Großbritannien Der Kampf um Camerons Nachfolge geht los

Mit dem angekündigten Rücktritt von David Cameron hat das Rennen um Camerons Nachfolge begonnen. Selbst wenn sich Favorit Boris Johnson nicht durchsetzen sollte, dürfte es ein EU-Skeptiker werden.

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Der britische Premierminister David Cameron Quelle: dpa

London Höchstens 30 Sekunden werde sich David Cameron  nach einem Brexit-Votum noch an der Macht halten können, so der Tory-Politiker Kenneth Clarke. Der Veteran der britischen Politik wusste sehr genau wovon er sprach: Er hat nicht nur den Sturz von Camerons Vorgängern Ian Duncan Smith, Michael Howard und William Hague miterlebt, sondern auch den innerparteilichen Putsch gegen die legendäre Premierministerin Margaret Thatcher im Jahr 1990 betrieben. Und wenn der Möbelwagen auch erst in drei Monaten in der Downing vorfahren wird, ist doch allen Beteiligten klar: Cameron als Premier auf Abruf ist von nun an eine lahme Ente, um dessen Nachfolge mit harten Bandagen gekämpft werden wird. Und aller Wahrscheinlichkeit nach wird angesichts der Mehrheit für den Brexit künftig ein Euroskeptiker von den konservativen Tories zum neuen Partei- und Regierungschef gewählt.

Mit dem Referendum wollte Cameron seine Position festigen

Für ihn wird es darum gehen, die Nation und die tief gespaltene Tory-Partei zu einen und sich als Kandidat zu präsentieren, der die schwierigen Austrittsverhandlungen mit der EU leiten kann. Eine große Herausforderung für jeden neuen Amtsinhaber – erst recht nach einer bitteren und polarisierenden Referendumsdebatte, bei der es unter alten Parteigenossen und Freunden oft auch zu heftigem persönlichen Streit gekommen war. Cameron hatte das EU-Referendum 2013 unter dem Druck des euroskeptischen Flügels seiner Partei in der Hoffnung anberaumt, die aufmüpfigen Rebellen zu befrieden.

Die Rechnung ging nicht auf. Auch sein Nachfolger, selbst wenn er wie erwartet vom rechten Flügel stammen sollte, wird es nicht leicht haben. Denn, berauscht von ihrem Erfolg werden die Euroskeptiker bei den Verhandlungen mit der EU auf eine harte Linie pochen und wenig Bereitschaft zeigen, Kompromisse zu akzeptieren. Bei den britischen Konservativen tobt seit Jahrzehnten ein Richtungsstreit zwischen EU-Gegnern und Befürwortern. Dieser Streit wird mit dem knappen Referendumsergebnis nicht zu Ende sein: schließlich hatten sich 48 Prozent der britischen Wähler für den Verbleib in der EU ausgesprochen.

Boris Johnson ist bei vielen Wählern beliebt

Wer sind die Kandidaten? Als erstes fällt bei den zahlreichen Spekulationen in Londons Korridoren der Macht natürlich der Name Boris Johnson. Der charismatische Ex-Bürgermeister von London, wie Cameron Absolvent des Elite-Internats Eton und der Oxford University, gilt heute eindeutig als Favorit für dessen Nachfolge. Als intellektueller Kopf der siegreichen Leave-Kampagne hat er – zumindest scheinbar – im Moment alle Trumpfkarten in der Hand. Der viermonatige Referendums-Wahlkampf bot ihm reichlich Gelegenheit sich öffentlich zu profilieren.

Eloquent, voller Schlagfertigkeit und Humor gelingt es „Boris“, auch viele Wähler zu mobilisieren, die um andere Tory-Politiker einen großen Bogen machen. Bei vielen Briten ist er sehr beliebt, doch auch seine Schwächen werden mittlerweile offen diskutiert: eine gewissen Oberflächlichkeit sowie die Scheu, sich in die Details komplexer Sachverhalte einzuarbeiten. Selbst viele seiner Fans bezweifeln zudem, ob Boris, der gerne den zerstreuten Clown gibt, über die nötige Würde für das Amt des Premierministers verfügt.

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