WirtschaftsWoche: Herr Dombret, die griechische Tragödie nimmt kein Ende. Hat das Land noch eine Chance?
Andreas Dombret: Die Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EU und Europäischer Zentralbank (EZB) muss beurteilen, ob die Reformen in Griechenland glaubwürdig sind und die Schuldentragfähigkeit erfüllt ist. Es ist ganz klar eine politische Entscheidung, ob die mit dem zweiten Programm zusätzlich übernommenen Risiken eingegangen werden. Ich persönlich habe den Eindruck, dass die Politik Griechenland sehr wohl helfen will, Griechenland sich aber in erster Linie selbst helfen muss.
Was heißt das konkret?
Nur wenn Griechenland die versprochenen und beschlossenen Reformen umsetzt, sollte es die Hilfen bekommen.
Der massive Sparkurs würgt aber das Wachstum ab.
Natürlich dämpft Haushaltskonsolidierung normalerweise die Konjunktur. Von einem „normalerweise“ können wir im Moment aber nicht sprechen. Vielmehr stellen Zweifel an der Tragfähigkeit von Staatshaushalten selbst eine beträchtliche Wachstumsbremse dar. Griechenland muss mit aller Kraft versuchen, bis 2020 die Verschuldung auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken. Das wird nicht einfach, doch Vertrauen an den Finanzmärkten gewinnt man nur so zurück.
Solange das Griechenland-Problem ungelöst ist, misstrauen die Märkte europäischen Banken. Die müssen außerdem ihr Kernkapital erhöhen. Könnte dies das Kreditangebot verknappen und die Krise verschärfen?
In Deutschland sehen wir keine Anzeichen dafür. Das ist eher ein Thema im Ausland. An sich ist der Abbau von Risiken in den Bankbilanzen nicht negativ, denn es hat bei der Kreditvergabe Übertreibungen gegeben. So werden die Banken widerstandsfähiger. Das honorieren die Märkte.
Die Macht des IWF
Die Märkte haben sich aber nur wegen der Intervention der EZB entspannt. Sie hat den Banken unbegrenzt Geld für drei Jahre zur Verfügung gestellt, mit dem sie Staatsanleihen kaufen können.
Die Renditen der Staatsanleihen sinken seit Ende November. Der Dreijahrestender wurde erst im Dezember vergeben. Insofern fällt es mir nicht so leicht wie Ihnen, diese Verbindung zu ziehen.
Der IWF spielt bei der Staatsschuldenkrise eine immer wichtigere Rolle. Wird diese Institution nicht zu mächtig in Europa?
Der IWF ist mächtig, aber die Macht ergibt sich aus seiner Rolle als vertrauenswürdiger Ratgeber der Politik, die er mit exzellenten, unvoreingenommenen Analysen unterstützt. Da hat er ein klares und wichtiges Mandat, das nicht überdehnt werden sollte. Der IWF ist kein Schiedsrichter in der Weltwirtschaft, keine Weltzentralbank und auch kein Kreditgeber letzter Instanz. Kreditgeber letzter Instanz sind und bleiben die Notenbanken.
Hat IWF-Chefin Christine Lagarde ihr Mandat mit den düsteren Aussagen zum Kapitalbedarf europäischer Banken und zur Schuldenkrise überschritten?
Der IWF neigt bisweilen zu recht pessimistischen Einschätzungen, das ist aber kein Grund für Verstimmungen.
Langfristig sollen die Kapitalregeln nach Basel III für Stabilität sorgen. Werden die weltweit umgesetzt, auch in den USA?
Für mehr Finanzstabilität müssen alle Länder das Regelwerk einführen. Die bisher vorliegenden Entwürfe aus den USA enthalten dazu erste Elemente. In Europa sind wir schon weiter. Ich gehe aber davon aus, dass sich weder die USA noch andere Mitgliedsländer den Beschlüssen der G20 entziehen. Nicht zuletzt waren Unterschiede in der Regulierung eine wesentliche Ursache dieser Finanzkrise. Man wird sich deshalb in der G20 einigen, wie wir uns schon bei anderen Themen geeinigt haben. Die Sonderregeln für sogenannte systemrelevante Banken sind dafür ein gutes Beispiel.
Kritiker sehen darin eine Kapitulation der Aufsicht. Große Banken können weiter darauf vertrauen, vom Steuerzahler gerettet zu werden – weil deren Abwicklung zu große Probleme machen würde.
Es wurde zunächst eine Liste von 29 global tätigen Instituten erstellt, die künftig noch mehr Kapital brauchen, als es die Basel-Regeln ohnehin vorsehen. Das kann aber nur der erste Schritt sein. Den Verantwortlichen ist bewusst, dass der Erfolg aller Regulierung davon abhängt, wie glaubhaft die Drohung ist, dass Banken tatsächlich abgewickelt werden können. Für die als weltweit systemrelevant eingestuften Banken müssen dafür einheitliche Regeln gelten.
Deutsche Banken sind stabil
In Deutschland ist das nationale Gesetz bereits gescheitert. Statt es anzuwenden, hat die Regierung lieber den Rettungsfonds Soffin reaktiviert.
Einspruch: Das Restrukturierungsgesetz ist alles andere als gescheitert. Und der Soffin ist eine Sicherheit für vorübergehende Engpässe. Seine Wiedereinführung heißt nicht, dass die nächste Bankenkrise bevorsteht.
Eine der Lehren der Krise war auch, dass die Regulierung zu lasch ist.
Die wichtigste Erkenntnis war, dass das systemische Risiko größer ist als die Summe der Einzelrisiken. Um das umfassend in den Griff zu bekommen, brauchen wir eine sogenannte makroprudenzielle Überwachung, auch in Deutschland. Die Bundesbank würde es begrüßen, wenn sie die hierfür erforderlichen Kompetenzen erhielte. Noch in diesem Jahr wird eine Gesetzesvorlage des Finanzministeriums erwartet.
Wie stabil sind die deutschen Banken?
Das deutsche Bankensystem ist im Vergleich zu 2008 deutlich stabiler. Die Institute haben von der guten Konjunktur profitiert, die Risiken in ihren Bilanzen reduziert, ihr Kapital erhöht – und dessen Qualität verbessert.
Anders die Deutsche Bundesbank. Ihre Risiken aus dem Zahlungssystem Target 2 steigen stetig. Sie belasten die Bilanz mit fast einer halben Billion Euro. Ist die Bundesbank demnächst pleite?
Nein. Die hohen Forderungen der Bundesbank zeigen aber, dass die Finanzkrise noch nicht überwunden ist. Über das europäische Zahlungssystem ist in den vergangenen Jahren viel mehr Geld an deutsche Banken geflossen als in die umgekehrte Richtung. In der Folge haben sich die hohen Salden ergeben.
Was tun Sie, um dieses Problem zu lösen?
Die Targetsalden sind nicht die Ursache des Problems, sondern ein Symptom der Risiken, die die Geldpolitik im Rahmen der Krisenbekämpfung auf sich genommen hat. Sie sind Spiegel der Schwierigkeiten der Bankensektoren einiger Euro-Länder sowie der Verwerfungen am Interbankenmarkt. Da die Banken in den europäischen Peripherieländern nur noch schwer Zugang zum Geldmarkt finden, sind sie auf die Liquiditätsversorgung der Notenbanken angewiesen. Die damit verbundenen Risiken in unserer Bilanz werden sich dann wieder abbauen, wenn das Vertrauen der Banken untereinander wieder hergestellt ist.