Italien Nach dem "No" flieht das Kapital aus Italien

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"Verdeckten Kapitalflucht"

Auch der Makroökonom Philipp König vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält das Narrativ der EZB für den Anstieg der Target-Salden im Falle Italien für nicht ganz zutreffend und spricht von einer „verdeckten Kapitalflucht“.

Ganz gleich ob der Anstieg der Target-Salden als Kapitalflucht zu bewerten ist oder nicht, der Haftungsanteil, den Deutschland beziehungsweise die Bundesbank im Falle eines sehr unwahrscheinlichen aber nicht unmöglichen Auseinanderbrechens des Euros zu tragen hätte, wäre deutlich höher als noch vor zwei Jahren. Denn die positiven Target-Salden der Bundesbank stellen eine Forderung dar und werden auf der Aktiv-Seite der Zentralbankbilanz verbucht.

Wer die potentiellen Verluste im Falle Euro-Austritts Italiens zu tragen hätte, ist nicht genau geregelt. „Wir wissen einfach nicht, was in einem solchen Falle passiert, da die Währungsunion als endgültig angelegt wurde. Wie die Geschichte der Staatsschuldenkrise zeigt, sind die letztendlichen Verluste Sache von Verhandlungen zwischen den Regierungen,“ sagt Philipp König weiter.

Ergebnisse einer weltweiten Expertenumfrage des ifo Instituts zeigen zudem: Die Chancen einer Verlustbeteiligung der Eurozone sind gestiegen. Die Umfrage misst die Wahrscheinlichkeit eines sogenannten bevorzugten Gläubigerstatus. Dieser Sonderstatus wird Institutionen wie dem Internationalen Währungsfond (IWF) gewährt und stellt sicher, dass im Falle einer Insolvenz die Forderungen des Gläubigers als erstes bedient werden. Frank Westermann und Sven Steinkamp, die gemeinsam die Ergebnisse ausgewertet haben, stellten fest, dass nur 39,8 Prozent der Befragten einen bevorzugten Gläubigerstatus für die Target-Salden erwarten. 2013 waren es immerhin noch 42,3 Prozent. Wohingegen sich die Werte für Ansprüche des IWF um 0,7 Prozentpunkte auf 70,6 Prozent im gleichen Zeitraum erhöht haben.

Sollte es tatsächlich zu Abschreibungen auf die Target-Forderungen kommen, könnten die Verluste anteilig am Kapitalschlüssels der EZB durch die nationalen Notenbanken getragen werden. Für die Bundesbank wäre das ein Anteil von mindestens einem Viertel. Allerdings steht sie mit einem Eigenkapital inklusive Reserven und Neubewertungen mit rund 133 Milliarden Euro sehr gut da.

Überstiegen die Verluste das Eigenkapital, wären die Regierungen allerdings nicht zu einer Rekapitalisierung der Zentralbanken verpflichtet. „In Ländern des Euro-Währungsgebietes sind die Regierungen gegenüber der Zentralbank nicht nachschusspflichtig“, sagt Frank Westermann. Anders als bei normalen Banken wären die Notenbanken dann auch nicht pleite, sondern würden wahrscheinlich ein sogenanntes negatives Eigenkapital ausweisen. Damit ist gemeint, dass die Zentralbanken einen Verlustvortrag in ihre Bilanz buchen und diesen über die folgenden Jahre durch geldpolitische Gewinne nach und nach abbauen.

„Auch mit negativen Eigenkapital wäre eine Zentralbank handlungsfähig. Anders als eine normale Bank ist sie strukturell profitabel, da sie immer einen Gewinn durch das Monopol zur Ausgabe des gesetzlichen Zahlungsmittels erwirtschaftet. Bei einer langfristigen Beibehaltung hätte sie allerdings ein Glaubwürdigkeitsproblem“, stellt Philipp König fest.

Ob sich der deutsche Finanzminister dann immer noch über ein kleines Extra durch den Bundesbankgewinn wie zuletzt 3,2 Milliarden Euro erfreuen kann, ist allerdings sehr schwer vorstellbar.

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