KfW-Studie Sieben Gründe, warum Ostdeutschland aufholt

Ostdeutschland holt auf – auch wenn es in der BRD nach wie vor ein Gefälle gibt. Das belegt eine neue Studie der Förderbank KfW.

„In der Normalität angekommen“ betitelt die KfW eine Studie über Deutschland nach dem Mauerfall. Ihr Ergebnis: Den neuen Bundesländern ist ein beeindruckender Wirtschaftsaufschwung gelungen. An einigen Ecken hapert es nach wie vor – etwa was die Arbeitslosenquote angeht. Trotzdem: Der Osten nähert sich dem Wirtschaftsniveau Westdeutschlands immer weiter an. Einige Ergebnisse im Überblick. Quelle: KfW
Arbeitslosigkeit:Die Arbeitslosenquote in Deutschland ist im September auf 6,5 Prozent gefallen. Allerdings ist der Unterschied zwischen Ost und West in puncto Arbeitslosigkeit immer noch immens. So beträgt die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland 9,1 Prozent – im Westen liegt bei sie unter sechs Prozent. Im Vergleich zu 2005 kann sich der ostdeutsche Arbeitsmarkt allerdings sehen lassen, wie die Studie zeigt. Damals waren 1,6 Millionen Ostdeutsche ohne Job – das waren 18 Prozent aller Erwerbsfähigen und damit Rekordwert. Bis 2013 hat sich die Zahl beinahe halbiert: 870.000 Ostdeutsche sind ohne Arbeit. Allerdings sind 258.000 weiterer Erwerbsfähige in staatlichen Programmen zur Arbeitsförderung untergebracht und werden somit von der Statistik nicht mehr erfasst. Laut Studie sind ein Investitionsboom sowie die große Anpassungsbereitschaft der Ostdeutschen dafür verantwortlich, dass die Quote herunterging. Ein weiterer, weniger erfreulicher Faktor sei die hohe Abwanderung nach Westdeutschland. Von 1990 bis 2012 sind per Saldo fast zwei Millionen Menschen aus dem Osten gen Westen gezogen – vor allem gut ausgebildete Fachkräfte, an denen es dem Osten heute mangelt. Quelle: dpa
Wachstum:Nach dem Fall der Mauer wartete viel Arbeit auf die vergrößerte Bundesrepublik Deutschland: Die bankrotte Planwirtschaft der DDR sollte eine wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft werden. Viele Betrachter sehen dieses Vorhaben als gescheitert. Die Studie zeigt: Diese Betrachter irren. Von 1991 bis 1997 wuchs das Pro-Kopf-BIP ist Ostdeutschland um 60 Prozent und damit so stark wie das BIP in Westdeutschland von 1950 bis 1956 – also während des Wirtschaftswunders. Die DDR hatte dabei sogar ein höheres Ausgangsniveau, was die Wachstumsraten für gewöhnlich drosselt. Im Anschluss flachte das Ost-Wachstum allerdings ab. Quelle: dpa
Einkommen:Nominal betrachtet, beträgt das Pro-Kopf-Einkommen in Ostdeutschland 17.700 Euro und damit 84 Prozent des westdeutschen Einkommens pro Kopf. Allerdings sind die Lebenshaltungskosten in Ostdeutschland geringer – deswegen beträgt es bereinigt knapp 90 Prozent des westdeutschen Niveaus. Laut Studie verdeckt der Blick auf Ost- und Westdeutschland die strukturellen Unterschiede innerhalb Ost und West. So gäbe es Landkreise und kreisfreie Städte um Berlin, in Sachsen und in Thüringen, in denen das verfügbare Einkommen je Einwohner höher sei, als das in manchen West-Regionen wie dem Ruhrgebiet. Quelle: dpa/dpaweb
Arbeitsproduktivität:Dem Osten fehlt es an großen Unternehmen. Nur zehn Prozent aller Betriebe mit 500 oder mehr Beschäftigten aus dem verarbeitenden Gewerbe sind im Osten angesiedelt. Die Arbeitsproduktivität größerer Unternehmen ist im Schnitt höher als die kleinerer Unternehmen. Das erklärt, warum der Osten in puncto Arbeitsproduktivität hinter dem Westen zurückliegt. 2013 betrug das BIP pro Erwerbstätigem rund drei Viertel des Westdeutschen Niveaus. Den größten Anteil hat im Osten das verarbeitende Gewerbe: Es ist für gut ein Fünftel der gesamten Bruttowertschöpfung verantwortlich. Damit zählt Ostdeutschland international gesehen zu den stark industrialisierten Regionen. Wenn man von Westdeutschland absehe, sei von den G7-Staaten nur Japan noch stärker industrialisiert, heißt es in der Studie. Die Lücke zu Westdeutschland ist mit fast sechs Prozentpunkten Unterschied allerdings nach wie vor groß. Nichtsdestotrotz: Der Osten hat aufgeholt. 1991 betrug der Rückstand noch über 14 Prozentpunkte. Quelle: dpa
Innovationsfähigkeit:Eine Tochter des US-Konzerns Dow Chemical stellt in Sachsen-Anhalt Spezialklebestoffe her. Damit gehört sie zu den wenigen Großunternehmen im Osten. Laut der Studie macht sich der Mangel an Großunternehmen auch in Sachen Innovationsfähigkeit bemerkbar. So hätten zwischen 2010 und 2012 nur ein Viertel der ostdeutschen Mittelständler neue Produkte oder Produktionsverfahren auf den Markt gebracht. Die Quote liegt in Westdeutschland bei 31 Prozent – und damit um ein Viertel höher. Quelle: dpa
Akademikerquote:Studenten sitzen im Hörsaal an der Handelshochschule in Leipzig, der einzigen privaten Business School in Ostdeutschland. Eine weitere Ursache für die geringe ostdeutsche Innovationsfähigkeit könnte die Akademikerquote sein: Nur jeder Vierte Ostdeutsche hat einen Hoch- oder Fachhochschulabschluss – im Westen ist es fast jeder Dritte. Die geringe Akademikerquote erkläre zudem die niedrigen Einkommens- und Produktionsniveaus. Quelle: dpa
Konvergenz:Der Blick auf ein Stahlwerk in Brandenburg. In den letzten 25 Jahren hat der Osten viel Boden gut gemacht zu anderen Regionen in Europa. Zwar ist die Wirtschaftsleistung nach wie vor schwächer als die westdeutsche – und auch die Arbeitslosigkeit ist deutlich höher. Allerdings seien solche Regionalunterschiede innerhalb der entwickelten Industrieländer der Normalzustand. Beachtlich ist: Das Ostdeutsche BIP-pro-Kopf ist durchschnittlich um 3,3 Prozent pro Jahr gewachsen und damit deutlich stärker als das tschechische, das polnische oder das ungarische – obwohl deren Ausgangsniveaus deutlich niedriger waren. Gemessen am kaufkraftbereinigten BIP-pro-Kopf liegt Ostdeutschland im Mittelfeld Europas – nur knapp hinter Italien und Spanien. Quelle: dpa
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