Ja, Griechenland muss sparen. Es muss Druck von den Sozialkassen nehmen, die Frühverrentung stoppen und die Verwaltung straffen. Doch vor allem muss Griechenland wachsen. Schien die Wirtschaft 2014 nach sechs Jahren Dauer-Krise wieder nach oben zu drehen, ist dieser Trend längst gebrochen. Im ersten Quartal 2015 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um 0,2 Prozent. Für das Gesamtjahr erwartet die EU-Kommission nur noch ein Wachstum von 0,5 Prozent - statt ehemals 2,5 Prozent. Zu wenig, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und das Land aus Tristesse und Armut zu befreien.
Wie höhere Steuern im Tourismusbereich, dem einzigen erfolgreichen Sektor der griechischen Wirtschaft, für mehr Wachstum sorgen soll, bleibt ein griechisches Geheimnis. Schon heute leidet Griechenland ja unter fehlender Wettbewerbsfähigkeit, ist etwa der Nachbar Türkei günstiger und das bei mindestens gleich guter Leistung und ähnlich gutem Service. Eine Verteuerung hier dürfte eher zu weniger Gästen und weniger Einnahmen führen.
Ein zweiter wichtiger Punkt: Griechenland muss um Investoren von innen und außen werben. Das Land braucht dringend Geld - nicht nur für den Schuldendienst, sondern vor allem für die Erneuerung der Wirtschaft. "Nicht die Schulden sind das größte Problem der Griechen, sondern das fehlende Wachstum und fehlende Investitionen", unterstreicht der frühere griechische Finanzminister Nicos Christodoulakis im Gespräch mit WirtschaftsWoche Online. Weder von privater noch von institutioneller Seite fließt noch nennenswert Geld in die griechische Wirtschaft. Unternehmer sind zurückhaltend aufgrund fehlender Rechtssicherheit, Kapitalgeber abgeschreckt von Bürokratie und Auflagen. Korruption und Angst vor dem Euro-Aus Griechenlands sind die Tropfen, die das Fass zum Überlaufen bringen. Hier muss die Tsipras-Regierung gegensteuern, doch es fehlt an Ideen und Konzepten.
Neben Investoren und ausländischen Firmen haben auch die klügsten griechischen Köpfe längst einen Bogen um das Krisenland gemacht. So zeigt Michalis Haliassos, Ökonomie-Professor an der Goethe-Universität Frankfurt, in einem Beitrag für das Weltwirtschaftsforum auf, dass der Anteil der Griechen an den renommiertesten Wissenschaftslern der Welt überproportional zur Größe des Landes ist - und dass 85 Prozent von ihnen im Ausland leben und arbeiten. Griechenland müsse in Forschung und Entwicklung investieren, das Potenzial sei da, schlussfolgert Haliassos.
Von Grexit bis Graccident - die wichtigsten Begriffe zur Schuldenkrise
Der Kunstbegriff wurde aus den englischen Worten für „Griechenland“ (Greece) und „Ausstieg“ (Exit) gebildet - gemeint ist ein Ausstieg oder Rauswurf Griechenlands aus der Eurozone. So etwas ist in den EU-Verträgen allerdings gar nicht vorgesehen. Die Idee: Würde Griechenland statt des „harten“ Euro wieder eine „weiche“ Drachme einführen, könnte die griechische Wirtschaft mit einer billigen eigenen Währung ihre Produkte viel günstiger anbieten.
Neuerdings wird auch vor einem unbeabsichtigten Euro-Aus der Griechen gewarnt. Das Kunstwort dafür besteht aus Greece und dem englischen Wort für „Unfall“ (Accident) - wobei das Wort im Englischen auch für „Zufall“ stehen kann. Gemeint ist ein eher versehentliches Schlittern in den Euro-Ausstieg, den eigentlich niemand will - der aber unvermeidbar ist, weil Athen das Geld ausgeht. Mittlerweile taucht die Wortschöpfung auch als „Grexident“ auf.
Staaten brauchen Geld. Weil Steuereinnahmen meist nicht ausreichen, leihen sie sich zusätzlich etwas. Das geschieht am Kapitalmarkt, wo Staaten sogenannte Anleihen an Investoren verkaufen. Eine Anleihe ist also eine Art Schuldschein. Darauf steht, wann der Staat das Geld zurückzahlt und wie viel Zinsen er zahlen muss.
Im Grunde handelt es sich ebenfalls um Anleihen - allerdings mit deutlich kürzerer Laufzeit. Während Anleihen für Zeiträume von fünf oder zehn oder noch mehr Jahren ausgegeben werden, geht es bei T-Bills um kurzfristige Finanzierungen. Die Laufzeit solcher Papiere beträgt in der Regel nur einige Monate.
Manchmal hat ein Staat so viel Schulden, dass er sie nicht zurückzahlen kann und auch das Geld für Zinszahlungen fehlt. Dann versucht er zu erreichen, dass seine Gläubiger auf einen Teil ihres Geldes verzichten. Das nennt man Schuldenschnitt. Dieser schafft finanzielle Spielräume. Allerdings wächst auch das Misstrauen, dem Staat künftig noch einmal Geld zu leihen.
Seit 2010 hatten immer mehr Staaten wegen hoher Schulden das Vertrauen bei Geldgebern verloren. Für sie spannten die Europartner einen Rettungsschirm auf. Er hieß zuerst EFSF, wurde später vom ESM abgelöst. Faktisch handelt es sich um einen Fonds, aus dem klamme Staaten Kredithilfen zu geringen Zinsen bekommen können.
In der Euro-Schuldenkrise wurde der Begriff für das Trio aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission gebraucht. Sie kontrollieren die verlangten Reformfortschritte. Im Euro-Krisenland Griechenland ist die Troika deswegen zum Feindbild geworden. In seinem Schreiben an die Eurogruppe spricht Athen nun von „Institutionen“. Auch die Europartner wollen das Wort „Troika“ nicht mehr verwenden. In offiziellen Dokumenten war ohnehin nie die Rede von der „Troika“.
Ist Griechenland noch zu retten? Nur, wenn in dieser Woche in Europa nicht wieder nach einem faulen Kompromiss gesucht wird, sondern nach einer perspektivischen Lösung. Wenn sparen und investieren "zwei Seiten einer Medaille" (O-Ton Merkel) werden - und Griechenland endlich seine Hausaufgaben macht und die Bedingungen für Unternehmer, Wissenschaftler und Kapitalgeber drastisch verbessert.
Konkrete Vorschläge oder Versprechungen zu diesem Thema blieben in Brüssel Mangelware. Tsipras mahnte lediglich: „Es ist Zeit für eine wirkliche und tragfähige Lösung, die Griechenland die Rückkehr zum Wachstum erlauben würde, innerhalb der Eurozone, mit sozialer Gerechtigkeit.“ Auf Griechisch fügte er hinzu, seine Regierung wolle nötige strukturelle Reformen durchsetzen sowie Steuerhinterziehung und Korruption bekämpfen. Es gelte aber, soziale Härten abzuwenden. Nach einem klaren wirtschaftspolitischen Kurs hört sich das nicht an. Doch nur so kann Griechenland dauerhaft Mitglied im Euro-Raum bleiben.
(Mit Material von dpa)