Jurist Kerber "Die EZB verfälscht den Wettbewerb"

Vor der Verhandlung des Europäischen Gerichtshofs zu den umstrittenen Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank hat der Finanzwissenschaftler Markus C. Kerber der EZB vorgeworfen, den Markt für Staatsanleihen zu beeinflussen.

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Finanzwissenschaftler Markus C. Kerber Quelle: imago images

"Allein die Ankündigung, im Notfall Staatsanleihen zu kaufen, verfälschte den Wettbewerb auf dem Markt für Staatsschulden in der Eurozone. Die Renditen für kurzfristige Staatsanleihen von Deutschland und Frankreich etwa kennen keine nennenswerten Unterschiede – obwohl die Länder in dramatisch unterschiedlicher Verfassung sind", sagte Kerber im Interview mit der WirtschaftsWoche. Er fügte hinzu: "Zudem vernichtet die Nullzinspolitik der EZB das Vermögen deutscher Sparer und schmälert die Refinanzierungsmöglichkeiten des Bundes. Das muss aufhören."

In der am kommenden Dienstag beginnenden Verhandlung will Kerber vor dem Europäischen Gerichtshof verdeutlichen, dass die EZB ihr Mandat überschreite und eine monetäre Staatsfinanzierung betreibe: "Das ist ihr nach Artikel 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verboten und passiert dennoch. Ganz einfach: Der ESM kann auf dem Primärmarkt Anleihen der Krisenländer bis zu 80 Prozent der Emission zeichnen und diese anschließend auf dem Sekundärmarkt an die EZB verkaufen. So fließt frisches Geld der EZB über den ESM in die Staatshaushalte der Krisenländer."

Die Reaktionen zum OMT-Programm

Kerber hat vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das EZB-Programm zum Kauf von Staatsanleihen geklagt. Das Bundesverfassungsgericht überwies den Fall an den Europäischen Gerichtshof und legte ihm eine Reihe von Fragen vor. Für den Fall einer Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof sieht der streitbare Finanzexperte trotzdem kein Ende der Diskussion: "Das Bundesverfassungsgericht hat bei seiner Entscheidung im Februar bereits angedeutet, dass es Zweifel hat, ob Anleihekäufe durch die EZB nicht außerhalb des geldpolitischen Mandats stattfinden – und angekündigt, eventuell erneut einzugreifen", unterstrich Kerber. Damit könnten die Karlsruher Richter seiner Meinung nach erkennen, dass europäisches Recht verletzt werde und damit für Karlsruhe unverbindlich sei.

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