Griechenland will als ersten Teil eines neuen Hilfspakets einem Zeitungsbericht zufolge rund 24 Milliarden Euro bekommen. Die Tranche solle zur Rekapitalisierung von Banken, zur Rückzahlung eines Überbrückungskredits und zur Tilgung griechischer Anleihen bei der Europäischen Zentralbank genutzt werden, berichtete am Sonntag die Zeitung "Avgi", die der regierenden Syriza-Partei nahesteht.
Derzeit verhandelt die Regierung mit den Geldgebern über ein drittes Hilfspaket im Volumen von rund 86 Milliarden Euro. Dem Bericht zufolge sollen von angestrebten 24,36 Milliarden Euro zehn Milliarden an die Banken gehen, 7,16 Milliarden zur Tilgung des Überbrückungskredits verwendet werden und 3,2 Milliarden an die EZB gehen, die griechische Staatsanleihen gekauft hat.
Das sagen Analysten zur Lage Griechenlands
"Letztendlich entscheidet das Referendum am Sonntag darüber, ob Griechenland in der Währungsunion bleibt. Wenn sich die Griechen dafür aussprechen, kann die Staatengemeinschaft ein solch demokratisches Votum nicht übergehen. Dann werden die Verhandlungen wieder aufgenommen. Bei einem negativen Votum kommt es dagegen zum Grexit. (...) Bis dahin tobt ein Nervenkrieg. Die Kapitalverkehrskontrollen reichen zunächst erst einmal aus, um das Schlimmste zu verhindern. Aber die Kontrollen behindern die Wirtschaft, ebenso wie die von der Syriza geschaffene Unsicherheit. Das ist wirtschaftlich ein verlorenes Jahr für Griechenland. Für Deutschland spielt das keine Rolle. Nicht einmal ein Prozent der deutschen Exporte gehen dorthin."
„Natürlich wird der Dax zunächst leiden, aber fundamental ist die Wirtschaft in Takt (...) Der Rückschlag wird nicht von Dauer sein."
"Für Griechenland wird es jetzt ganz schwierig. Europa versucht, den Schaden für andere Euro-Länder zu begrenzen. Das wird mit großer Wahrscheinlichkeit gelingen. Die EZB hat bereits erklärt, dass sie die Lage an den Finanzmärkten genau verfolgt und notfalls eingreifen wird. Bei größeren Turbulenzen, die der Konjunktur gefährlich werden könnten, könnte die EZB ihre Anleihekäufe zeitlich nach vorne ziehen oder aufstocken. Sie könnte auch Anleihen bestimmter Länder wie Spanien und Italien früher kaufen. Sie könnte noch deutlicher darauf verweisen, dass es das ultimative Sicherheitsprogramm - das sogenannte OMT-Programm - auch noch gibt."
"Mit einer solchen Wendung haben nur wenige gerechnet. Kapitalverkehrskontrollen, vor allem aber die hohe Unsicherheit der kommenden Wochen und Monate dürften die letzte Hoffnung auf eine wirtschaftliche Erholung in Griechenland zunichte machen. Ein Staatsbankrott Griechenlands bedeutet nicht automatisch Grexit. Im besten Fall könnten die Entwicklungen dieser Tage nun dazu führen, dass Europa einen Insolvenzmechanismus für Staaten entwickelt - ganz so, wie die erste Griechenlandkrise vor fünf Jahren zu einem Rettungsmechanismus für Staaten führte. Spannend bleibt, ob und wie andere populistische Kräfte in Europa von den Entwicklungen profitieren. Die Polarisierung zwischen etabliertem Lager und Populisten dürfte in den kommenden Monaten weiter steigen."
"Weder der Grexit noch die Staatspleite sind zwingend. Es hängt sehr davon ab, wie das Referendum ausgeht. Wenn es zu einer Ablehnung kommt, wäre Griechenland auf schiefer Ebene unterwegs in Richtung Euro-Abschied. Die EZB hat die Kapitalverkehrskontrollen praktisch erzwungen, indem sie die Notfallkredite an griechische Banken nicht weiter erhöht hat. Wenn die EZB sie wieder aufstockt nach einem positiven Votum der Griechen, dann wären sie in diesem Umfang nicht mehr notwendig. Die Folgen für die Wirtschaft sind sehr negativ. Durch die Kapitalverkehrskontrollen werden die Geschäfte von Unternehmen und deren Abwicklung über die Banken behindert. Das dürfte die Konjunktur weiter beschädigen.
Die direkten Folgen für die Wirtschaft in der Euro-Zone und Deutschland dürften begrenzt sein - Griechenland ist zu klein, die Handelsverflechtungen zu gering. Man muss aber abwarten, wie stark die Marktturbulenzen sein werden. Denn die könnten auf die Realwirtschaft durchschlagen."
Den gesamten Rekapitalisierungsbedarf der griechischen Banken schätzen Experten auf bis zu 25 Milliarden Euro. In den vergangenen Wochen haben griechische Bürger und Unternehmen Milliarden von ihren Konten abgezogen. Die Regierung konnte dies mit der Beschränkung des Kapitalverkehrs und der Schließung der Banken stoppen. Auch die Athener Börse stellte den Handel ein. Die Geldhäuser sind inzwischen wieder offen, die Bargeldabhebungen aber limitiert. Am Montag soll auch die Börse nach fünfwöchiger Zwangspause wieder öffnen.
Die Bundesregierung sieht allerdings den Zeitplan für die Verhandlungen über ein neues Hilfspaket für Griechenland angeblich in Gefahr. Der Terminplanung der EU-Kommission sei zu eng gestrickt, verlautete nach Informationen des „Focus“ aus Regierungskreisen. Danach sollten die Verhandlungen am 10. August abgeschlossen sein, berichtete das Magazin am Samstag.
Nach einer Zustimmung der Euro-Finanzminister am 11. August solle die Vereinbarung von anderen Euro-Staaten ratifiziert und vom Parlament in Athen gebilligt werden. Auch der Bundestag müsste zustimmen. Die für Mitte August erwogene Sondersitzung des Bundestages müsse aber möglicherweise verschoben werden.
Der Zeitverzug schaffe ein Zahlungsproblem für Griechenland, das bis zum 20. August 3,2 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) überweisen müsse, schreibt das Magazin. Deshalb werde in Kreisen der EU-Kommission eine kurzfristige Finanzspritze aus dem Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus EFSM erwogen. Das sei jedoch schwierig, weil die EU-Staaten außerhalb der Euro-Zone nicht mithaften wollten.
Der griechische Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis betonte: „Eine Einigung wird schwierig sein. Sie wird aber wirtschaftlich tragbar sein, weil sie die Gefahr eines Grexits (Verlassen der Euro-Zone) weiter verringert.“ Griechenland erhofft sich nach Worten des Ministers vom dritten Hilfsprogramm auch indirekt die Umstrukturierung eines Teils seiner Staatsschulden.
Die geplante Hilfe solle ein langfristiges Darlehen mit einer Laufzeit von etwa 30 Jahren umfassen, sagte Stathakis der Zeitung „Efimerida ton Syntakton“ (Samstag). Damit könnten Kredite der EZB und des Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückgezahlt werden. „Es handelt sich um eine Mini-Umschuldung. Sie könnte den Auftakt bilden zu einer bedeutenden Umstrukturierung der griechischen Schulden, wie die vom IWF schon seit langer Zeit verlangt wird.“