Griechenland Papademos rückt nun doch an die Spitze

Das tagelange Tauziehen ist beendet: Lucas Papademos wird neuer Ministerpräsident in Griechenland. Der Ex-EZB-Banker steht vor einer Herkules-Aufgabe.

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Lucas Papademos, griechischer Ministerpräsident in spe: Auf den künftigen Regierungschef warten Aufgaben herkulischen Maßes. Quelle: REUTERS

Er soll die Reformen voranbringen, die Sparprogramme umsetzen, den Griechen den Zufluss weiterer Hilfsgelder aus Brüssel und Washington sichern, die Finanzmärkte beruhigen und die Bevölkerung von der Notwendigkeit harter Einschnitte überzeugen. Lucas Papademos steht vor Herausforderungen herkulischer Natur. Denn: Der frühere Vizepräsident der Europäischen Zentralbank wird nach tagelangem Tauziehen Chef der Übergangsregierung. Die neue Führung soll Freitagmittag vereidigt werden und Schritte zur Konsolidierung der Staatsfinanzen umsetzen und Neuwahlen vorbereiten.

Der 64-jährige Ökonom und fühere Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB) tritt dadurch in das grelle Scheinwerferlicht der Weltbühne. Eine Rolle, die dem stillen Griechen ganz und gar nicht auf den Leib geschrieben ist. Denn seine Welt ist die der Wissenschaft und des intellektuellen Diskurses.

1947 in Athen geboren, hat Papademos (übersetzt: „Priester des Volkes“) viele Jahre an führenden Universitäten verbracht. Elf Jahr studierte er in den USA am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) Physik, Elektrotechnik und Wirtschaftswissenschaften. Das Studium der Ökonomie schloss er 1977 mit dem Doktortitel ab. Es folgten Jahre als Dozent und Wissenschaftler an der Columbia University in New York und bei der US-Notenbank Fed im Bezirk Boston. 1985 kehrte Papademos nach Griechenland zurück, um Chefökonom der Zentralbank in Athen zu werden.

1994 beförderte ihn der damalige Regierungschef Andreas Papandreou, der Vater der heutigen Regierungschefs, auf den Posten des Zentralbankpräsidenten, den er bis 2002 bekleidete. In dieser Funktion bereitete Papademos sein Land auf die Mitgliedschaft im Euro vor. Als einer der wenigen Ökonomen mahnte er seine Landsleute schon damals eindringlich zu mehr Haushaltsdisziplin. Allerdings werfen ihm Gegner vor, als Chef der Notenbank von den Statistik-Tricksereien gewusst zu haben, mit denen sich Griechenland den Beitritt zur Währungsunion erschlichen hat. Sein wohl größter Erfolg war es, die Inflation niedergerungen zu haben. Lag die griechische Teuerungsrate 1994 noch bei elf Prozent, waren es im Jahr 2000 nur noch 2,6 Prozent.

Ein finanzpolitischer Falke

2002 wechselte Papademos zur EZB nach Frankfurt, wo er als Vize-Präsident im Direktorium für den Bereich Finanzstabilität verantwortlich war und den zwei Mal jährlich erscheinenden Finanzstabilitätsbericht der EZB verantwortete. Geldpolitisch gilt Papademos als gemäßigter Pragmatiker mit einer Tendenz zum Lager der Tauben. Diese plädieren dafür, im Zweifelsfall die Zinszügel lieber etwas lockerer zu lassen.

In finanzpolitischen Fragen tritt Papademos dagegen eher als Falke auf. Als EZB-Vize verteidigte er immerzu den Stabilitäts- und Wachstumspakt als Voraussetzung für eine funktionierende Währungsunion. In einem Gespräch mit der WirtschaftsWoche kurz nach der Lehman-Pleite warnte er davor, das Heil in kreditfinanzierten Konjunkturprogrammen zu suchen. „Jeglicher staatliche Stimulus darf weder das Vertrauen in die langfristige Solidität der öffentlichen Haushalte noch die Glaubwürdigkeit des Stabilitäts- und Wachstumspaktes gefährden“, sagte Papademos damals. Und: „Ein Verlust an Vertrauen in die Finanzpolitik ist das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können“.

Ob der Professor für Ökonomie seine finanzpolitischen Erkenntnisse als Chef einer Übergangsregierung in die Praxis umsetzen kann, muss sich zeigen. Zwar gilt Papademos als debattenstarkes Arbeitstier, das mit wenig Schlaf auskommt. Das dürfte ihm angesichts der in Politikerkreisen üblichen nächtlichen Krisensitzungen nützlich sein. Fraglich ist allerdings, ob der im persönlichen Umgang als „angenehm und respektvoll“ geltende Papademos die nötige Hemdsärmeligkeit, Lautstärke und Chuzpe besitzt, die erforderlich ist, um sich im Haifischbecken der Politik durchzusetzen und Entscheidendes zu bewegen.
Papademos dürften sicherlich seine Kontakte in die EZB, die er erst 2010 verließ, hilfreich sein. Er könnte darauf hinwirken, dass die EZB noch mehr Staatsanleihen der Krisenländer kauft, um deren Zinskosten nach unten zu drücken. Seine Beliebtheit unter den Regierungschefs der Krisenländer würde Papademos damit zwar steigern. Doch der Stabilität der gemeinsamen Währung, an der auch die Griechen festhalten wollen, täte er damit keinen Gefallen.

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