrente von 600 Euro ab dem 65. Lebensjahr anstrebt, muss bei zwei Prozent realer Verzinsung monatlich 242 Euro zur Seite legen; bei einem Realzins von minus einem Prozent sind es schon 513 Euro, mehr als das Doppelte“, hat Reiner Osbild, Professor an der Hochschule in Heidelberg, errechnet. Vielen Erwerbstätigen droht im Alter Armut.

Die negativen Folgen eines weichen Euro werden auch Touristen spüren, die ihren Urlaub außerhalb der Euro-Zone verbringen wollen. Sie müssen für das Bier am Thailand-Strand oder den Eintritt in den US-Nationalpark deutlich tiefer in die Taschen greifen. Seit Anfang Mai hat der Euro gegenüber allen wichtigen Währungen abgewertet. So könnte es den Bewohnern der Euro-Zone so ergehen wie den Italienern in den Siebzigerjahren. Damals haben sie auf Urlaube im Ausland nicht nur deshalb verzichtet, weil es an der heimischen Adria und Riviera so schön ist, sondern weil sie sich mit ihrer weichen Lira keinen Trip in andere Länder leisten konnten.

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Konjunktur in Fahrt bringen?

Politiker und Notenbanker setzen dennoch darauf, die Abwertung werde die Ausfuhren ankurbeln und die Konjunktur in Fahrt bringen. Tatsächlich spült ein schwacher Euro den Exporteuren zusätzliches Geld in die Kassen, etwa wenn sie ihre Erlöse im Dollar-Raum in Euro umtauschen. „Die Exporteure erhoffen sich vom sinkenden Euro durchaus Windfall-Profits durch erhöhte Wettbewerbsfähigkeit im Dollar-Raum, also im Wesentlichen USA und Nahost“, sagt Anton Börner, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen.

Doch allzu stark dürfte ein abwertungsbedingter Exportschub für Deutschland nicht ausfallen. Das zeigen Modellrechnungen der Commerzbank. Wertet der Euro gegenüber allen wichtigen Handelspartnerländern um 25 Prozent ab, steigert dies das Exportniveau unter sonst gleichen Umständen um gerade mal drei Prozent.

Der Grund dafür dürfte sein, dass die deutschen Unternehmen keine Billigheimer sind, die ihre Waren vornehmlich über den Preis losschlagen, sondern vielmehr durch hohe Qualität zu überzeugen wissen. Dies relativiert den Einfluss des Preises auf die Preisentscheidungen der Besteller deutscher Waren im Ausland. Etwas höher ist der Impuls der Abwertung dagegen für ein Land wie Spanien. Das Land könnte sein Exportniveau bei einer Abwertung des Euro um 25 Prozent um etwa sieben Prozent steigern.

Warnung vor dem süßen Gift der Abwertung

Die Kehrseite der Abwertungs-Medaille ist jedoch, dass die Exporteure mehr Geld für den Import von Vorprodukten aus Ländern außerhalb der Euro-Zone auf den Tisch legen müssten. Dieser Kostenschock träfe die deutschen Unternehmen besonders hart, da ihre Ausfuhren im Schnitt zu 40 Prozent aus importierten Vorleistungen bestehen. Reichen sie die höheren Kosten der Einfuhren über die Preise an ihre Kunden weiter, verpufft die durch die Abwertung gewonnene Wettbewerbsfähigkeit zum Teil wieder.

Thomas Mayer, Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Instituts, warnt daher vor dem süßen Gift einer Abwertung. „Kurzfristig bringt sie den Ländern Erleichterung, langfristig schmälert sie jedoch ihren Lebensstandard, denn sie verteuert die Importe, sediert die Anreize zur Kostenkontrolle in den Unternehmen und mindert den Reformdruck auf die Politik“, urteilt Mayer.

Für die Zukunft der Währungsunion ist er daher skeptisch. „Der Euro-Zone droht das gleiche Schicksal wie früheren Währungsunionen: Die wirtschaftlich schwachen Länder übernehmen das Ruder und zwingen die Gemeinschaft zu inflationieren. Es ist dann nur noch eine Frage der Zeit, bis die stabilitätsorientierten Länder aussteigen“, hofft Mayer.

Der unverhoffte Preisschub für die Pasta beim Italiener im Frankfurter Bankenviertel sollte EZB-Chef Draghi eine Warnung sein.

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