Kernenergie Frankreich buddelt am Atommüll-Endlager

In einem kleinen lothringischen Dorf entsteht das erste europäische Endlager für Atommüll. Widerstand gegen das Projekt gibt es im Land kaum – oder wird mit Geld im Keim erstickt.

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Im französischen Bure soll bald ein Atommüllendlager entstehen - Und anders als beispielsweise im niedersächsischen Gorleben stößt das Vorhaben kaum auf Widerstand Quelle: dpa

Diesen Ort kennt in Europa so gut wie niemand. Bure ist ein Kaff an der Grenze zwischen Lothringen und der Champagne, mit einer Handvoll Häusern und Scheunen, umgeben von schier endlosen Feldern. Es gibt hier keine Schule, keinen Bahnhof und keinen Supermarkt – aber eine Baustelle der besonderen Art, die dafür sorgen dürfte, dass Bure bald europaweit in aller Munde ist. Es steht so gut wie fest, dass hier, rund 150 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt, der gesamte französische Atommüll vergraben werden soll.

Knapp 500 Meter unter der Erde treiben Experten bereits lange Stollen ins Tongestein. Ruckelnd fährt ein Aufzug in die Tiefe, einen halben Kilometer lang geht es senkrecht nach unten. Die Arbeiter tragen neonfarbene Westen, Helme mit Grubenlampe und am Gürtel ein Notfall-Atemgerät. „Willkommen im Labor“, sagt Mathieu Saint-Louis, Sprecher der Agentur für radioaktive Abfälle (Andra), die hier in der Tiefe das Gestein testen lässt. Das eigentliche Endlager, das erste seiner Art in ganz Europa, soll in fünf Jahren gebaut werden, nach dem Bauplan des Labors und in dessen unmittelbarer Nachbarschaft.

Die unterirdische Versuchsanstalt besteht aus einem Netz von Stollen, die insgesamt etwa 1.200 Meter lang sind. An den Tunnelwänden laufen Röhren und dicke Kabelbündel entlang, die Lüftung brummt, es ist wohnzimmerwarm. Hier und da gehen 40 Meter lange Bohrlöcher seitlich ab, der Durchmesser entspricht etwa einer Armlänge. „In solche Röhren sollen später die Behälter mit dem Atommüll hineingeschoben werden“, sagt Saint-Louis.

Geographische Lage des Atommüllendlagers (zum Vergrößern bitte Bild anklicken)

In dem 1,5 Milliarden Euro teuren Labor untersuchen Geologen die Eigenschaften des Tons. Ähnlich wie ein Salzstock ist Tongestein formbar und zugleich dicht. Selbst wenn die Atommüllbehälter undicht werden sollten, würde die Strahlung nicht das Erdreich oder das Grundwasser erreichen, sagen Wissenschaftler – zumindest, solange das Gestein keine Risse aufweist. „Derzeit testen wir, wie das Tongestein auf Hitze reagiert“, erklärt Saint-Louis. Die Wärme, die Atommüll noch jahrzehntelang ausstrahlt, gilt als das größte Problem: Die Gesteinsschicht könnte austrocknen und spröde werden. Möglicherweise müssen radioaktive Abfälle daher deutlich länger zwischengelagert werden, bevor sie in den unterirdischen Stollen landen.

Deutsches Interesse

Auch Deutschland hat großes Interesse an Bure. Über Jahre hinweg waren immer wieder Experten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) vor Ort, um das Tongestein zu untersuchen. Denn auch in Deutschland gibt es vergleichbare geologische Formationen: Die Behörde weist in einer Studie mehrere „untersuchungswürdige“ Gesteinsschichten vor allem in Norddeutschland aus.

Doch der Unterschied zwischen der deutschen und französischen Endlagersuche könnte kaum größer sein. In Deutschland wird seit mehr als drei Jahrzehnten über den niedersächsischen Standort Gorleben gestritten. Seit Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit seiner Bemerkung „irgendwo muss das Zeug ja hin“ eine neue Suche angeregt hat, ist wieder alles offen. Ein Streitpunkt des geplanten Endlagersuchgesetzes ist nun, ob der Salzstock in Gorleben überhaupt weiter als Standort infrage kommt.

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