Die Open Society Foundation des US-Investors George Soros spricht in einer aktuellen Studie über den griechischen Mediensektor von einem „durchdringenden Klientelismus“: „Er verbindet die Besitzer, die in Schlüsselbranchen der Wirtschaft tätig sind und an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen, mit der politischen Elite.“ Die Krise und die Sparpolitik seit 2010 haben die Verbindungen sogar noch gestärkt, so die Studie. Acht Privatsender vereinen mehr als 90 Prozent des Marktanteils. Kontrolliert werden sie allesamt von bekannten Unternehmern.
Eine dieser einflussreichen Unternehmerfamilien ist besagter Bobolas-Clan, der mit den Steuerproblemen. Das Familienoberhaupt, Giorgos Bobolas, hält Beteiligungen am größten Sender des Landes, dem Kanal Mega. Sein Sohn Fotios ist Direktor von Teletypos, der Holding von Mega Channel. Der andere Sohn, Leonidas Bobolas, sitzt im Vorstand des Baukonzerns Ellaktor. Tatsächlich wurde das Unternehmen schon mit Korruptionsvorwürfen in Verbindung gebracht.
2011 untersuchte die griechische Generalinspektion für die öffentliche Verwaltung (GEDD) ein Schienenbauprojekt zwischen Athen und Thessaloniki, für das eine Tochterfirma von Ellaktor einen staatlichen Auftrag ergattert hatte. Die Behörde stellte massive Unregelmäßigkeiten bei dem Tunnelprojekt fest und übergab ihren Prüfbericht der Staatsanwaltschaft. Seitdem wurde es leise um die Ermittlungen. „Wir haben große Schwierigkeiten mit unserer Justiz“, heißt es von der GEDD, „Prozesse werden oft über mehrere Jahre verschleppt.“
Georgos Bobolas bestreitet, jemals mithilfe seiner Medien seine Baugeschäfte angekurbelt zu haben. Beobachtern fiel aber auf, dass auf Mega nie ein kritisches Wort zur überdimensionierten Infrastruktur für die Olympischen Spiele 2004 fiel. Immerhin hatte Bobolas’ Ellaktor daran kräftig mitgebaut und -verdient.
Doch es ist nicht nur der Bobolas-Clan, der am Kuchen des größten TV-Senders nascht. Die Beteiligungen am Sender Mega offenbaren die Strippenzieher der griechischen Gesellschaft. Anteilseigner ist etwa auch der Unternehmer Stavros Psycharis. Neben Anteilen an dem TV-Kanal kontrolliert er auch die Tageszeitung „Ta Nea“. In der Vergangenheit hat Psycharis Staatsaufträge im Bereich Bildung und Kultur erhalten. Vardis Vardinoyannis, ein weiterer Mega-Investor, kontrolliert zwei Ölgesellschaften und hält wiederum einen bedeutenden Anteil an der Piräus-Bank, einer der führenden des Landes.
Auf eine rasche Entflechtung dieser Machtsphären ist kaum zu hoffen. „Die Besitzer der Medien stellen ein Machtzentrum dar, das kein Politiker wagt in Zweifel zu stellen, außer er will politischen Selbstmord begehen“, sagt der Ökonom George Pagoulatos.
Was passiert, wenn Politiker den Medienfürsten zu nahe treten, hat Mega immer wieder demonstriert, indem es seine Berichterstattung gegenüber Premierministern radikal änderte. Zu spüren bekam das etwa der frühere Ministerpräsident Giorgos Papandreou, gegen den Mega nach anfänglicher Zustimmung persönliche Attacken lancierte. Papandreou hatte aufgehört, auf jene Banken einzuwirken, die Mega mit Krediten versorgten. Ähnlich erging es dem früheren Premier Antonis Samaras. Als er Neuwahlen in Aussicht stellte, machte ihn der populäre TV-Sender vom Sympathieträger zur Persona non grata. Offenbar fürchteten die Anteilseigner um öffentliche Aufträge.
Der Heidelberger Historiker Heinz A. Richter benutzt ein Wort aus dem Griechischen, um die Lage in Hellas zu veranschaulichen: „klientelistische Kleptokratie“. Der Begriff bezeichnet eine Herrschaft der Diebe.