Katalonien Die „schlimmste Attacke“ seit der Diktatur Francos

Der spanische Ministerpräsident macht ernst. Die Regionalregierung um Puigdemont will er aus dem Amt werfen. Die katalanische Führung spricht von Totalitarismus und dem Ende der Demokratie.

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Der Regionalregierungschef Carles Puigdemont bei einer großen Unabhängigkeitsprotest in Barcelona am Samstag. Quelle: AP

Der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont spricht von einem „Putsch“ und einen inakzeptablen Angriff auf die Demokratie“. Die von der spanischen Zentralregierung beschlossenen Maßnahmen zur Beendigung der Unabhängigkeitsbestrebungen in der Region sei die „schlimmste Attacke“ gegen Katalonien seit der Diktatur von Francisco Franco (1939-1975), sagte Puigdemont in einer Fernseh-Ansprache am Samstagabend in Barcelona.

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte zuvor am Samstag unter anderem die Absetzung der katalanischen Regierung sowie die Ausrufung von Neuwahlen zum Regionalparlament innerhalb der nächsten sechs Monaten angekündigt. Dazu sagte Puigdemont: „Die Absetzung einer demokratisch gewählten Regierung ist mit einem Rechtsstaat unvereinbar.“ Man werde aber „weiter kämpfen“, beteuerte der Katalane ohne Bekanntgabe von Maßnahmen.

Die Zentralregierung müsse den beispiellosen Schritt unternehmen, die Kontrolle über Katalonien zu übernehmen, um angesichts der von der dortigen Regionalregierung unterstützten Sezessionsbestrebungen die „Ordnung wiederherzustellen“, sagte Rajoy am Samstag nach einer Sitzung seines Kabinetts. Er berief sich dabei auf den Verfassungsartikel 155. Die Zentralregierung werde Katalonien nicht den Autonomiestatus aberkennen, sondern Vertreter der Regionalregierung absetzen, die gegen das Gesetz verstoßen hätten, sagte er.

Senatsvizepräsident Pedro Blanco sagte, die Maßnahmen kämen am nächsten Freitag in seiner Kammer aufs Tapet. Es werde eine aus 27 Senatoren bestehende Sonderkommission ins Leben gerufen, die am Dienstag eine erste Einschätzung zu den Maßnahmen geben werde. Regionalregierungschef Carles Puigdemont kann in Berufung gegen das Vorgehen gehen, indem er bis Donnerstagmittag vor die Kommission tritt oder einen Gesandten schickt.

Die Sonderkommission wird vermutlich einen endgültigen Vorschlag billigen, der im Anschluss auf der Sitzung des Senats am Freitag vorgebracht wird. Rajoys Volkspartei PP verfügt in der Kammer über die absolute Mehrheit. Es wird mit der Unterstützung der Opposition gerechnet, damit Spanien vereint bleibt.

Die spanische Verfassung gewährt der Zentralregierung die Macht, einer Regionalregierung Befugnisse zu entziehen, wenn diese das Gesetz übertritt. Puigdemont hatte vergangenen Woche erklärt, die Katalanen hätten ihm beim Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober das Mandat für eine Unabhängigkeitserklärung gegeben. Er wolle aber zunächst mit Madrid verhandeln. Rajoy forderte ihn daraufhin auf, klarzustellen, ob er die Region für unabhängig erklärt habe, doch Puigdemont wich aus. Das Verfassungsgericht erklärte das Referendum für verfassungswidrig.

Mitglieder der separatistischen Regionalregierung in Barcelona sind gegen Neuwahlen. Stattdessen haben sie gedroht, die Unabhängigkeit zu erklären, falls die Zentralregierung ihnen Befugnisse entzieht.

Ministerpräsident Mariano Rajoy versuche, Katalonien zu erniedrigen und die Autonomie der Katalanen zu vernichten, so Puigdemont. Er wolle, dass das regionale Parlament in Barcelona über Rajoys Pläne debattiere und darüber abstimme, wie am besten darauf geantwortet werden könne.

Puigdemonts Aussagen waren eine versteckte Drohung, die Unabhängigkeitserklärung in der florierenden Region im Nordosten Spaniens weiter voranzutreiben. Der Regionalregierungschef hatte sich zuvor an einem großen Unabhängigkeitsprotest in Barcelona beteiligt. Nach Angaben der Polizei beteiligten sich daran rund 450.000 Menschen, Unabhängigkeitsgegner bezifferten die Menge auf 85.000 Personen. Die Teilnehmer der Demonstration machten ihrem Ärger über das Vorgehen der Zentralregierung Luft und forderten zudem die Freilassung zweier Unabhängigkeitsaktivisten. Während die Demonstranten „Freiheit, Freiheit“ riefen, sagte der Sprecher der Initiative Òmnium Cultural, Marcel Mauri, der Plan der Zentralregierung zerstöre die Demokratie. Auf Englisch bat er um internationale Unterstützung: „Helfen Sie Katalonien, retten Sie Spanien, retten Sie Europa.“

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