Katalonien-Krise Haftbefehl gegen Puigdemont

Wie erwartet erschien Kataloniens Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont nicht vor dem Gericht in Madrid. Das spanische Staatsgericht erließ nun einen europäischen Haftbefehl gegen ihn und einige Ex-Minister.

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Carles Puigdemont Quelle: REUTERS

Das spanische Staatsgericht hat einen europäischen Haftbefehl gegen katalanischen Ex-Regionalpräsidenten Carles Puigdemont und vier weitere mit ihm nach Belgien ausgereiste ehemalige katalonische Regierungsmitglieder beantragt. Sie hatten eine Vorladung der spanischen Justiz am Donnerstag missachtet, wie Medien unter Berufung auf Justizssprecher in Madrid berichteten.

Auch gegen acht der neun Mitglieder der Regionalregierung, die zum Gerichtstermin erschienen waren, wurde inzwischen Untersuchungshaft ohne Recht auf Freilassung auf Kaution angeordnet. Der neunte Politiker, Santi Vila, darf dagegen bei Zahlung einer Kaution von 50 000 Euro auf freien Fuß gesetzt werden.

Der katalanische Ex-Präsident Carles Puigdemont hatte zum Auftakt der Ermittlungen gegen seine abgesetzte Separatisten-Regierung der Vorladung zum Verhör durch eine Richterin nicht Folge geleistet. Zum festgesetzten Termin am Donnerstag um 9.00 Uhr bei Richterin Carmen Lamela am Staatsgerichtshof in Madrid erschien der umstrittene Politiker nicht.

Der 54-Jährige hatte sich am Wochenende kurz vor Anklageerhebung durch die spanische Staatsanwaltschaft nach Brüssel abgesetzt und hielt sich nach Medienberichten mit vier seiner Ex-Minister, die ihre Vorladungen ebenfalls missachteten, weiter in Belgien auf. Es wird nun erwartet, dass die spanische Justiz bald europäische Haftbefehle gegen diese Politiker erlässt.

Wie geht es weiter in Katalonien?

Die neun restlichen ehemaligen Angehörigen der „Generalitat“ erschienen unterdessen pünktlich zum Verhör. Als sie sich unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und großer Medienaufmerksamkeit dem Gerichtsgebäude näherten, wurden sie von einer kleinen Gruppe von Sympathisanten bejubelt. Die kleine Gruppe hielt katalanische Fahnen hoch und riefen „Ihr seid nicht allein!“. Einige Gegner der Separatisten skandierten unterdessen „Katalonien ist Spanien!“

Für Überraschung sorgte das Erscheinen der früheren katalanischen Ministerin für Institutionelle Beziehungen, Meritxell Borràs, die bis zuletzt mit Puigdemont in Brüssel gewesen war. Nicht gesichtet wurde vorerst in Madrid jedoch der frühere katalanische Minister Lluís Puig, der ursprünglich nicht nach Brüssel ausgereist war. Er soll sich aber inzwischen nach Medienberichten ebenfalls in Belgien aufhalten.

Puigdemont, sein früherer Vize Oriol Junqueras und weitere zwölf Angehörige der von Madrid abgesetzten Regierung sind unter anderem wegen Rebellion, Auflehnung gegen die Staatsgewalt und Veruntreuung öffentlicher Gelder angeklagt. Ihnen drohen Haftstrafen von bis zu 30 Jahren.

Reaktionen zu Katalonien
Sigmar GabrielDer deutsche Außenminister Sigmar Gabriel: „Letztlich können nur Gespräche auf Basis der Rechtsstaatlichkeit und im Rahmen der spanischen Verfassung zu einer Lösung führen - die einseitige Unabhängigkeitserklärung Kataloniens werden wir daher auch nicht anerkennen.“ Quelle: dpa
Jean-Claude JunckerEU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker: „Ich möchte nicht, dass die Europäische Union morgen aus 95 Staaten besteht. ... Wir brauchen keine weiteren Risse und Brüche.“ Quelle: dpa
Emmanuel MacronFrankreichs Präsident Emmanuel Macron: „Es gibt einen Rechtsstaat in Spanien, mit verfassungsmäßigen Regeln. Er (Ministerpräsident Mariano Rajoy) möchte ihnen Respekt verschaffen, und er hat meine volle Unterstützung“, sagte der französische Präsident. Quelle: AP
Donald TrumpFür US-Präsident Donald Trump sagte seine Sprecherin Sarah Sanders, das Weiße Haus schließe sich der Haltung des Außenministeriums an. „Wir wiederholen unsere Unterstützung für ein geeintes Spanien.“ Quelle: AP
Jens StoltenbergNato-Generalsekretär Jens Stoltenberg twitterte: „Die Katalonien-Frage muss innerhalb der spanischen Verfassungsordnung gelöst werden. Spanien ist ein treuer Verbündeter, der einen wichtigen Beitrag zu unserer Sicherheit leistet.“ Quelle: AP
Jean-Yves Le Drian Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian sagte, sein Land erkenne die Unabhängigkeitserklärung Kataloniens nicht an. Die spanische Verfassung müsse respektiert werden. Er verfolge die Entwicklungen in Katalonien mit Sorge: „Frankreich wünscht, dass Spanien stark und geeint ist.“ Quelle: REUTERS
Angelino AlfanoDer italienische Außenminister Angelino Alfano: „Italien erkennt die heute verkündete einseitige Unabhängigkeitserklärung des Regionalparlaments von Katalonien nicht an und wird diese nicht anerkennen.“ Quelle: AP

Die Richterin muss nach dem Verhör der Angeklagten entscheiden, ob sie die Ermittlungen fortsetzt und ein Prozess eröffnet wird. Sie könnte gegen die Betroffenen Untersuchungshaft anordnen, gegebenenfalls auch ohne Anrecht auf Freilassung auf Kaution.

Parallel zu der Anhörung vor dem Staatsgericht sollten am Donnerstag auch Anhörungen vor dem Obersten Gericht in Madrid stattfinden. Dort sollten die Ex-Präsidentin des katalanischen Parlaments, Carme Forcadell, und fünf weitere Ex-Abgeordnete des katalanischen Parlaments aussagen. Die Anhörung wurde jedoch auf den 9. November verschoben.

Ob sich Puigdemont aus dem Ausland zu dem Verfahren äußert, war unklar. Auf Twitter postete er am späten Mittwochabend: „Ungeachtet der Gewalt und der vergangenen und aktuellen Bedrohungen arbeiten wir weiter. Stolz auf das Volk!“

Sein Anwalt hatte zuvor erklärt, dass seinem Mandanten in Spanien kein faires Verfahren garantiert werden könne. Er werde erst einmal „abwarten“. Falls sich der liberale Politiker nicht versteckt, würde die belgische Polizei einen europäischen Haftbefehl Spaniens wohl schnell vollstrecken. Bis zu einer Auslieferung könnte es allerdings einige Zeit dauern. Möglicherweise sogar bis nach den neu angesetzten Regionalwahlen in Katalonien am 21. Dezember.

Grund für die Anklage ist der katalanische Abspaltungsprozess von Spanien, der vergangenen Freitag in einem Unabhängigkeitsbeschluss im katalanischen Parlament in Barcelona endete. Die Regionalregierung wurde daraufhin entmachtet. Die wirtschaftsstarke Region steht nun unter Zwangsverwaltung aus Madrid.

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