Die „Masseneinwanderungsinitiative“ ist ein Musterbeispiel für die wachsende Einigelung der Schweiz. In den vergangenen Jahren hatte eine ganze Reihe von Initiativen Erfolg, die auf mehr Abschottung setzte. 2013 gaben die Stimmbürger der „Swissness“-Initiative ihren Segen. Seitdem gelten deutlich strengere Regeln für Unternehmen, die ihren Produkten das Siegel made in Switzerland verleihen wollen. Es folgte die Zweitwohnungsinitiative. Die macht es Ausländern deutlich schwerer, Wohnraum in der Schweiz zu erwerben, ohne dort dauerhaft zu leben. Ende November kommt nun der radikalste Abschottungsvorschlag auf den Tisch: Sollte die „Ecopop“-Initiative Erfolg haben, würde die jährliche Zuwanderung in die Schweiz auf 0,2 Prozent der aktuellen Bevölkerungszahl beschränkt. Momentan hieße das: auf 16.000 Menschen im Jahr.
Peter Eichenberger verzweifelt, wenn er solche Vorschläge hört. „30 Prozent unserer Mitarbeiter kommen aus dem Ausland“, sagt Eichenberger. „Wenn diese Initiative Erfolg hat, bekommen wir ernste Probleme.“ Eichenberger leitet das Claraspital in Basel, 20 Prozent seiner Ärzte und Pfleger pendelt täglich aus Deutschland über die Grenze, weitere zehn Prozent kommen aus Frankreich. „Unsere Wirtschaft ist so verflochten mit dem Ausland, da ist es doch eine Illusion, zu glauben, dass man diese Verzahnung einfach schadlos wieder zurückdrehen könnte“, sagt Eichenberger. Wie zur persönlichen Ehrenrettung verweist er darauf, dass der Kanton Basel gegen die „Masseneinwanderungsinitiative“ votiert habe.
Eichenberger benennt damit einen der vielen Widersprüche im schweizerischen Selbstverständnis der Gegenwart. Nicht nur in Basel fanden die Ausländerkontingente keine Zustimmung, sondern auch überall sonst, wo der Austausch mit den deutschen und französischen Nachbarn intensiv ist. Mehrheiten sammeln solche Initiativen dagegen in der Zentralschweiz, wo die Zuwanderung am geringsten ist. Dahinter steckt ein Muster, wie man es auch bei Separatismus-Bewegungen anderswo findet: Der Wunsch nach Abschottung spiegelt den Traum, die Errungenschaften der Gegenwart mit den verklärten Vorzügen der Vergangenheit zu verbinden. Dass der Verlust des einen der Preis des anderen ist, wird dabei ignoriert.
In der Schweiz ist das besonders augenfällig. Die Wirtschaft hat von der Integration in Europa stärker profitiert als die meisten Mitgliedstaaten. Seit der Einbindung in den Wirtschaftsraum ist das Pro-Kopf-Wachstum dreimal so hoch wie in der vorherigen Dekade. Zugleich hat sich in der Schweiz die Illusion gehalten, das eine habe mit dem anderen nichts zu tun.
Dabei hat der neue Nationalismus erste negative Folgen in der Wirtschaft. Gerade schließt der schwedische Konzern Electrolux seinen Standort im Kanton Glarus, einer der Gründe sind die Auflagen der Swissness-Initiative. Der Chef des Industriekonzerns ABB gab jüngst zu Protokoll, dass der Schweizer Hauptsitz zur Disposition stehe, wenn die Zuwanderungsregeln zu restriktiv würden.
Tobias Erb will mit seinem Abgang kein politisches Statement verbinden. Er kann sich vorstellen, eines Tages zurückzukommen. „Ich hoffe, dass sich hier die Erkenntnis durchsetzt, dass das Land von seiner Internationalität profitiert“, sagt Erb. Eigentlich sei eine Stadt wie Zürich „doch der beste Beleg, wie gut Weltoffenheit und Heimatverbundenheit zusammenpassen“.