Helmut Kohl Staats- und Regierungschefs verabschieden sich in Straßburg

Berührende, auch persönliche Worte prägen die Trauerfeierlichkeiten für Helmut Kohl. Das Europaparlament ist ein passender Ort für den Abschied: Der deutsche Kanzler sei vor allem auch „ein europäischer Patriot“ gewesen.

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Helmut Kohl: Staats- und Regierungschefs verabschieden sich in Straßburg Quelle: AP

Mit einem historischen Trauerakt hat Europa Abschied von einem seiner bedeutendsten Staatsmänner genommen und dessen visionäres Vermächtnis gewürdigt. „Helmut Kohl war ein deutscher Patriot, aber auch ein europäischer Patriot“, sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Samstag im Europarlament von Straßburg. „Mit Helmut Kohl verlässt uns ein Nachkriegsgigant.“ EU-Ratspräsident Donald Tusk verband seine Würdigung des Altkanzlers vor dem in eine blaue Europaflagge gehüllten Sarg mit einem Appell an die heutigen Politiker des Kontinents, klare Botschaften zu senden: „Ein Ja für die Union, ein Ja für die Freiheit, ein Ja für die Menschenrechte.“ Kohl war am 16. Juni mit 87 Jahren in Ludwigshafen-Oggersheim gestorben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte Kohl einen großen Brückenbauer. „Er war ein den Menschen zugewandter Weltpolitiker“, sagte die CDU-Chefin. Jetzt müssten die nächsten Generationen sein Vermächtnis bewahren - den engagierten, unermüdlichen Einsatz für Frieden, Freiheit und Einheit. Merkel dankte dem Altkanzler auch persönlich: „Lieber Bundeskanzler Helmut Kohl, dass ich hier stehe, daran haben Sie entscheidenden Anteil. Danke für die Chancen, die Sie mir gegeben haben.“ Sie schilderte ihren Amtsvorgänger als Mann der absoluten Verlässlichkeit, Vertrauenswürdigkeit und unerschütterlichen Überzeugung - und auch als Politiker, an dem sich viele Menschen gerieben hätten und der Gegenargumente scharf abwehren konnte.

Auch Juncker erinnerte an Kohls Rolle als Kanzler der deutschen Wiedervereinigung und beim Zusammenwachsen Europas. Zwischen beiden Zielen habe es für ihn keinen Widerspruch gegeben. In „geduldigen Einzelgesprächen“ habe er die Skepsis in manchen europäischen Ländern gegen die deutsche Einigung abgebaut. „Er hat die Gunst der Stunde richtig eingeschätzt und genutzt.“ Ohne Kohl hätte es zudem den Euro nicht gegeben, sagte Juncker. „Für ihn war der Euro stets europäische Friedenspolitik mit anderen Mitteln.“

"Er war deutscher und europäischer Patriot"
EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani „Helmut Kohl war vor allem ein mutiger Mensch“, sagte Tajani, der beim europäischen Trauerakt am Samstag in Straßburg als erster Redner sprach. „Er war ein Kämpfer für die Freiheit und die Demokratie und einer der Protagonisten der Wiedervereinigung unseres Kontinents. Stets und überall verteidigte er die Würde des Menschen gegen Mauern, gegen eiserne Vorhänge und gegen totalitäre Regime.“ Mit den 16 Jahren seiner Kanzlerschaft habe er maßgeblich den Lauf der Geschichte beeinflusst, so Tajani. „Wir finden kein Kapitel der europäischen Integration, dem er nicht mutig seinen Stempel aufgedrückt hätte.“ Ihm selbst sei bei einer Begegnung 1994 klar geworden, „dass die Wiedervereinigung für Helmut Kohl nicht ein deutsches Europa, sondern vielmehr ein europäisches Deutschland bedeutete“, berichtete der Italiener. Quelle: REUTERS
EU-Kommissionschef Jean-Claude JunckerBeim Trauerakt hat sich Juncker mit sehr persönlichen Worten und tief bewegt von Altkanzler Helmut Kohl verabschiedet. Kohl habe ihn als „treuer Freund“ lange begleitet, sagte er am Samstag in Straßburg. „Mit Helmut Kohl verlässt uns ein Nachkriegsgigant.“ Juncker erinnerte an Kohls Rolle als Kanzler der deutschen Wiedervereinigung und beim Zusammenwachsen Europas. „Helmut Kohl war ein deutscher Patriot, aber auch ein europäischer Patriot“, so der Luxemburger. Zwischen beidem habe es für ihn keinen Widerspruch gegeben. In „geduldigen Einzelgesprächen“ habe er die Skepsis in manchen europäischen Ländern gegen die deutsche Einigung abgebaut. „Er hat die Gunst der Stunde richtig eingeschätzt und genutzt.“ Quelle: dpa
Französischer Präsident Emmanuel Macron„Helmut Kohl ist für alle Franzosen der Repräsentant eines Deutschlands, das versucht, aus Ruinen ein Ideal zu schaffen“, schrieb Macron am Samstagmorgen auf Facebook. „Das versucht, der Welt ein Projekt vorzuschlagen und damit die Verletzungen und Gräuel wiedergutzumachen. Auf dass sie weder verschwiegen noch vergessen werden.“ Er erinnerte daran, wie sich Kohl und der damalige französische Präsident François Mitterrand 1984 an den Weltkriegsgräbern von Verdun die Hände reichten. Quelle: dpa
EU-Ratspräsident Donald TuskDer Pole hat den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl als Wegbereiter der europäischen Einigung im Westen und Osten des lange geteilten Kontinents gewürdigt. „Seine Vision ging weit über die deutschen Grenzen und die deutschen Interessen hinaus“, sagte Tusk. Kohl habe sich zudem „große Verdienste beim Versöhnungswerk mit Polen“ erworben. Der Deutsche habe „verstanden, dass die ersten, die der Berliner Mauer Risse beigebracht haben, die Werftarbeiter von Danzig waren“, betonte der selbst aus Danzig stammende Pole Tusk mit Blick auf die Verdienste der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc für die demokratische Entwicklung Ost- und Mitteleuropas. Kohl habe in den 80er Jahren auch in Osteuropa wichtige Verbündete gefunden für seine Politik - Lech Walesa, Tadeusz Mazowiecki, Vaclav Havel und auch den polnischen Papst Johannes Paul II. Aus Warschau wiederum seien „die ersten Worte in Europa der Unterstützung für die Vereinigung Deutschlands“ gekommen. So seien Grundsteine für das heutige Europa gelegt worden. Quelle: REUTERS
Ex-US-Präsident Bill ClintonDer frühere US-Präsident Bill Clinton hat dem Altkanzler Helmut Kohl bei der Trauerfeier in Straßburg eine Liebeserklärung gemacht. Kohl habe in seiner politischen Zeit ganz große Fragen gestellt bekommen mit Verzweigungen in die Gegenwart, und wegen seiner Antworten seien die Vertreter so vieler Länder bei dem Trauerakt, sagte Clinton am Samstag im Europaparlament in Straßburg. „Ich habe ihn geliebt. Ich habe ihn sehr gemocht“, sagte Clinton. Kohl habe eine Welt gewollt, in der Zusammenarbeit als besser gilt als der Konflikt. „Er wollte eine Welt schaffen, in der niemand niemanden dominiert.“ Zum Schluss sagte Clinton: „Du hast das gut gemacht in deinem Leben. Und wir, die wir dabei sein durften, lieben dich dafür.“ Quelle: dpa
Bundeskanzlerin Angela Merkel"Helmut Kohl ging auf Menschen zu, er interessierte sich für sie," sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Rede in Straßburg. Quelle: dpa
Russlands Ministerpräsident Dmitri MedwedewMedwedew hat an die engen Beziehungen Helmut Kohls zu seinem Land erinnert. Für den Altkanzler sei Russland Bestandteil eines vereinten Europas gewesen, sagte Medwedew beim Europäischen Trauerakt am Samstag in Straßburg, wo er als Privatperson sprach. „Für ihn war das ein Teil eines gemeinsamen Hauses, ohne Stacheldraht“, sagte Medwedew laut Übersetzung aus dem Russischen. „Es war ein Traum von Frieden und Sicherheit für alle.“ Quelle: dpa

EU-Ratschef Tusk nannte Kohl einen Wegbereiter der europäischen Einigung sowohl im Westen als auch im Osten des lange geteilten Kontinents. „Seine Vision ging weit über die deutschen Grenzen und die deutschen Interessen hinaus.“ Der Deutsche habe „verstanden, dass die ersten, die der Berliner Mauer Risse beigebracht haben, die Werftarbeiter von Danzig waren“, betonte der selbst aus Danzig stammende Pole Tusk mit Blick auf die Verdienste der Gewerkschaft Solidarnosc für die demokratische Entwicklung Ost- und Mitteleuropas.

EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani hob Mut und Tatkraft Kohls hervor. „Er war ein Kämpfer für die Freiheit und die Demokratie und einer der Protagonisten der Wiedervereinigung unseres Kontinents. Stets und überall verteidigte er die Würde des Menschen gegen Mauern, gegen eiserne Vorhänge und gegen totalitäre Regime.“ Kohl habe maßgeblich den Lauf der Geschichte beeinflusst, so Tajani. „Wir finden kein Kapitel der europäischen Integration, dem er nicht mutig seinen Stempel aufgedrückt hätte.“

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