Griechische Schuldenkrise "Tsipras hat nahezu alle Wahlversprechen gebrochen"

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Warum die Griechen Angela Merkel nun etwas mehr mögen

Lassen Sie uns abschließend noch über die Flüchtlingskrise sprechen. Wie meistert Griechenland die Krise?

Griechenland ist überfordert. Es fehlen die Ressourcen, egal ob für Unterbringung, Versorgung oder Ernährung. Außerdem fehlen zugesagte Hilfen aus Brüssel, vor allem Asylbeamte, Dolmetscher und Grenzschützer.

Klingt dramatisch.

Manche nennen Griechenland bereits das Libanon Europas. Ein Hotspot mit mehr als 58.000 Flüchtlingen, die im Land festsitzen. Bis der Türkei-Deal im März in Kraft trat, war Griechenland für Flüchtlinge ein Land zur Durchreise, mittlerweile ist es Aufnahmeland. Griechenland muss Flüchtlinge also integrieren und ihnen Arbeitsplätze anbieten. Bei einer Arbeitslosenquote von 23 Prozent ist das nahezu unmöglich. Dass die Lage nicht eskaliert, ist der griechischen Bevölkerung zu verdanken.

Inwiefern?

Die Griechen sind sehr hilfsbereit und unterstützen die Flüchtlinge, obwohl viele selbst kaum etwas haben. Ohne die Solidarität der griechischen Zivilgesellschaft, wäre die Lage längst außer Kontrolle geraten. Das nötigt mir großen Respekt ab.

Die Griechen fühlen sich doppelt im Stich gelassen – in der Schuldenkrise und beim Thema Flüchtlinge. Wozu führt das?

Das Verhältnis zwischen Griechenland und Deutschland war lange schlecht und wird nun langsam besser, weil Merkels Flüchtlingspolitik in Griechenland auf viel Zustimmung getroffen ist. Aber in Bezug auf die EU sind viele Griechen desillusioniert. Überraschenderweise lehnen sie Europa aber nicht insgesamt ab, auch nicht den Euro.

Was geschieht, wenn das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei scheitert? In Griechenland droht Chaos. Und der Rest Europas dürfte dem Vorbild Ungarns Folgen. Was „Plan B“ bedeutet.
von Marc Etzold

Warum das?

Die meisten Griechen misstrauen ihrer eigenen politischen Elite. Sie wollen nicht, dass griechische Politiker, egal von welcher Partei, wieder die Druckerpresse für eine eigene Währung anschmeißen können. Sie hoffen, dass der Euro die eigene Regierung diszipliniert.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer für das europäisch-griechische Verhältnis?

Ein kleiner, ja. Ob daraus etwas wachsen kann, wage ich heute noch nicht zu sagen.

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