Die Kernfrage ist: Können höhere öffentliche Investitionen das Wirtschaftswachstum nachhaltig steigern? Denn nur dann würden sie einen Sinn machen. Es ist natürlich schwer, dies im Vorfeld zu beantworten. In der Vergangenheit hatten solche Programme unterschiedliche Erfolge.
Das bekannteste Negativbeispiel ist wohl Japan, wo man seit nunmehr 20 Jahren durch wiederholte Konjunkturprogramme versucht hat, die Wachstumsdynamik nachhaltig zu erhöhen. Der Erfolg blieb aus, und einzig bleibendes Ergebnis dieser Bemühungen ist eine Staatsverschuldung, die mittlerweile bei 250 Prozent des Bruttoinlandprodukts liegt.
Positives Beispiel
Ein positives Beispiel für staatliche Interventionspolitik geben in jüngerer Zeit die USA ab. Dort wurde mit Hilfe zusätzlicher öffentlicher Ausgaben, bei kräftiger Unterstützung der US-Notenbank, das Wachstum tatsächlich auf einem guten Niveau stabilisiert.
Allerdings wurden dort öffentliche Mittel auch dazu genutzt, den Bankensektor zu stärken. Seither konnte das US-Haushaltsdefizit von 12 Prozent des BIP auf nur noch 4 Prozent gesenkt werden. Ein unschlagbarer Vorteil dabei waren für die USA allerdings die niedrigen Energiekosten in den vergangenen Jahren.
Wenn man nun im Euroraum zu diesem Instrument greifen würde, wie wären die Erfolgsaussichten? Zu Beginn dürfte es insgesamt zu einem positiven konjunkturellen Impuls kommen. Wie nachhaltig dieser Impuls sein kann, hängt jedoch stark von dem Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern ab.
Denn es kommt darauf an, ob man mit 1 Euro an öffentlichen Investitionen private Investitionen anstößt, die höher sind als 1 Euro. Nur dann wäre auch nach dem Auslaufen des Stimulierungsprogramms wirklich etwas gewonnen.
Der fiskalpolitische Multiplikator wäre dann größer als 1, öffentliche Investitionen wären sinnvoll. Falls der Multiplikator jedoch kleiner als 1 ist, dann führen staatliche Investitionsprogramme in der Regel zu höheren Staatsschulden, ohne eine nachhaltige Belebung des BIP-Wachstums zu erreichen – der Fall Japan droht.
Der Instrumentenkasten der EZB
Wieder einmal blicken alle in der Euro-Schuldenkrise gebannt nach Frankfurt: die Europäische Zentralbank (EZB) soll es im schlimmsten Fall richten, mit ihrem Waffenarsenal intervenieren und so die Märkte beruhigen.
Zwar streiten sich Fachleute und auch die Notenbanker darüber, wie effektiv, nachhaltig und sinnvoll weitere Eingriffe der Geldpolitik sein könnten. Fest steht aber: die EZB verfügt als einzige Institution über einen gut gefüllten und theoretisch sofort verfügbaren Instrumentenkasten, um angeschlagenen Banken unter die Arme zu greifen, Institute im Falle eines Bank-Runs mit neuem Geld zu schützen und durch ihre Finanz-Feuerkraft wenigsten für eine begrenzte Zeit wieder für Ruhe an den Börsen zu sorgen.
Vor dem Wahlsonntag in Athen verdichten sich die Hinweise, dass die großen Notenbanken der Welt gemeinsame Sache machen und die Märkte mit Geld fluten könnten. Eine solche konzertierte Aktion der Zentralbanken gab es schon einmal - Anfang Oktober 2008, kurz nach dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers, als weltweit die Finanzströme zu versiegen drohten.
In der aktuellen Krise rund um die Überschuldung Griechenlands und anderer südeuropäischer Länder hat bislang nur die britische Notenbank angekündigt, dass sie gemeinsam mit dem Finanzminister in London ihren Bankensektor zum Schutz vor aus Griechenland überschwappenden Problemen mit 100 Milliarden Pfund fluten will. Am Freitag sorgte die Aussicht auf eine gemeinsame Intervention der Zentralbanken zunächst für bessere Stimmung an den Märkten.
Aktuell steht der Leitzins der EZB bei 0,75 Prozent. Die Notenbank kann natürlich jederzeit an dieser in normalen Zeiten wichtigsten Stellschraube drehen. Es wäre ein historischer Schritt: Noch nie seit Bestehen der Währungsunion lag der Schlüsselzins für die Versorgung des Finanzsystems mit frischer Liquidität niedriger.
Allerdings nimmt der Spielraum der EZB mit jeder weiteren Leitzinssenkung ab - schließlich rückt damit die Nulllinie unausweichlich immer näher. Fachleute erwarten, dass die Zentralbank mit weiteren Zinssenkungen so lange wartet wie nur möglich, um für den Fall echter Verwerfungen an den Finanzmärkten, wie sie etwa bei einem Austritt der Griechen aus der Euro-Zone drohen würden, noch Munition zu haben.
Um den Geldmarkt wiederzubeleben und die Banken zu ermuntern mehr Geld in den Wirtschaftskreislauf zu geben, könnte die EZB den sogenannten Einlagezinssatz auf null Prozent kappen. Dieser Zins liegt aktuell bei 0,25 Prozent. Das bedeutet, dass Banken, die keiner anderen Bank mehr trauen, immerhin noch Geld dafür bekommen, wenn sie überschüssige Liquidität bei der EZB parken. Bei einem Einlagezinssatz von einem Prozent entfiele der Anreiz dies zu tun. Doch ob die Banken der EZB den Gefallen tun oder das Geld dann lieber horten, ist fraglich. Aktuell parken sie jedenfalls knapp 800 Milliarden Euro in Frankfurt.
Im Dezember und im Februar ist es der EZB gelungen, mit zwei jeweils drei Jahre laufenden Refinanzierungsgeschäften die Gemüter der Banker wenigstens für eine Zeit lang zu beruhigen. Damals sicherten sich die Geldhäuser insgesamt rund eine Billion Euro bei der Zentralbank zum Billigtarif von nur einem Prozent.
Einige Experten glauben, dass weitere langlaufende Geschäfte dieser Art das durch die Unsicherheit über die Zukunft der Euro-Zone untergrabene Vertrauen wieder zurückbringen könnten. Die Banken, die sich um den Jahreswechsel bei der EZB bedient haben, sind allerdings ohnehin bis mindestens Ende 2014 abgesichert. Außerdem kann jede Bank darüber hinaus bei den wöchentlichen Hauptrefinanzierungsgeschäften der Notenbank aus dem Vollen schöpfen.
Damit den Banken die Sicherheiten nicht ausgehen, die diese als Pfand bei den Refinanzierungsgeschäften mit der Notenbank stellen müssen, kann die EZB weitere Erleichterungen bei den Anforderungen beschließen. Sie kann dabei auch selektiv nach Ländern vorgehen, um gezielter zu helfen. Allerdings sind Erleichterungen bei den Sicherheiten immer auch ein Politikum, weil dadurch die Risiken steigen, die die Zentralbank durch die Refinanzierung in ihrer Bilanz ansammelt. Im Fall der Fälle müssten diese von den Steuerzahlern der Mitgliedsländer getragen werden.
Die EZB hat seit Mai 2010 Staatsanleihen hoch verschuldeter Euro-Länder für mehr als 200 Milliarden Euro gekauft. Das im Fachjargon SMP (Securities Markets Programme) genannte Programm ist wegen seiner möglichen Nebenwirkungen in Deutschland und einigen anderen nord- und mitteleuropäischen Ländern umstritten. Es ruht derzeit, kann allerdings jederzeit wieder vom EZB-Rat in Kraft gesetzt werden.
Ob es allerdings noch seine erhofften positiven Wirkungen am Bondmarkt entfalten kann, ist unklar. Wegen der Erfahrungen bei der Umschuldung Griechenlands im Frühjahr dürften wenige private Investoren wie Banken oder Versicherungen der EZB folgen und wieder in den Markt gehen, weil sie fürchten, dass die Zentralbank erneut einen Sonderstatus als Gläubiger durchsetzen könnte, wie sie es im Fall Griechenland getan hat.
Theoretisch kann die EZB neben Staatsanleihen auch andere Arten von Wertpapieren kaufen und auf diese Weise Geld schaffen: zum Beispiel Bankschuldverschreibungen, Aktien und Unternehmensanleihen. Während der Ankauf von Bank Bonds eine durchaus denkbare Möglichkeit wäre, Liquidität bei den Banken zu schaffen, scheinen andere Wege wenig erfolgversprechend. So könnte die EZB wohl schlecht erklären, warum sie etwa Aktien von Banken kauft, nicht aber von Auto- oder Chemiekonzernen. Oder sie setzt sich dem Verdacht aus, der einen Bank mehr Aktien abzukaufen als anderen oder zum Beispiel spanische Institute deutschen oder österreichischen Banken vorzuziehen.
Theoretisch kann die EZB auch ihre Anforderungen an die Mindestreserve der Banken, die diese bei ihr halten müssen, absenken. Sie hat dies um den Jahreswechsel bereits getan und den Satz ihrer gesamten Einlagen, den jede Geschäftsbank bei ihr parken muss, von zwei auf ein Prozent halbiert. Dadurch hatte sie damals eine Summe von rund 100 Milliarden Euro für die Banken freigemacht. Ein solcher Schritt würde es für Banken in Südeuropa, die wohl am ehesten unter einer Kapitalflucht leiden würden, leichter machen, Mittel flüssig zu halten.
Reformen
Die Höhe des Multiplikators wird großenteils von der strukturellen Verfassung eines Landes bestimmt. Entscheidende Faktoren sind dabei Flexibilität des Arbeitsmarktes, Bildung und Ausbildung, Effizienz der Bürokratie und Qualität der Infrastruktur.
Diese Abhängigkeiten sind wohl bekannt. Sie stehen schon lange auf der Reformagenda der Länder, und auch die Zentralbanken fordern deren Umsetzung. Es ist also auch hier so, dass die Länder, die ihre Reformhausaufgaben gemacht haben, von öffentlichen Ausgabenprogrammen mehr profitieren werden als diejenigen, die notwendige Reformen verschleppt haben.
Fiskalprogramme ergeben also eher Sinn in Ländern, in den das strukturelle Umfeld den Anforderungen der globalisierten Welt entspricht. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass der fiskalische Impuls verpufft. Und Deutschland? Wir waren schon einmal besser für harte Zeiten gerüstet.
Fiskalischer Impuls und strukturelle Reformen
Die Diskussion über einen stärkeren Einsatz der Fiskalpolitik ist durchaus berechtigt und sinnvoll. Vielleicht sollte sie aber mit einem anderen Zungenschlag geführt werden als bisher. Es geht nicht darum, öffentliches Geld auszugeben um des Geldausgebens willen und es nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen.
Vielmehr sollten die Mittel so eingesetzt werden, dass sie mit größter Effizienz und langfristig wirken. Und das wäre dann der Fall, wenn der fiskalische Impuls zugleich strukturelle Reformen anstößt. Anders ausgedrückt: Europaweite fiskalische Programme sollten dezidiert dafür eingesetzt werden, um die anfänglich unvermeidlich negativen konjunkturellen Effekte von Strukturreformen abzufedern oder auszugleichen.
Dann könnten sie den Regierungen etwas von ihrer Furcht vor diesen Reformen zu nehmen. Und auch gegenüber der Öffentlichkeit könnte das Junktim zwischen Anstrengung (kurzfristig negative konjunkturelle Wirkungen) und Belohnung (Mittel aus dem europäischen Fiskalprogramm) deutlich gemacht werden.
Wenn man die Reformen nicht bald angeht, dann gibt es nur wenig Hoffnung auf einen längerfristig höheren Wachstumspfad. Denn die Zeit, die eine expansive Wirtschaftspolitik erkaufen kann, haben wir nur ein einziges Mal.
Bleiben die Länder weiter untätig, dann wird früher oder später nicht nur die geldpolitische, sondern auch die fiskalpolitische Munition verschossen sein. Und dann werden Reformen noch schmerzhafter.