Großbritannien Was der Anschlag für den britischen Wahlkampf bedeutet

Manchester und die Bilder des Schreckens erschüttern das Vereinigte Königreich. Die politischen Folgen sind nicht zu unterschätzen. Schon jetzt ist absehbar, wer profitieren wird.

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Die britische Premierministerin Theresa May gibt am 23.05.2017 in der Downing Street in London eine Pressekonferenz. Quelle: dpa

Diesmal traf es Manchester, Großbritanniens drittgrößte Stadt. Die traurige Bilanz des Montagabends: mindestens 22 Tote und rund 60 Verletzte, darunter viele Kinder und Teenager. Es war ein grausamer Terroranschlag auf unschuldige Opfer. Viel zu viele Fragen sind noch offen. Was war das Motiv des bei der Explosion getöteten Selbstmordattentäters? Handelte er allein? Gibt es einen islamistischen Hintergrund?


Die Antworten auf diese Fragen und die Suche nach ihnen werden die Zukunft des Landes beeinflussen.

In zweieinhalb Wochen wird in Großbritannien gewählt. Der Zeitpunkt des Anschlags ist daher brisant. Noch nie zuvor ist das Inselreich mitten im Wahlkampf von einem Terroranschlag erschüttert worden. Er wurde nun – wie es der Respekt vor den Opfern gebietet – erst einmal ausgesetzt. Manche Kommentatoren rechnen damit, dass er sogar bis zum Wochenende ruhen dürfte, auf jeden Fall werde damit der Ton der politischen Debatte in den letzten Wochen vor dem Urnengang nüchterner und weniger aggressiv, erwarten sie.

„Stark und stabil“

An sich ist es erfreulich, wenn persönliche Angriffe durch eine sachliche Auseinandersetzung ersetzt werden. Und doch kann man nicht umhin festzustellen, dass die Unterbrechung des Wahlkampfes und der Schock des Anschlags im Wahlkampfendspurt vor allem der Favoritin, nämlich Premierministerin Theresa May, zu Gute kommen dürften.

In Schottland, wo die Konservativen gerade dabei sind, der SNP-Partei von Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon Stimmen abspenstig zu machen, wird heute die Vorstellung des Wahlprogramms der SNP gestrichen. Und die ehemalige Innenministerin May, die wie kein anderer britischer Politiker für Law and Order steht, hat nun die Gelegenheit, sich wieder einmal mit starker politischer Führung zu profilieren.

Ihr Wahlkampf-Motto „strong and stable leadership“ mag inzwischen abgedroschen klingen, doch nach einem Terroranschlag und in einer Phase, in der sich die Briten nach Stabilität und Führung sehnen, gewinnt es angesichts einer verunsicherten Öffentlichkeit wieder neue Attraktivität. Im Gegensatz zu Labour-Chef Jeremy Corbyn betrachten die meisten Briten May als kompetente Führungspersönlichkeit, während der schwache Oppositionspolitiker selbst von vielen in seiner eigenen Partei als Versager angesehen wird.

Große Terroranschläge in Europa

Vor allem aber lenken die schrecklichen Ereignisse in Manchester davon ab, dass May und ihre Tories in den letzten Tagen eine empfindliche Schlappe hinnehmen mussten: Denn seit der Veröffentlichung des konservativen Wahlkampfprogramms, in dem es heißt, dass sich ältere Bürger mehr an den Pflegekosten beteiligen sollen, ist der Vorsprung der Konservativen in der Wählergunst geschrumpft. Kurz nach Ostern, als May den vorgezogenen Wahltermin für den 8. Juni ankündigte, sagten Umfragen den Konservativen einen großen Vorsprung voraus. Das änderte sich nun, so dass sich die Regierungschefin am Montag zu einer hastigen Kehrtwende gezwungen sah. Davon spricht jetzt keiner mehr.

Auch der Brexit wird nicht thematisiert. Dabei wird die politische Zukunft Großbritanniens von den Ergebnissen der Austrittsverhandlungen mit der EU abhängen. Kritiker bemängeln ja ohnehin, dass May mit ihrem Leadership-Slogan jegliche inhaltliche Debatte über die Ziele ihrer Brexit-Verhandlungen abwürgt. Ihre Wahlkampfauftritte absolvierte sie schon bisher weitgehend abgeschirmt von der Öffentlichkeit vorwiegend vor konservativen Sympathisanten, die auf kritische Fragen verzichteten. Nun wird sie nach dem Terroranschlag schon aus Sicherheitsgründen noch weniger öffentliche Kontakte zu den Wählern zulassen.

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