Griechenland-Krise Die Zeit ist reif für den Grexit

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Die EZB wird zum entscheidenden Akteur

Sollte sich Griechenland weigern oder die Eurogruppe diese Entscheidung vor sich hinschieben, wird die Europäische Zentralbank handeln müssen. In Teilen schon am Montag, spätestens in zwei Wochen. Am 20. Juli muss Griechenland Kredite über 3,5 Milliarden Euro an die Notenbank zurückzahlen. Schon für fällige IWF-Kredite über 1,6 Milliarden Euro in der vergangenen Woche hatte Athen kein Geld.

"Die Griechen brauchen jetzt Hilfe"
Sigmar Gabriel Quelle: dpa
Angela MerkelBundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht nach der klaren Absage der Griechen an ein Reform- und Sparprogramm vorerst keine Basis für Verhandlungen über ein neues Rettungspaket für Athen. „Angesichts der gestrigen Entscheidung der griechischen Bürger gibt es zurzeit nicht die Voraussetzungen, um in Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm einzutreten“, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Das Ergebnis der Volksabstimmung sei eine Absage an den Grundsatz für europäische Hilfen, nach der Solidarität und Eigenanstrengungen untrennbar verbunden seien. Die Bundesregierung bekenne sich weiter zu diesem Grundsatz. Man bleibe aber natürlich gesprächsbereit: „Die Tür für Gespräche bleibt immer offen.“ Quelle: REUTERS
Estlands Regierungschef Taavi Rõivas Quelle: dpa
Europäer wollen Steuerschlupflöcher für Unternehmen schließen Quelle: AP
Der Präsident des Ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner SinnHans-Werner Sinn empfiehlt Griechenland zur Rückkehr zu einer eigenen Währung: "Die Drachme sollte sofort als virtuelle Währung eingeführt werden", erklärte er. Euro-Banknoten sollten bis auf Weiteres für Barzahlungen genutzt werden. Sinn erwartet von dieser Maßnahme einen baldigen "kräftigen Wirtschaftsaufschwung" für Griechenland, da die neue Drachme rasch abwerten würde. In der Zwischenzeit sollte Griechenland "großzügige" humanitäre Hilfen erhalten, forderte er am Montag. Zudem solle Athen die Möglichkeit erhalten, nach einer Gesundung gestärkt in den Euro zurückzukehren. Quelle: dpa
Nicolás MaduroVenezuelas Präsident hat das Ergebnis des griechischen Referendums begrüßt. „Das Volk Griechenlands hat gesprochen und die europäischen Behörden müssen das griechische Volk respektieren. Es ist ein großer Sieg über den Finanz-Terrorismus des IWF. Genug der kapitalistischen Ausbeutung.“ Griechenland habe mit dem von Ministerpräsident Alexis Tsipras einberufenen Referendum einen „historischen Schritt gemacht“. Aus Sicht Venezuelas habe sich der Kampf gelohnt, sagte Maduro am Sonntag bei einer Militärparade zum venezolanischen Unabhängigkeitstag. „Glückwünsche an das griechische Volk, das dem IWF und den Blutsaugern der Weltbank „Nein“ gesagt hat.“ Quelle: dpa
Katrin Göring-EckardtGöring-Eckardt will nach dem griechischen Referendum neue Verhandlungen und eine Stabilisierung Griechenlands. Zum Ausgang des Referendums sagte sie am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“: „Es ist nicht als Nein für Europa gemeint und nicht als Nein für den Euro. Das ist ein Auftrag für beide Seiten, jetzt wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren“. Zunächst müsse jetzt der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras einen Vorschlag machen, dann müsse es darum gehen, das Land zu stabilisieren. Sie könne sich beispielsweise eine Umschuldung vorstellen, „damit erst einmal ein paar Jahre Ruhe ist in Griechenland“. Ein Schuldenschnitt sei vonseiten der Gläubiger ohnehin nicht durchzusetzen. Quelle: dpa

Während der Internationale Währungsfond nun erst einmal eine Zahlungserinnerung verschickte, darf die EZB laut dem EU-Vertrag keinen Aufschub gewähren. Ein Zahlungsausfall müsste konsequenterweise als Insolvenz des Landes gewertet werden. Die Folge: Die EZB müsste sofort die Nothilfen für die maroden griechischen Banken stoppen, die die Zentralbank des Landes ihnen zugesichert hat (Ela-Kredite). Die griechischen Banken, die schon aus den letzten Löchern pfeifen, müssten auf einen Schlag fast 90 Milliarden Euro zurückzahlen. Unvorstellbar. Sie würde in die Pleite rutschen – und Griechenland endgültig ins Chaos.

Am Montagmorgen will sich das Direktorium der EZB treffen und über eine Anfrage Griechenlands zur Erhöhung der Notkredite um sechs Milliarden Euro beraten. Stimmen die Notenbanker dem Antrag zu, könnten die Banken ab Dienstag wieder öffnen – zumindest bis zum 20. Juli. Senken die EZB-Herren den Daumen, könnte alles ganz schnell gehen.

An Griechenland hängt mehr als nur der Euro

Was feiern die Griechen also? Ihre zurückgewonnene Selbstachtung? Den "Sieg der Demokratie", wie Tsipras behauptete? Oder die Ablehnung eines „deutschen Europas“? Was es auch sein mag: Nach der Party vom Sonntag wird der Kater vom Montag folgen. Für Griechenland wird es nicht leichter. Im Gegenteil. Kommt der Grexit, "wird die griechische Wirtschaft "in eine noch tiefere Depression abgleiten", prognostiziert DIW-Chef Marcel Fratzscher. Die Arbeitslosigkeit werde weiter steigen, soziale Verwerfungen würden sich verstärken. Ein Grund: Die Importe – Gas, Medikamente, Benzin – werden sich drastisch verteuern. Die Europäische Union, nicht mehr nur die Eurogruppe, wird aufgerufen sein, das Leid so gut es geht zu lindern. Griechenland wird humanitäre Hilfe brauchen.

Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande wollen bereits am Montag in Paris über die Konsequenzen des griechischen Referendums beraten, am Dienstagabend kommen die 19 Staats- und Regierungschefs der Eurozone zu einem Gipfeltreffen zusammen.

Das sagen Analysten zur Lage Griechenlands

Apropos Euro-Zone: Die Währungsunion wird nach dem "Nein" der Griechen gegen die Zweifel der Investoren auf den Finanzmärkten kämpfen müssen. Doch die Euro-Retter sind vorbereitet, die EZB kann sich mit unbegrenzten Mitteln gegen mögliche Domino-Effekte stemmen. Das OMT-Urteil des Europäischen Gerichtshof – dieser erlaubte den gezielten Aufkauf von Staatsanleihen von Krisenländern – kam vor zwei Wochen gerade recht. Langfristig könnte die Euro-Zone vom Griechen-Aus profitieren, indem sie die Botschaft verkauft: Wir wollen solide sein. Wir halten Regeln ein.

Der Euro wird den Grexit verkraften, die europäischen Volkswirtschaften sowieso. Sich darüber in diesen Stunden zu freuen, verbietet der Respekt vor den Griechen, trotz der skurrilen Feierlichkeiten auf dem Syntagma-Platz. Denn auf Griechenland kommen schwere Stunden zu.

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