Was stört Sie so an den Anleihekäufen?
Zunächst beinhaltet das Programm die Bereitschaft, über die Notenbankbilanz massiv und im Grundsatz unlimitiert Insolvenzrisiken zwischen den Steuerzahlern einzelner Länder umzuverteilen. In einer Währungsunion mit 17 souveränen Mitgliedstaaten sollte das den demokratisch gewählten Parlamenten vorbehalten sein. Als Notenbank sollten wir außerdem ausreichenden Abstand von monetärer Staatsfinanzierung wahren. Schließlich kommt Moral Hazard hinzu, also dass der Reformeifer der Regierungen schwindet, wenn wir den Handlungsdruck durch unsere Maßnahmen reduzieren.
Wird die EZB die geldpolitischen Zügel wieder straffen – auch bei Risiken für die Finanzstabilität?
Unsere Hauptaufgabe ist es, für Preisstabilität zu sorgen. Wenn Inflationsrisiken zunehmen sollten, müssen wir handeln. Natürlich kann dies auf die Finanzstabilität zurückwirken. Wir beobachten, dass sich einige Staaten immer kurzfristiger finanzieren. Ihre Haushaltslage hängt dadurch enger an den aktuellen Kurzfristzinsen. Aber die Tatsache, dass die Finanzpolitik sich in diese Abhängigkeit begibt, kann nicht bedeuten, dass die Geldpolitik bei ihrer Hauptaufgabe Preisstabilität zurücksteckt.
Die wichtigsten Fragen für das Politik-Jahr 2013
Ganz im Gegenteil! Nicht nur die Euro-Länder, die gesamte Union rückt noch enger zusammen. In der Krise wächst der Zusammenhalt. Den großen Wurf, den die EU-Kommission propagiert, wird es aber 2013 ebenso wenig geben wie einen neuen Vertrag. Etwas Ruhe tut der Gemeinschaft an dieser Front gut.
Das wird eng. Dabei haben Eltern vom 1. August 2013 an einen Rechtsanspruch auf Betreuung für ihre ein- und zweijährigen Kinder. Das Statistische Bundesamt schätzt, dass derzeit aber bundesweit noch 220.000 Kita-Plätze fehlen – vor allem in westdeutschen Ländern. Für den Sommer rechnen viele Kommunen mit einer Klagewelle, weil Eltern einen Betreuungsplatz für ihre Kinder einfordern könnten.
Um etwa zwölf Prozent steigen die Strompreise bei den Energieunternehmen, die zum Jahreswechsel 2012/13 ihre Tarife hochsetzen. Teilweise liegt das an der steigenden Umlage für Erzeuger erneuerbarer Energie. Zugleich aber nehmen die Ausnahmen für die Industrie zu, deren Strompreis niedriger bleibt. Auch das zahlen Private mit. Ein ähnlich hoher Sprung ist zum Jahresende 2013 aber nicht absehbar.
Im Nahen Osten sprudelt die Prophetie wie das Erdöl, und meistens liegen die Propheten falsch. Dies lässt hoffen, weil derzeit die Weisen in Sachen Morgenland einhellig Katastrophen prognostizieren, von der iranischen Bombe bis hin zur ägyptischen Scharia-Finsternis. Aber wir wissen, dass es fast immer ganz anders kommt.
Moody’s hat zuletzt die Bonität der Euro-Rettungsfonds ESM/EFSF gesenkt, wegen der Schwäche Frankreichs. Ähnliches könnte auch Deutschland passieren – wenn es für kaputte Süd-Banken, ein malades Italien oder sogar für Frankreich in Haftung genommen wird. Dann wären auch wir unser Triple-A los.
China kann die deutsche Wirtschaft nicht retten. Dazu ist der Anteil an den deutschen Exporten von aktuell knapp sechs Prozent noch zu gering. Nach vorübergehender Schwäche wird die Wirtschaft in China 2013 wieder Fahrt aufnehmen, und die deutschen Exporteure profitieren, doch entscheidend für die Konjunktur ist dies nicht.
2013 werden die Preise langsamer steigen als im vergangenen Jahr. Die Inflationsrate für Deutschland und den Durchschnitt der Euro-Zone wird bei weniger als zwei Prozent liegen. Wegen der schlechten Wirtschaftslage und hohen Arbeitslosigkeit werden die Preise in Griechenland, Irland oder Portugal kaum noch wachsen.
In der Euro-Krise kann die Kanzlerin auf ihren Vertrauensvorsprung setzen. Energiepreise – das kostet sie Ansehen. Die SPD setzt auf soziale Gerechtigkeit (Mindestlohn, Vermögensteuer, Spitzensteuer) – das wird die Union kontern können.
Vorerst nicht. In Spanien und Griechenland sind gut 50 Prozent der unter 25-Jährigen ohne Job, in Portugal 35 Prozent, in Italien 31 Prozent. Doch Arbeitsplätze lassen sich nicht politisch verordnen, wie es der EU-Kommission vorschwebt, die eine Beschäftigungsgarantie für Junge durchsetzen will. Gegen die Misere helfen nur Bildung und Wachstum. Vor allem bei Letzterem sieht es 2013 im Süden düster aus.
Südostasien schwingt sich zur entscheidenden Wachstumshoffnung der Weltwirtschaft auf – auch weil aus der Asean-Gemeinschaft 2014 ein einheitlicher Wirtschaftsraum werden soll. Indonesien empfiehlt sich mit 240 Millionen Einwohnern und stabilem Wachstum von jahrelang sechs Prozent aufwärts als Alternative zu China. In Südamerika wird Mexiko zur Boom-Region, in Europa ist es die Türkei.
Stetige Deflation, ein riesiges Loch im Haushalt, ein gewaltiger Schuldenberg und das hohe Handelsdefizit schwächen Japans Wirtschaft. Die Bevölkerung altert und schrumpft. Sollte die neue Regierung wie geplant die Notenpresse stärker anwerfen und die Ausgaben noch mehr erhöhen, rückt im Falle eines exogenen Schocks ein Staatsbankrott in bedrohliche Nähe.
Das heißt im Klartext: Wenn die EZB die Zinsen erhöhen muss, um die Inflation zu bekämpfen, drückt sie die Staaten damit so stark ins Defizit, dass die Staatsschuldenkrise wieder von vorn beginnt.
Durch die Reformen sollte sich die Haushaltslage grundlegend verbessern. Und falls der Kapitalmarktzugang dennoch erschwert wäre, gäbe es mit dem ESM einen Rettungsmechanismus, der genau dafür geschaffen wurde. Grundsätzlich gilt aber, dass die Länder sich so aufstellen müssen, dass sie selbstständig mit der gemeinsamen Geldpolitik zurechtkommen. Wettbewerbsfähige Wirtschaftsstrukturen und solide Staatsfinanzen sind Voraussetzungen für eine stabile Währungsunion. Die Geldpolitik kann diese Voraussetzungen nicht schaffen. Damit wäre sie überfordert. Das war beim Einstieg in die Währungsunion völlig klar.
Ein Schiffskonvoi wird immer vom Langsamsten bestimmt.
Das Bild ist schief. Es geht nicht darum, dass alle gleich schnell fahren, sondern darum, dass jeder seetüchtig genug ist, um nicht beim nächsten Wetterumschwung in Seenot zu geraten – und dann nach der Zentralbank ruft, die ihn über Wasser halten soll. Es wird in der Währungsunion immer so sein, dass einige Volkswirtschaften sich dynamischer als andere entwickeln.
Aber es scheint, dass Deutschland noch recht flott fährt, die anderen aber immer weiter zurückfallen.
Im jetzigen Übergangszeitraum wird sich der Abstand erst weiter vergrößern, weil die Peripherieländer durch ihre Konsolidierungsmaßnahmen gebremst werden. Aber zum einen wird sich das auch wieder ändern – viele haben schon vergessen, dass vor einigen Jahren Deutschland noch das konjunkturelle Schlusslicht war. Und zum anderen ist Europa keine Insel. Wir konkurrieren mit der ganzen Welt. Also kann die Lösung nicht sein, das wettbewerbsfähigste Land zu bremsen. Um ein anderes Bild zu verwenden: Man sollte dem stärksten Spieler einer Mannschaft keinen Klotz ans Bein binden, damit es vermeintlich gerechter zugeht.