Großbritannien Abschlussumfrage lässt May hoffen

Regierungschefin May und Oppositionsführer Corbyn haben ihre Stimmen abgegeben und können jetzt nur noch warten und hoffen. Bekommt die Premierministerin ihre erwartete Mehrheit? Eine letzte Umfrage deutet darauf hin.

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Theresa May Quelle: dpa

Fast ein Jahr nach dem Brexit-Referendum wählen die Briten vorzeitig ein neues Parlament. Unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen haben die mehr als 40.000 Wahllokale in England, Schottland, Wales und Nordirland seit 8.00 Uhr MESZ geöffnet. Nach dem Terroranschlag auf der London Bridge mit mehreren Toten am Samstag befindet sich besonders die Hauptstadt unter erhöhter Polizeibeobachtung.

Premierministerin Theresa May möchte mit der vorgezogenen Unterhauswahl eine größere Mehrheit für ihre Tories und damit mehr Rückendeckung für die Verhandlungen mit Brüssel über einen EU-Austritt (Brexit) bekommen. Die Konservative gab am Morgen in ihrem Wahlkreis in Maidenhead westlich von London ihre Stimme ab.

Der Labour-Chef Jeremy Corbyn wählte in seinem Londoner Wahlkreis Islington North. Der Altlinke Corbyn spricht vor allem junge Menschen an. Er will die Kluft zwischen Arm und Reich verringern, die Bahn verstaatlichen und das marode Gesundheitssystem auf Vordermann bringen. Er gilt aber als führungsschwach. Für wen sich die Wähler entscheiden werden, ist noch unklar.

Die fünf wichtigsten Köpfe im britischen Wahlkampf
Einmal Premierministerin sein - darauf hat Theresa May seit Jahren hingearbeitet. Quelle: REUTERS
Der 68-jährige Labour-Chef Jeremy Corbyn ist ein Meister der Polarisierung. Quelle: REUTERS
Tim Farron Quelle: REUTERS
Die kämpferische Chefin der Regionalregierung in Edinburgh, Nicola Sturgeon, wird augenzwinkernd als „Königin von Schottland“ bezeichnet. Quelle: REUTERS
Eigentlich sollte Paul Nuttall die zerstrittene, EU-feindliche UK Independence Party (Ukip) wieder auf Kurs bringen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Quelle: REUTERS

Jess Stubenbord (26) aus London wählte am Morgen Labour. „Jeremy Corbyn überzeugt mich“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Ich bin Techniker und möchte auf jeden Fall das Gesundheitssystem behalten. Das ist für mich momentan das Wichtigste.“

Simon Kitching (55) entschied sich dagegen für die Tories. „Eigentlich gibt es keine Wahl. Es gibt nur eine Möglichkeit und das ist definitiv nicht Corbyn. Er kann das nicht“, sagte Kitching der dpa. „Nur Theresa May ist momentan stark genug, dieses Land zu führen ... Und sie wird auch den Terror eindämmen können. Ich bin mir sicher, mit ihr wird es uns gut gehen - auch nach dem Brexit. Wir werden uns damit arrangieren.“

May will Großbritannien sowohl aus der EU als auch aus dem Europäischen Binnenmarkt führen. Die Gespräche mit Brüssel beginnen am 19. Juni. Die 60-Jährige droht mit einem Scheitern der Verhandlungen: Kein Deal sei besser als ein schlechter. Der Ausgang der Wahl wird mit entscheiden, wie gütlich sich Großbritannien nach mehr als 40 Jahren von der Staatengemeinschaft trennt.

Umfragen zufolge könnte die Konservative ihr Ziel einer komfortablen Mehrheit im britischen Parlament verfehlen. Als May die Neuwahl ausrief, lagen die Konservativen zeitweise noch mehr als 20 Prozentpunkte vor Labour. Fehler Mays ließen den Vorsprung aber bis auf wenige Prozentpunkte schmelzen. Doch die Abschlussumfrage lässt May wieder hoffen: Der Ipsos-Mori-Befragung zufolge wollten 44 Prozent für die Tories stimmen, ein Prozentpunkt weniger als noch am Freitag. Die sozialdemokratische Labour-Partei gibt zugleich vier Punkte auf 36 Prozent ab, wie aus der Umfrage für den Londoner "Evening Standard" vom Wahltag hervorgeht. May kommt damit auf einen Vorsprung von acht Prozentpunkten zu ihrem Rivalen Jeremy Corbyn.

Für die Sitzverteilung im Unterhaus ist aber wegen des Mehrheitswahlrechts nicht nur das generelle Stimmenverhältnis entscheidend, sondern auch die regionale Verteilung der Stimmen. In jedem Wahlkreis gewinnt der dort an erster Stelle liegende Abgeordnete; die übrigen Stimmen entfallen und werden auch landesweit nicht berücksichtigt.

May verweigerte gemeinsame TV-Duelle mit Corbyn, wirkte bei Wahlkampfauftritten verkrampft. Nach drei Terroranschlägen in Großbritannien in drei Monaten warfen ihr Kritiker zudem vor, während ihrer Zeit als Innenministerin für den Abbau von über 20.000 Stellen bei der Polizei mitverantwortlich gewesen zu sein. Auf starke Kritik der Opposition stießen ihre Äußerungen, im Kampf gegen den Terror notfalls Menschenrechte einzuschränken. Corbyn verspricht im Wahlprogramm 10.000 zusätzliche Polizisten.

Der rechtspopulistischen Partei Ukip droht der Kollaps bei der Wahl. Im Parlament waren die EU-Gegner zuletzt nicht mehr vertreten. Im März war ihr einziger Abgeordneter aus der Partei ausgetreten. „Die Konservativen werden vermutlich viele Ukip-Wähler abziehen“, sagte John Curtice von der Universität Strathclyde in Glasgow.

Die Briten können bis 23.00 Uhr MESZ ihre Stimme abgeben. Eine auf Wählerbefragungen basierende Prognose folgt direkt nach Schließung der Wahllokale. Die Auszählung der Stimmbezirke dauert die ganze Nacht. Zwar dürfte sich nachts ein belastbarer Trend abzeichnen, das Endergebnis der Wahl wird aber erst am Nachmittag vorliegen.

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