Griechische Schuldenkrise "Tsipras hat nahezu alle Wahlversprechen gebrochen"

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Warum sich die Bevölkerung von Tsipras abwendet

Braucht Griechenland womöglich ein viertes Hilfspaket?

Griechenland kann nicht in einer Dauerschleife aus Rettungsprogrammen und Wirtschaftskrise verbleiben Ein viertes Programm wäre aus meiner Sicht politisch nicht mehr durchsetzbar – weder in Griechenland, noch bei den Geldgebern. Athen und die Geldgeber sollten daher einige Kernpunkte definieren, die man realistischerweise noch abarbeiten kann, darunter Privatisierungen, Schuldenerleichterungen, Investitionen und die Fortsetzung der Verwaltungsreform.

Hat Griechenland in den letzten zwölf Monaten denn geliefert?

Es gab Fortschritte, aber auch viele Irritationen. Ein Beispiel: Der Hafen von Piräus wurde an ein chinesisches Staatsunternehmen verkauft. Auf den ersten Blick war das ein Erfolg. Doch dann probierte der Minister der Handelsmarine in Eigenregie Vertragsdetails auszuhebeln. Das führte zu Verzögerungen und Konfusion, nicht nur bei den chinesischen Investoren. Das hat zur Folge, dass potentielle Investoren sich fragen, welche Rechtssicherheit eine Vereinbarung mit dem griechischen Staat wert ist.

Die wichtigsten Antworten im Poker um neue Griechenlandhilfen

Die Fortsetzung des griechischen Dramas.

Ja, Griechenland bleibt auf der Intensivstation europäischer Rettungspolitik. Und Tsipras macht immer wieder deutlich, dass er von dem dritten Rettungsprogramm politisch nicht überzeugt ist und es nur widerwillig umsetzt. Er spricht von Auflagen, statt von Reformen.

Das klingt nicht so, als sei wieder Vertrauen zwischen Athen und den Geldgebern entstanden.

Eher nicht, das gegenseitige Misstrauen dominiert. Der europäische Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Moscovici hat Griechenland kürzlich aufgefordert, seinen Verpflichtungen nachzukommen, sonst könne die nächste Tranche von 2,8 Milliarden Euro nicht ausgezahlt werden. Solche Hängepartien sind gang und gäbe geworden.

Griechenland muss sparen und Reformen durchsetzen. Beides klappt nicht besonders gut. Dennoch vermeiden Geldgeber derzeit jeden Ärger mit Athen. Das sind die Gründe.
von Silke Wettach

Alexis Tsipras verliert in den Umfragen an Zustimmung. Womit hängt das zusammen?

Tsipras hat nahezu alle Wahlversprechen gebrochen und sie ins Gegenteil verkehrt. Er hatte zugesichert, die Troika und alle Sparmaßnahmen seien Geschichte. Jetzt erleben wir eine Syriza-Regierung, die in der Praxis weiter geht als alle Vorgänger-Regierungen: Steigende Sozialbeiträge, steigende Steuern und noch geringere Renten. Niemand hätte das unter einem linken Premierminister Tsipras für möglich gehalten. Bei der nächsten Wahl dürfte die Gruppe der Nichtwähler somit die stärkste Partei werden.

Neigt sich die Zeit von Alexis Tsipras dem Ende?

Nein, er hat weiterhin eine stabile Mehrheit im Parlament. Mein Eindruck ist, dass er die vollen vier Jahre der Legislaturperiode durchregieren will – ohne vorzeitige Neuwahlen auszurufen. Die Rufe nach Neuwahlen kommen eher aus dem Oppositionslager.

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