Italien Nur auf den ersten Blick erfolgreich

Der italienische Regierungschef Mario Monti schafft Vertrauen – doch die versprochenen Arbeitsmarktreformen sind ausgeblieben.

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Die Bewohner Italiens vertrauen in die Regierung Montis. Quelle: dapd

Italiens neuer Regierungschef Mario Monti macht vieles anders als sein Vorgänger. Silvio Berlusconis gepanzerten Audi ersetzte der neue Premier durch einen älteren Lancia. Stillschweigend bezog er die von seinem Vorgänger verschmähte Dienstwohnung im Palazzo Chigi. Und er verzichtet auf sein Gehalt als Ministerpräsident.

Einen Rat nahm Monti von Berlusconi allerdings an. Der politisch erfahrene Ex legte Monti nahe, sein Sparpaket in Verbindung mit einer Vertrauensabstimmung durch das Parlament zu bringen. Das wird vermutlich klappen.

Gewinner und Verlierer des neuen Europas
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Die Märkte haben auf die Reformbeschlüsse mit Zustimmung reagiert. Die Börse in Mailand legte in den ersten Dezembertagen rund zehn Prozent zu. Der Zinsaufschlag für italienische Staatspapiere gegenüber zehnjährigen deutschen Bundesanleihen ist unter 400 Punkte gesunken. Mit ihrem ungewohnt nüchternen Stil stößt die Regierung auch in der Bevölkerung auf Sympathie. In der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Ipsos bekundeten 70 Prozent aller Italiener Vertrauen in die Regierung Monti. Es ist ein Vorschuss auf kommende Erfolge.

Ausgeglichener Haushalt bis 2013

Knapp vier Wochen haben Monti und seine 18 Mitstreiter im Kabinett gebraucht, um die Stimmung im Land zu drehen. Dabei muten sie ihren Bürgern einiges zu. Sie haben die Rentner zur Kasse gebeten, die Lebensarbeitszeit verlängert und Steuern erhöht. Bis 2013 hat Monti der EU einen ausgeglichenen Haushalt versprochen. Dennoch fragen sich die Oppositionspartei Lega Nord und deren einstiger Innenminister Roberto Maroni, ob Regierungschef Monti bereits an seine Grenzen gelangt sei? Immerhin kann er in wenigen Wochen nicht das nachholen, was Vorgänger Berlusconi in drei Jahren versäumt hat. Und sein weiterer Erfolg währt nur so lange, wie die großen Parteien bereit sind, Montis unpopulären Sparkurs zu unterstützen.

Selbst Arbeitsministerin Elsa Fornero brach bei der Vorstellung der Rentenreform in Tränen aus. Dabei wird es nicht bleiben, vielmehr dürfte der Widerstand im Land zunehmen, sobald die harten Maßnahmen umgesetzt werden. Die Gewerkschaften jedenfalls reagierten schon wie eh und je, bezeichneten die Reformen als „sozial komplett unverträglich“ und beschlossen noch vor Weihnachten Streiks.

Unvollkommenes Sparpaket

„Die derzeitigen Flitterwochen zwischen Monti und den Parteien könnten bald beendet sein“, befürchtet daher die liberale Turiner Tageszeitung „La Stampa“. Käme es so, dann wäre auch das gerade aufkeimende Vertrauen der Märkte dahin, das Bemühen um ein Ende der Euro-Krise würde einen schweren Rückschlag erleiden.

Ohnehin löst das verkündete Sparpaket nur einen Teil der Probleme. „Man hätte mehr tun können“, sagt Vincenzo Visco, ehemaliger Finanzminister der Regierung Romano Prodi und Giuliano Amato (1998–2001) und Vizefinanzminister von 2006 bis 2008.

Härtere Strafen

Der frühere Mailänder Bankchef Corrado Passera gilt als Mann der Zukunft für Italien. Quelle: REUTERS

Ausgeblieben sind vor allem die versprochenen Arbeitsmarktreformen, die für mehr Beschäftigung sorgen sollen. Ein Abbau von Regulierungen könnte der Wirtschaft zu neuem Elan verhelfen und eine nachhaltige Schuldensenkung erfordert weitere Privatisierungen. Auch der bisherige Abbau von Privilegien der politischen Klasse hat bislang rein symbolische Bedeutung.

Ökonomen kritisieren, das Schwergewicht der Maßnahmen liege auf der Einnahmenseite, während die Regierung Ausgabenkürzungen weitgehend vermieden habe. Von den insgesamt 34 Milliarden Euro entfallen 17 Milliarden Euro auf Mehreinnahmen. Dabei müsste der Regierungschef auf der ganzen Reformklaviatur spielen, um Italien aus der schwierigsten Krise der Nachkriegszeit zu verhelfen. Dazu kommt: „Im Bereich der Steuerhinterziehung und der Kapitalflucht hätte man mehr machen müssen“, bemängelt der frühere Finanzminister Visco.

Nur durch eine Neuausrichtung auf einen homogenen Kern kann der Euro überleben. Mit wem könnte Deutschland eine stabile Währungsunion gründen?

Steuersünder und Kapitalflüchtlinge gehen jedoch weiter ungestraft aus. Sollte sich aber die weit verbreitete Steuerhinterziehung und die Flucht der institutionellen Investoren aus italienischen Banken und Staatsanleihen weiter fortsetzen, dürfte auch das gerade beschlossene Sparprogramm nicht reichen, um Italien aus der Schuldensklaverei zu befreien.

Kein Schuldenabbau ohne Wirtschaftswachstum

Denn Italiens eigentliches Problem ist aber weniger das Haushaltsdefizit, als vielmehr das chronisch schwache Wirtschaftswachstum. Gelingt es der Regierung nicht, die Wirtschaft anzukurbeln, sind die Chancen eines effizienten Schuldenabbaus gering. Italien gerät 2012 in die Rezession. Das BIP soll sich um 0,5 Prozent verringern. Dabei nannte der ehemalige Gouverneur der Banca d’Italia und derzeitige EZB-Präsident Mario Draghi ein Wachstum von mindestens zwei Prozent des BIPs als dringend notwendig, um einen effizienten Schuldenabbau durchzuführen. Davon aber ist Italien weit entfernt.

Jüngst erlassene Maßnahmen, wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer um zwei Punkte auf 23 Prozent ab Herbst 2012, die Einführung der Immobiliensteuer sowie die reale Verringerung der Renten werden den privaten Konsum ohnehin negativ beeinflussen. Das droht nach Ansicht des Wirtschaftsprofessors der Bocconi Universität, Francesco Giavazzi, die Rezession zu verschärfen.

Mann der Zukunft

Die Hoffnungen konzentrieren sich nun auf den neuen Superminister Corrado Passera, im Kabinett Monti verantwortlich für wirtschaftliche Entwicklung und Infrastruktur. Es ist kein Zufall, dass die Wahl von Regierungschef Mario Monti für das Schlüsselamt in seiner Regierung auf den 57-Jährigen fiel. Denn während Monti bestätigte, dass er keineswegs in der Politik verbleiben werde, gilt der frühere Mailänder Bankchef als Mann der Zukunft. Gestützt von den Zentrumsparteien, von der Kirche und auch von einem Großteil der derzeit stärksten Partei Italiens, der PD, traut man dem bislang parteilosen Passera eine politische Karriere zu.

Hoffnungsträger Corrado Passera

Den ersten Erfolg kann Superminister Corrado Passera beim Autokonzern Fiat erlangen Quelle: ASSOCIATED PRESS

Sowohl von der Regierung Prodi als auch von Berlusconi war der Finanzfachmann in den vergangenen Jahren als Wunschkandidat für das Amt des Wirtschaftsministers hofiert worden. Vor drei Jahren, als der damalige Wirtschaftsminister Giulio Tremonti den italienischen Banken Staatshilfe in Form von Tremonti-Bonds anbot, lehnte Passera als Chef der zweitgrößten Bank Italiens, Intesa Sanpaolo, die Hilfe ab. Die Begründung lautete, die Bank wolle jeglichen staatlichen Einfluss auf ihre Geschäfte verhindern.

Die Karriere des in Como geborenen Passera zeigte seit je steil aufwärts. Sein Wirtschaftsstudium an der Mailänder Elite-Universität Bocconi schloss er mit der höchsten Bewertung „Summa cum laude“ ab. Nach dem Universitätsstudium ging er in die USA, wo er an der Wharton School in Pennsylvania seinen MBA machte. Ähnlich wie die meisten Mailänder Erfolgsmanager war er daraufhin einige Jahre bei McKinsey in Mailand tätig.

Aufmerksam wurde man auf Passera, als ihm bei der Poste Italiane ein Meisterstück gelang. Innerhalb von vier Jahren modernisierte er den verstaubten und hochdefizitären Staatskonzern und brachte ihn aus den roten Zahlen. Im Jahr 2002 wurde Passera Chef der Banca Intesa. Er leitete die Fusion mit der Turiner Großbank Sanpaolo ein. Und selbst im Krisenjahr 2011 schaffte es Passera, dass Intesa positive Quartalsergebnisse schrieb. Mit viel Geschick und Ausdauer ist es ihm gelungen, Banca Intesa nicht nur zu einer der bedeutendsten Banken Italiens zu machen, sondern auch als Kulturmäzen und Sanierer konkursreifer Firmen – wie etwa der Alitalia – dem Land wichtige Dienste zu erweisen.

Kampf um internationale Investoren und Gewerkschaften

Dem Supermanager obliegt es nun, eine effiziente Industriepolitik auf den Weg zu bringen und die leistungsschwache Infrastruktur zu modernisieren. Italiens Unternehmen hatten bislang weder auf die Unterstützung des Staates bei ihrer Exportstrategie noch auf Investitionsanreize hoffen können.

Einen kleinen Schritt in diese Richtung hat er bereits mit der kürzlich bekannt gegebenen Liberalisierung im Handelsbereich und bei Apotheken gemacht. Die Geschäfte können künftig selbst über die Ladenöffnungszeiten bestimmen, und eine Reihe von Arzneimitteln darf neuerdings auch in Supermärkten verkauft werden. Auch wurden steuerliche Erleichterungen für jene Unternehmen angekündigt, die ihre Gewinne in eigene Betriebe investieren und junge Arbeitnehmer beschäftigen. Darüber hinaus hat er trotz des neuen Sparpakets bereits mehrere Milliarden Euro für Infrastrukturen bereitgestellt. Weitere wachstums- und wettbewerbsfördernde Maßnahmen hat er für die kommenden Wochen angekündigt.

Sollte es Passera gelingen, Italiens Wirtschaft vorzeitig aus der Rezession zu holen, dann sind auch die Chancen für einen Schuldenabbau günstig. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Gewerkschaften stillhalten und die internationalen Investoren ihr Vertrauen in Italien zurückgewinnen und investieren. Einen ersten Erfolg kann der Minister bereits verbuchen: Er hat einen Bruch zwischen Fiat und den Gewerkschaften verhindert, indem er den Turiner Autokonzern bei der Stilllegung des Werkes von Termini Imerese auf Sizilien davon überzeugte, für 640 freigesetzte Arbeitnehmer Übergangszahlungen bis zu ihrem Renteneintritt zu bezahlen. Zwei Jahre lang waren die Verhandlungen blockiert gewesen, in wenigen Tagen gelang es dem Superminister, eine Einigung zu erzielen.

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