Die Märkte haben mit einer Reaktion auf die jüngsten Nachrichten aus Italien nicht auf sich warten lassen. Nach der Rücktrittsankündigung des italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti vom Samstag sind die europäischen Börsen am Montag mit Verlusten in die Handelswoche gestartet.
So unverhofft und überraschend dürften die Neuigkeiten aus dem Krisenland Italien im Rückblick nicht gewesen sein. Dass der Regierungschef Mario Monti zurücktreten würde, hätte man bereits vergangene Woche ahnen können. Berlusconis Partei "Volk der Freiheit" (PDL) hatte da schon bei mehreren Abstimmungen aus Protest gegen die Wirtschaftspolitik Montis das Parlament verlassen. Die politische Instabilität drückte sich an den Märkten aus, wo die Renditen für zehnjährige italienische Staatsanleihen zuletzt gestiegen waren.
Nun steht Silvio Berlusconis mit seiner PDL wieder in den Startlöchern. Der Medientycoon und Unternehmer, der im Zuge der verschärften Krise vergangenes Jahr zurücktrat, möchte noch einmal Verantwortung für Italien übernehmen – und zwar zum fünften Mal als Ministerpräsident. Dabei hatte der skandalumwitterte Unternehmer zunächst eine Teilnahme an den Wahlen 2013 ausgeschlossen. Doch jetzt heißt es: "Ich kehre nicht zurück, um ein gutes Ergebnis zu erzielen" sagte Berlusconi am Sonntag, "sondern um zu gewinnen".
Welche Reformen Monti in Italien angepackt hat
Die Regierung hat eine Schuldenbremse auf den Weg gebracht. Ab 2014 soll sie für ausgeglichene Haushalte sorgen. Um das zu schaffen, wurde ein Sparpaket geschnürt. Es soll bis 2014 insgesamt rund 26 Milliarden Euro bringen.
Um den Haushalt zu sanieren, will der Staat mehr Geld eintreiben. Die Mehrwertsteuer wurde bereits von 20 auf 21 Prozent angehoben. 2013 soll sie auf 23 Prozent hochgeschraubt werden. Zahlreiche Steuererleichterungen wurden abgeschafft, während mit Obergrenzen für Bartransaktionen die Steuerflucht bekämpft werden soll. Besitzer von Jachten, Privatflugzeugen und Autos mit großem Hubraum müssen eine Luxussteuer entrichten. Wer mehr als 300.000 Euro im Jahr verdient, muss eine Solidaritätsabgabe von drei Prozent leisten. Auch die Immobiliensteuer wurde wieder eingeführt, die allein fast zehn Milliarden Euro in die Staatskasse spülen soll. Privatisierungen sollen 15 Milliarden Euro erlösen - etwa der Verkauf von Flughäfen, Netzbetreibern, Rückversicherungs- und Infrastrukturgesellschaften sowie Staatsimmobilien.
Allein durch die Kürzung von Urlaubstagen und Urlaubsgeld sowie bei Essensgutscheinen sollen im öffentlichen Dienst rund sieben Milliarden Euro gespart werden. Dort soll jede fünfte Leitungsstelle und jede zehnte in den unteren Gehaltsgruppen wegfallen. Der Rotstift regiert auch im Gesundheitswesen und bei Zivilgerichten. Regierungschef Monti leistet ebenfalls einen kleinen Beitrag: Er verzichtet auf sein Gehalt.
Um die chronisch schwache Konjunktur anzukurbeln, hat die Monti-Regierung zahlreiche Arbeitsmarktreformen in Angriff genommen. Festangestellte in privaten Unternehmen können leichter gekündigt werden. Das Klageverfahren auf Kündigungsschutz wurde verkürzt, Abfindungen gedeckelt. Unternehmen können neue Mitarbeiter ohne Angabe von Gründen befristet einstellen. Liberalisiert wird auch der Einzelhandel, wo es längere Ladenöffnungszeiten gibt. Kommunale Dienstleister erhalten weniger Rechte, um die Konkurrenz mit privaten Anbietern zu erhöhen. Zudem müssen die Italiener künftig länger arbeiten: Männer bis 66 Jahre, Frauen ab 2018 ebenfalls. Die Frühverrentung wird eingeschränkt.
Die Staatsfinanzen sehen nicht so schlecht aus, wie die hohen Risikoaufschläge für italienische Anleihen vermuten lassen: Der sogenannte Primärhaushalt - bei dem Zinszahlungen ausgeklammert werden - weißt einen Überschuss aus. Nach Prognose der EU-Kommission wird die Neuverschuldung sowohl 2013 als auch 2014 unter der in den EU-Verträgen festgelegten Drei-Prozent-Hürde liegen. Außerdem exportiert das Land inzwischen wieder mehr als es importiert. Der Überschuss in der Handelsbilanz lag im von Januar bis September bei 4,1 Milliarden Euro, während sie ein Jahr zuvor noch ein Defizit von 23,1 Milliarden Euro auswies. Der Außenhandel dämpft damit den Abschwung, der auf die wegen zahlreicher Steuererhöhungen schwächelnde Binnennachfrage zurückgeht.
Seine Anhänger dürfte das freuen. Sie waren es, die den ehemaligen Bunga-Bunga-Premier nach eigenen Angaben darum gebeten hatten, das Ruder wieder zu übernehmen. Doch für alle anderen ist es eine wahrhaftig beunruhigend Nachricht: Der Mann, der das Land in die Krise führte, droht, an die Spitze zurückzukehren.
Die Folgen liegen auf der Hand. Bereits am Wochenende hatten Finanzanalysten eine Verteuerung der Kreditaufnahme Italiens prognostiziert. Größtes Risiko sei es, dass Berlusconi die Unzufriedenheit über die Strukturreformen nun für sich nutzen könne, hieß es. "Ein Comeback Berlusconis wäre eine Katastrophe für Italiens Finanzen und die Realwirtschaft", sagte ein Banker, der anonym bleiben wollte, der Nachrichtenagentur Reuters. Nicholas Spiro von Spiro Sovereign Strategy sagte, die größte innenpolitische Bedrohung stelle der Populismus dar. Eine Rückkehr Berlusconis, sei "für Italien so überflüssig wie ein Kropf". Berlusconis Griff zum Populismus sind nicht unbekannt. Als wollte er diese Befürchtungen erneut bestätigen, schimpfte er am Sonntag gegen die "von Deutschland dominierte Eurozone".
Die Hoffnungen ruhen auf die Demokratische Partei
Für diese dürfte eine Wiederwahl Berlusconis verheerende Folgen haben. Die Nachrichten aus Italien haben "ein weiteres Element der Unsicherheit in den europäischen Mahlstrom geworfen", schrieb der leitende Marktanalyst des Finanzdienstleisters CMC Markets, Michael Hewson, am Montag in einer E-Mail. Italien dürfte wieder in den Sog der Finanzmärkte geraten, sollte Berlusconi in Rom wieder ins Amt gewählt werden.
Gerade jetzt, wo das Land auf dem Weg der Besserung war. Der IWF hatte den Struktur- und Fiskalreformen unter Ägide des Ministerpräsidenten Mario Monti einen positiven Start bescheinigt. Monti setzte mit einer breiten Koalition mehrerer Parteien, unter anderem PDL, Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen durch, um die Schuldenlast des Landes zu senken. Zugleich initiierte er eine Reihe von Reformen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu steigern. Anders als Spanien schielte das Land nicht auf die Gelder des Rettungsschirms ESM.
So verschuldet sind die Euro-Länder
Das am höchsten verschuldete Land der Euro-Zone ist - wer hätte es gedacht - Griechenland. Bei satten 160,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) lag die Schuldenquote des Mittelmeerlandes im ersten Quartal 2013, wie die Statistikbehörde Destatis mitteilt. Ein kleiner Lichtblick: Immerhin haben es die Griechen in den vergangenen Jahren geschafft, ihr extrem hohes Haushaltsdefizit zu drücken: Nahm die Regierung 2009 noch neue Kredite in Höhe von 15,6 Prozent des BIP auf, hat sich die Defizitquote im Jahr 2012 - nicht zuletzt dank europäischer Hilfe - auf neun Prozent des BIP verringert.
Auf Platz zwei der am meisten verschuldeten Euro-Länder landet Italien. Mit 130,3 Prozent des BIP stehen die Italiener laut Destatis in der Kreide. Die Märkte bestrafen das mit höheren Zinsen. Mit einem harten Sparkurs steuert Rom dem entgegen.
Genau wie Griechenland musste sich auch Portugal unter den Rettungsschirm flüchten. Das Land ächzt unter einer Schuldenquote von 127,2 Prozent der BIP.
Irland hatte vor allem unter der Bankenkrise zu leiden. Weil das kleine Land seine Banken stützen musste, hat es einen Bruttoschuldenstand von 125,1 Prozent des BIP. Auch das Haushaltsdefizit des früheren keltischen Tigers war in der Folge beängstigend hoch und lag 2010 bei 31 Prozent des BIP. Inzwischen konnte die Regierung das Defizit auf 8,2 Prozent senken. Grund dafür ist unter anderem eine andere Buchung von UMTS-Mobilfunklizenzverkäufen. Irland will Ende des Jahres aus seinem Hilfsprogramm aussteigen.
Auch Belgiens Schuldenquote hat mit 104,5 Prozent vom BIP eine kritische Höhe erreicht. Beim Haushaltsdefizit hingegen sehen die Belgier inzwischen wieder ganz gut aus: Nach satten 10,2 Prozent im Jahr 2009 werden sie die in den Maastricht-Kriterien festgelegte Defizitquote von drei Prozent in diesem Jahr einhalten.
Deutschlands Nachbarland Frankreich hat eine Verschuldungsquote von 91,9 Prozent des BIP. Ökonomen halten diese Schuldenlast für gerade noch tragbar, die Maastricht-Kriterien hingegen verletzen die Franzosen deutlich: Sie sehen eine Quote von höchstens 60 Prozent vor.
Das vorletzte Land, das Schutz unter dem Euro-Rettungsschirm suchte, war Spanien. Dabei ist die Bruttoschuldenquote der Iberer gar nicht so hoch: mit 88,2 Prozent liegt sie unter der von Deutschland.
Auch Zypern ist unter den Rettungsschirm geschlüpft - als bislang letztes Euro-Land. Den Inselstaat drückt eine Schuldenquote von 86,9 Prozent des BIP.
Auch Deutschland, das sich gerne als Musterschüler der Euro-Zone sieht, drückt eine hohe Schuldenlast: 81,2 Prozent beträgt die Bruttoschuldenquote im Jahr 2012 - zu hoch für Maastricht.
Die Mittelmeerinsel Malta weist eine Bruttoverschuldungsquote von 75,4 Prozent des BIP auf. Im europäischen Vergleich reicht das für Platz zehn.
Deutschlands südlicher Nachbar Österreich weist eine Verschuldungsquote von 74,2 Prozent des BIP auf - Platz elf in Europa. Auch das Haushaltsdefizitdefizit der Alpenrepublik ist mit aktuell drei Prozent vom BIP vergleichsweise gering. Im Jahr 2011 hatte es mit 2,6 Prozent sogar noch niedriger gelegen.
Die Niederlande gelten ähnlich wie Deutschland als Verfechter einer strengen Haushaltspolitik. Das macht sich bemerkbar: Die Verschuldungsquote liegt bei nur 72 Prozent vom BIP.
Auch die Slowakei weist eine niedrige Gesamtverschuldung auf: Die Bruttoverschuldungsquote liegt bei 54,9 Prozent des BIP. In den vergangen Jahren allerdings hatten die Slowaken zunehmend Probleme: Bei acht Prozent des BIP lag das Haushaltsdefizit im Jahr 2009, in diesem Jahr werden es laut Eurostat-Prognose 4,7 Prozent sein.
Ein Musterbeispiel für solide Haushaltsführung ist Finnland: Die Bruttoverschuldungsquote der Skandinavier liegt bei 54,8 Prozent und bewegt sich damit locker in dem Rahmen, den der Maastricht-Vertrag vorgibt. Auch die Haushaltszahlen können sich sehen lassen: In den vergangenen vier Jahren lag Finnlands Defizit nie über der Drei-Prozent-Marke. Im Jahr 2012 werden es nach Prognose von Eurostat gerade einmal 0,7 Prozent sein.
Sloweniens Verschuldungsquote liegt im ersten Quartal 2013 bei 54,5 Prozent des BIP erfüllt damit die Maastricht-Kriterien. Schlechter sieht es bei den Haushaltszahlen aus: Nach einen Defizit in Höhe von 6,4 Prozent des BIP im Jahr 2011 steuert die Regierung in diesem Jahr auf 4,3 Prozent zu. Die Gesamtverschuldung steigt also.
Geldsorgen sind in Luxemburg ein Fremdwort. Die Verschuldungsquote des Großherzogtums liegt bei niedrigen 22,4 Prozent. Der Regierung gelingt es in den meisten Jahren auch, mit den eingenommenen Steuermitteln auszukommen. In den vergangenen drei Jahren lag das Haushaltsdefizit stets unter einem Prozent des BIP. Die anvisierten 1,8 Prozent in diesem Jahr sind da schon ein Ausreißer nach oben.
Hätten Sie es gewusst? Der absolute Haushalts-Musterschüler der Euro-Zone ist Estland. Das baltische Land hat eine Gesamtverschuldung, die bei extrem niedrigen 10 Prozent des BIP liegt - ein echter Spitzenwert. 2010 und 2011 gelang es der Regierung sogar, einen kleinen Haushaltsüberschuss zu erwirtschaften. In diesem Jahr läuft es etwas schlechter: Voraussichtlich wird die Regierung Kredite in Höhe von 2,4 Prozent des BIP aufnehmen. Die Maastricht-Kriterien halten die Esten damit aber immer noch locker ein.
Das Land befindet sich mitten in der Rezession
"Italien hat im vergangenen Jahr wichtige Reformen angeschoben. Das haben die Märkte bislang honoriert", sagte zudem der Chef der Euro-Rettungsfonds ESM und EFSF, Klaus Regling, sagte der "Süddeutschen Zeitung" in ihrer Montagsausgabe. Gleichzeitig warnte Regling: Für Italien wie für die gesamte Währungsunion sei es wichtig, dass der Reformprozess fortgesetzt werde. Auch der EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen mahnten ein Tag nach der Rücktrittsankündigung, das hoch verschuldete Land dürfe nicht von seinen Reformen abrücken. Und eine Sprecherin von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte am Montag: "Wir gehen davon aus, dass Italien seinen europäischen Verpflichtungen, wie sie verabredet sind, weiter voll entsprechen wird und den eingeschlagenen Reformkurs auch fortsetzen wird."
Italien befindet sich mitten in der Rezession. Vergangenes Quartal, ließ das europäische Statistikamt am Nikolaustag wissen, war das Wirtschaftswachstum des Mittelmeerlandes im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,4 Prozent geschrumpft. Und es ist kein Ende in Sicht: Die Industrieproduktion schrumpfte im Oktober zum Vormonat saisonbereinigt um 1,1 Prozent und damit stärker als von Volkswirten erwartet, teilte das Nationale Statistikamt Istat am Montag mit.
Weitere Reformen standen noch auf der Agenda der Regierung Monti. Allen voran der Umbau des Staates wollte der Monti weiter vorantreiben: die Wahlrechtsreform, die Neuordnung der territorialen Verwaltungseinheiten oder auch der weitere Kampf gegen die Steuerhinterziehung. Doch daraus dürfte in den nächsten Wochen nichts mehr werden.
Stattdessen droht der Populismus zurückzukehren. Monti warnte daher bereits bei seinem Rücktritt: "Der Populismus versteckt die Probleme vor den Wählern. Es ist notwendig, dass Italien nicht erneut der Lage verfällt, in die sich das Land vor Antritt dieser Regierung befand. Damals drohte Italien die gesamte Euro-Zone in Stück zu reißen." Einzige Hoffnung: Laut jüngsten Umfragen bekäme die Berlusconi Partei lediglich 15 bis 16 Prozent der Wählerstimmen. Die sozialdemokratische Partei unter ihrem Chef Luigi Bersani würde dagegen zurzeit mit 30 Prozent der Wählerstimme die stärkste Kraft werden. Einmal im Amt möchte Bersani an Montis Budgetzielen festhalten.