Hedgefonds und der Brexit Kampf der Spekulanten

Das EU-Referendum in Großbritannien polarisiert die Londoner Hedgefonds-Gemeinde. Die Herren über Milliarden beziehen Stellung – politisch und an den Märkten. Die Kurse könnten am Donnerstag und Freitag verrückt spielen.

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Das Pfund ist seit Monaten auf Achterbahnfahrt – die Finanzgemeinde aufgeschreckt. Quelle: REUTERS

Diskretion ist hier Ehrensache. An den schmucken Stadthäusern im edlen Stadtteil Mayfair künden nur die blankgeputzten Messingschilder davon, dass hinter den honorigen Fassaden milliardenschwere Finanzfirmen residieren. Mayfair ist das Zentrum der Londoner Hedgefonds-Gemeinde, und normalerweise halten sich die Herren des Geldes vornehm zurück, wenn es um Politik geht.

Aber die Brexit-Frage spaltet auch die Hedgefonds, genau wie das ganze Land. David Harding der Chef des 30 Milliarden Dollar schweren Fonds Winton Capital zählt zu den prominentesten Spendern für die EU-Freunde. Seine 750.000 Pfund verblassen allerdings gegen die 3,2 Millionen Pfund, die Peter Hargreaves, Gründer von Hargreaves Lansdown für das Brexit-Camp locker machte.

Eigentlich haben sich die Granden der Finanzbranche in der Londoner City mehr oder weniger einheitlich auf die Seite des Pro-EU-Camps geschlagen, aber in der Hedgefonds-Szene ist das anders, hier prallen Meinungen und Egos aufeinander. Die Europa-Freunde wie Harding glauben, dass man einen möglichst großen Markt braucht, um große Geschäfte aufzuziehen, die Skeptiker hoffen, dass man mit der EU auch einen Teil der lästigen Regulierung los wird. Es steht viel auf dem Spiel: 80 Prozent aller Gelder die Hedge-Fonds in Europa managen werden von London aus gesteuert, auf 400 Milliarden Dollar schätzen Experten dieses Vermögen.

„Aber man sollte nicht den Fehler machen, zu glauben, dass es den Spendern bei der Frage pro oder contra Brexit nur um geschäftliche Interessen geht. Die ideologischen Debatten, die das Land spalten, beschäftigen auch unsere Branche“, heißt es bei einem Londoner Hedgefonds. Je nachdem ob man die EU als Friedensgarant nach den Katastrophen des 20. Jahrhunderts sieht oder als bürokratisches, antiliberales Monster, das die unternehmerische Initiative lähmt.

Aber wetten die Hedgefonds-Manager mit ihren Milliarden auch auf das Brexit-Votum - und wenn ja, dann auf die Seite, die sie auch politisch unterstützen? Harding hat mehrfach versichert, dass seine Spenden nichts mit den Handelspositionen von Winton zu tun haben. Damit dürfte er Recht haben, denn Hardings Fonds wird nicht von menschlichen Händlern gesteuert, sondern von Computern, die mit ausgefeilten Algorithmen rund um den Globus investieren und versuchen an den Märkten Trends aufzuspüren.

"Geld wieder vom Tisch genommen"

Bei einigen der Brexit-Fans sieht das anders aus. Der prominente Hedgefonds-Manager Crispin Odey hatte Mitte Mai nach Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters bei 16 britischen Unternehmen größere so genannten Shortpositionen aufgebaut, mit denen man auf Kursverluste wetten kann. Paul Marshall gehört ebenfalls zu den prominenten EU-Gegnern aus dem Hedgefonds-Lager. Der von ihm mitgegründete Fonds Marshall Wace brachte es laut Reuters zumindest auf 15 Shortpositionen.

Eine der simpelsten und populärsten Wetten auf einen Brexit war es, auf einen schwächeren Wechselkurs des Pfunds zu setzen. An den Daten der US-Terminmarktaufsicht CFTC lässt sich dieser Trend deutlich ablesen. In der ersten Juniwoche verdoppelten sich die Shortpositionen auf das Pfund auf über 66 000 Kontrakte. „Kurz vor der Abstimmung haben allerdings viele Hedgefonds wieder Geld vom Tisch genommen“, heißt es bei einer großen Bank.

Zu groß sei die Angst vor extremen Kursausschlägen rund um das Brexit-Votum, zu frisch ist die Erinnerung an den Januar 2015 als die Schweizer Notenbank völlig überraschend die Deckelung des Franken-Kurses aufgab. Damals wurden Hedgefonds gleich reihenweise auf dem falschen Fuß erwischt, einige wie der 830 Millionen Dollar schwere Global Fund von Everest Capital mussten sogar schließen. „Damals reichte eine einzige schlechte Währungswette, um sehr viel Geld zu verlieren, jetzt sieht es wieder so aus als wären die Risiken größer als die Chancen“, warnt ein Hedgefonds-Manager. Große Banken warnen bereits davor, dass einige Finanzprodukte nicht richtig gehandelt werden könnten in den Stunden rund um die Auszählung des Referendums.

Interessant wird es für viele Spekulanten erst wieder, wenn die Abstimmungsergebnisse wirklich auf dem Tisch liegen. Ein Nein zur EU würde nach Meinung von Luke Ellis, vom weltgrößten börsennotierten Hedgefonds Man Group die Wahrscheinlichkeit für ein Auseinanderbrechen der EU „exponentiell“ steigern. Sollten sich die Briten am Donnerstag tatsächlich für einen Ausstieg entscheiden, dann seien vor allem die Zweit- und Drittrundeneffekte für die Investoren interessant.

Aber dafür müssten sich die Briten erst einmal aus der EU verabschieden und darauf mögen zwar einige EU-skeptische Hedgefonds-Manager setzen. Die übrigen britischen Wetter halten das dagegen für ziemlich unwahrscheinlich. Beim Wettbüro Betfair liegen die Quoten für ein Ja zu EU derzeit bei 77 Prozent.

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