Italien Das Geschäft mit dem Strand

Baden im Meer kann in Italien teuer werden. Das gute Geschäft der Strandbadbetreiber beflügelt Schwarzbau und Korruption. Nun will die EU den Pächtern ihre Konzessionen abspenstig machen.

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Strandbad-in-Ostia Quelle: dpa

Hier muss es sein: Das Meer. Zu sehen ist es nicht. Betonmauern und Zäune versperren vielerorts in Italiens Badeorten die Sicht auf das ersehnte Nass. Badeanstalt reiht sich an Badeanstalt. Wer sich hier unter den Sonnenschirm legen will, muss zahlen.

An den offenen Stränden tobt ein Handtuch-Krieg um die besten Plätze: Medien zufolge beschlagnahmt dort die Küstenwache gnadenlos zur Reservierung ausgelegte Handtücher und Liegen. Für seinen „regulären“ Platz muss der Badegast also in die Tasche greifen.

Für einen Sonnenschirm mit zwei Liegen blättert man in einer Badeanstalt um die 25 Euro hin, es können auch mal 50 Euro sein. Die Pächter dagegen entrichten relativ geringe Beträge an den Staat, laut Berichten 50 Cent monatlich pro Quadratmeter. Dicht an dicht haben sie Hunderte Schirme in den Sand gerammt. Eine Konzession zum Gelddrucken.

Diese Nationen verreisen am meisten

Rund 30.000 Badeanstalten gibt es in Italien, Tendenz steigend. Viele Pächter bauten. Auch gerne mal schwarz. Luxuriöse Wohnungen für den eigenen Gebrauch. Restaurants, Kioske. Hotels. Seit langem kritisiert die Umweltorganisation Legeambiente die zunehmende Verbauung. Nach dem jüngsten Bericht, der sich unter anderem auf Satellitenaufnahmen stützt, sind von untersuchten 1800 Kilometern Küste mehr als 55 Prozent verbaut. Seit 1985 seien trotz gesetzlicher Beschränkungen 160 Kilometer zubetoniert worden. Irreversibel sei Natur zerstört worden.

In Ostia, dem Strand der als unregierbar geltenden Hauptstadt Rom, blühten Schwarzbau und Erpressung, Bestechung und Korruption. Immer wieder berichteten Zeitungen über Razzien und Beschlagnahmungen in mehrstelliger Millionenhöhe. Es gab Schießereien verfeindeter Familien, die um die Macht buhlen - auch um das Geschäft am Strand. Vor einem Jahr wurde die Verwaltung des zu Rom gehörigen Vororts aufgelöst und einem Kommissar unterstellt. Die Polizei griff durch. Strandbäder wurden geschlossen, die Betreiber mussten Strafen zahlen.

Das sind die Reisetrends für den Sommer 2016
Kein Urlaubsverzicht Die Wahl des Sommerurlaubsziels mag sich in diesem Jahr zwar verschieben, einen generellen Reiseverzicht hält die Leiterin von Travel & Logistics Germany bei GfK - Dörte Nordbeck -, jedoch aufgrund des guten Konsumklimas, der Beschäftigungslage und der Einkommenszuwächse für höchst unwahrscheinlich. Ihrer Meinung nach unterstreichen die Zuwächse bei mehrtägigen Urlaubsreisen und sonstigen Privatreisen von fast sechs Prozent "die Bedeutung, die Reisen und Urlaub bei den Deutschen genießen". Immerhin haben die Deutschen für Urlaubsreisen insgesamt mehr als 58 Milliarden Euro springen lassen.Quelle: GfK-Analyse zum Reiseverhalten der DeutschenStand: Ende Januar 2016Zur Studie: GfK hat die Buchungsdaten von rund 1200 Reisebüros und 19.000 Privathaushalten, die monatlich zu ihrem Reise- und Buchungsverhalten befragt wurden, ausgewertet. Aussagen im Text beziehen sich auf das abgelaufene Kalenderjahr 2015. Quelle: dpa
Verunsicherte UrlauberTerroranschläge, Kriege im Nahen Osten und die anhaltende Flüchtlingskrise in Europa haben Spuren hinterlassen. In der Tourismusindustrie äußern sich die Krisen in Form von Umsatzeinbrüchen. Viele deutsche Urlauber warten derzeit - wie es scheint - erst einmal ab, wie sich die Sicherheitslage und die anhaltenden Flüchtlingsströme im Mittelmeerraum entwickeln, bevor sie ihre Urlaubsentscheidung treffen. Insbesondere Familien, die mit Kindern verreisen, sind vorsichtig. Im Vergleich zum Vorjahr haben bisher fast eine Million Bundesbürger weniger ihren Sommerurlaub für 2016 gebucht. Besonders betroffen von den Einbußen ist der östliche Mittelmeerraum, wie eine aktuelle GfK-Analyse zum Reiseverhalten der Deutschen offenlegt. Quelle: dpa
Junge Erwachsene und Best Ager besonders reiselustigAuch die demographische Entwicklung spiegelt sich in den Reisetrends wider: Die Altersgruppe ab 50 Jahren steht bei Urlaubsreisen bereits für 55 Prozent der Gesamtausgaben. Besonders zugenommen hat die Reiselust bei jungen Erwachsenen im Alter von 20 bis 34 Jahren. In dieser Referenzgruppe lässt sich eine steigende Reiseintensität von 15 Prozent beobachten. Zudem ist die Zahl Alleinreisender überproportional stark gewachsen (plus 10 Prozent), ebenso die der Kleinfamilie mit einem Kind (plus 12 Prozent). Quelle: obs
Badeurlaub am beliebtestenSpitzenreiter bleibt - in Bezug auf die Urlaubsform - der Badeurlaub am Meer oder See mit einem Umsatzanteil von 35 Prozent. Auf Basis der Ausgaben folgen darauf Pauschalreisen, die knapp die Hälfte aller Urlaubsreisen ausmachen. Sehr gut entwickeln sich Bausteinreisen, bei denen Flug, Hotel und gegebenenfalls weitere Reisebausteine spontan zusammengestellt werden. Sie wachsen mit 18 Prozent überdurchschnittlich. Ebenfalls wachsender Beliebtheit erfreuen sich Rund- und Studienreisen, die einen Anteil von 20 Prozent ausmachen. Urlaub in den Bergen und Wellnessreisen haben dagegen leicht an Bedeutung verloren. Quelle: gms
NahzieleWas die Urlaubsziele betrifft, sind im Sommer 2016 - nicht zuletzt wegen des hohen Anteils bei der Eigenanreise mit dem Auto - Nahziele bei deutschen Urlaubern sehr beliebt: Laut GfK-Studie zum Reiseverhalten der Deutschen machen sogenannte "erdgebundene Reisen" einen Umsatzanteil von neun Prozent aus. Das entspricht einem Zuwachs von zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch einen Urlaub im eigenen Land ziehen viele Deutsche in Betracht: Unter den gebuchten Veranstalterreisen wächst der Deutschlandurlaub aktuell um 12 Prozent. Quelle: dpa
Kreuzfahrten12 Prozent des Umsatzes von Reisebüros geht auf von Deutschen gebuchte Kreuzfahrten für den Sommer 2016 zurück. Diese Reiseform konnte ein Umsatzplus von vier Prozent verzeichnen. Der Trend lässt vermuten, dass die Deutschen diese Reiseform für sicherer halten als andere. Quelle: obs
FernreisenMit einem Umsatzanteil von 14 Prozent sind Fernreisen neben Urlaub am westlichen und östlichen Mittelmeer in diesem Jahr die drittbeliebteste Reiseform. Allerdings zeichnet sich in Bezug auf die Reiseziele ein sehr durchwachsenes Bild ab: Mit den Trendzielen Kuba (Umsatzplus von 27 Prozent) und Dominikanische Republik erlebt die Karibik einen regelrechten Boom. Auch die afrikanischen Reiseländer – allen voran Südafrika und Namibia – erholen sich nach den Einbrüchen während des Ebola-Ausbruchs zunehmend (plus 12 Prozent). Starke Fernreiseziele wie die USA, die Malediven oder Thailand sind bei den deutschen Urlaubern jedoch weniger nachgefragt als noch vor einem Jahr. Mit Umsatzrückgängen zwischen 11 und 21 Prozent sorgen diese volumenstarken Fernreiseziele dafür, dass die Fernreisen insgesamt zum aktuellen Buchungsstand eine negative Entwicklung von -6 Prozent aufweisen. Quelle: obs

Jetzt sind die Bäder wieder geöffnet. Schließlich ist Hauptsaison. Das Geschäft brummt. Kaum ein Sonnenschirm ist am Wochenende noch frei. Versiegelte Einrichtungen zeugen jedoch von der Arbeit der Ermittler. Gelbes Flatterband mit der Aufschrift „Polizei“ sperrt einen Imbiss ab. Die Betreiber des zugehörigen Strandbads: nicht zu sprechen.

Freier Zugang gesetzlich festgeschrieben

Jetzt kommt auch noch eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) von Mitte Juli hinzu. Demnach ist die italienische Vergabepraxis für Strandbad-Konzessionen unrechtmäßig. Die Konzessionen wurden bisher einfach automatisch verlängert. „Eine solche von den italienischen Rechtsvorschriften vorgesehene Verlängerung verhindert eine neutrale und transparente Auswahl der Bewerber“, argumentierte der EuGH. Die Genehmigungen müssten regelmäßig ausgeschrieben werden - europaweit.

Wer am wenigsten Urlaub bekommt
Im Schnitt haben die Deutschen über alle Branchen und Positionen hinweg 27,4 Tage Urlaub im Jahr Quelle: dpa
Per Gesetz ist ein Mindesturlaubsanspruch von 20 Tagen geregelt. Quelle: dpa
25 Tage für Kellnerinnen, 26 Tage für Köche und Putzfrauen Quelle: dpa
24 bis 29 Tage - je nach Einkommen Quelle: dpa
26,5 Tage im Osten, 28 Tage im Süden Quelle: dpa
28 Tage für Metall- und Fahrzeugbauer Quelle: dpa
28,5 Tage für Ver- und Entsorger Quelle: dpa

Die Strandbadbetreiber sind sauer. Schließlich hätten sie gehörig investiert. „Wir lassen unsere Strände nicht globalisieren“, lautet die Parole. Am Ende übernähmen das ureigene italienische Geschäft Norweger, Franzosen oder gar Chinesen, die in Italien längst viele Läden betreiben und Fußballclubs und Reifenhersteller kaufen.

„Sollen uns Chinesen zeigen, wie man ein Strandbad betreibt? Das kann es nicht sein“, erbost sich Luigi. „Das ist italienische Tradition.“ Seinen Nachnamen will Luigi nicht nennen, er ist der Lebensgefährte der Betreiberin, die nicht zu sprechen ist.

Längst nicht zum ersten Mal gibt es Stress am Strand. Oft wurde im Strandbad auch derjenige abkassiert, der nur ans Meer wollte - ohne Sonnenschirm und Liege. Dabei ist der freie Zugang zum Wasser wenigstens auf einem schmalen Streifen gesetzlich festgeschrieben.

In Ostia kontrolliert die Polizei das inzwischen streng. Die Betreiber haben sich gefügt. Der Zugang zum Wasser sei ausdrücklich frei, ist auf Italienisch, Englisch und Deutsch an einem kürzlich zeitweise von den Behörden geschlossenen Strandbad zu lesen. Ein fünf Meter breiter Streifen zum Meer müsse frei gehalten werden.

Die Badegäste bekommen von all dem wenig mit. Ja, die Mafia sei aktiv, heißt es in Ostia. Aber, sagt Badegast Teresa della Vecchia, und so sehen es viele, die aus der Hauptstadt nach Ostia strömen: „Es war immer gut hier. Und es ist weiter gut.“

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