Braucht Griechenland womöglich ein viertes Hilfspaket?
Griechenland kann nicht in einer Dauerschleife aus Rettungsprogrammen und Wirtschaftskrise verbleiben Ein viertes Programm wäre aus meiner Sicht politisch nicht mehr durchsetzbar – weder in Griechenland, noch bei den Geldgebern. Athen und die Geldgeber sollten daher einige Kernpunkte definieren, die man realistischerweise noch abarbeiten kann, darunter Privatisierungen, Schuldenerleichterungen, Investitionen und die Fortsetzung der Verwaltungsreform.
Hat Griechenland in den letzten zwölf Monaten denn geliefert?
Es gab Fortschritte, aber auch viele Irritationen. Ein Beispiel: Der Hafen von Piräus wurde an ein chinesisches Staatsunternehmen verkauft. Auf den ersten Blick war das ein Erfolg. Doch dann probierte der Minister der Handelsmarine in Eigenregie Vertragsdetails auszuhebeln. Das führte zu Verzögerungen und Konfusion, nicht nur bei den chinesischen Investoren. Das hat zur Folge, dass potentielle Investoren sich fragen, welche Rechtssicherheit eine Vereinbarung mit dem griechischen Staat wert ist.
Die wichtigsten Antworten im Poker um neue Griechenlandhilfen
Die Ressortchefs wollen griechische Spar- und Reformschritte bewerten. Wenn die - seit Monaten verzögerte - Überprüfung des im vergangenen Jahr gestarteten Hilfsprogrammes abgeschlossen wird, ist der Weg für weitere Milliardenhilfen aus dem Euro-Rettungsschirm ESM geebnet.
Eher gut. Ein ganz wichtiger Punkt sind die griechischen Reformbemühungen, vor allem im Renten- und Sozialsystem. Am Sonntag verabschiedete das Parlament in Athen ein weiteres Sparpaket. Darin sind Steuererhöhungen vorgesehen, Tanken, Rauchen und Telefonieren etwa dürften in Zukunft deutlich teurer werden. Die Maßnahmen sollen rund 1,8 Milliarden Euro in die Staatskasse spülen.
Das Parlament beschloss außerdem eine insbesondere vom Internationalen Währungsfonds (IWF) geforderte Schuldenbremse. Diese soll greifen, falls Griechenland Sparziele nicht erfüllt. Sie ist notwendig, weil der Weltwährungsfonds die Budgetaussichten des Landes deutlich pessimistischer einschätzt als die europäischen Partner.
Er rechnet mit einer Einigung der Geldgeber über die Freigabe weiterer Griechenland-Hilfen. „Wir kriegen das hin, wir sind auf gutem Weg“, hatte der CDU-Politiker am Samstag in Japan gesagt. „Ob wir am Dienstag fertig werden, weiß ich nicht“, schränkte er jedoch ein.
Allein im Juli muss Griechenland zusammen 3,67 Milliarden Euro an den IWF, die Europäische Zentralbank (EZB) und andere Gläubiger zurückzahlen. Das Geld fehlt aber zur Zeit in den Staatskassen. In der Debatte ist ein hoher Auszahlungsbetrag in der Spanne von neun bis elf Milliarden Euro. Das dritte Rettungsprogramm hat insgesamt einen Umfang von bis zu 86 Milliarden Euro.
Ja. Selbst nach einer Einigung zwischen den Eurostaaten und Griechenland dürften noch einige Wochen vergehen, bevor Geld nach Athen fließen kann. In einigen Ländern des gemeinsamen Währungsraums, unter anderem in Deutschland, müssen nationale Parlamente vor einer endgültigen Entscheidung noch zustimmen.
Die Euro-Minister legten zum ersten Mal einen Zeitplan vor. Das reicht dem IWF aber offenkundig nicht aus. Es sickerte ein weitgehender Plan durch, wonach die Europäer Zinsen und Rückzahlungen bis 2040 aufschieben sollten. Das Thema ist politisch extrem kompliziert, zumal Schäuble mehrfach sagte, Schuldenmaßnahmen seien für die nächsten Jahre gar nicht nötig.
Bisher nicht. Vor allem Deutschland pocht auf eine Beteiligung des Fonds. Ob es rasche Bewegung geben wird, ist offen. Die eloquente IWF-Chefin Christine Lagarde ist verhindert und wird bei der Eurogruppe gar nicht am Tisch sitzen.
Die Fortsetzung des griechischen Dramas.
Ja, Griechenland bleibt auf der Intensivstation europäischer Rettungspolitik. Und Tsipras macht immer wieder deutlich, dass er von dem dritten Rettungsprogramm politisch nicht überzeugt ist und es nur widerwillig umsetzt. Er spricht von Auflagen, statt von Reformen.
Das klingt nicht so, als sei wieder Vertrauen zwischen Athen und den Geldgebern entstanden.
Eher nicht, das gegenseitige Misstrauen dominiert. Der europäische Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Moscovici hat Griechenland kürzlich aufgefordert, seinen Verpflichtungen nachzukommen, sonst könne die nächste Tranche von 2,8 Milliarden Euro nicht ausgezahlt werden. Solche Hängepartien sind gang und gäbe geworden.
Alexis Tsipras verliert in den Umfragen an Zustimmung. Womit hängt das zusammen?
Tsipras hat nahezu alle Wahlversprechen gebrochen und sie ins Gegenteil verkehrt. Er hatte zugesichert, die Troika und alle Sparmaßnahmen seien Geschichte. Jetzt erleben wir eine Syriza-Regierung, die in der Praxis weiter geht als alle Vorgänger-Regierungen: Steigende Sozialbeiträge, steigende Steuern und noch geringere Renten. Niemand hätte das unter einem linken Premierminister Tsipras für möglich gehalten. Bei der nächsten Wahl dürfte die Gruppe der Nichtwähler somit die stärkste Partei werden.
Neigt sich die Zeit von Alexis Tsipras dem Ende?
Nein, er hat weiterhin eine stabile Mehrheit im Parlament. Mein Eindruck ist, dass er die vollen vier Jahre der Legislaturperiode durchregieren will – ohne vorzeitige Neuwahlen auszurufen. Die Rufe nach Neuwahlen kommen eher aus dem Oppositionslager.