Mario Draghi hatte nach dem Zinsentscheid am Donnerstag einen ganzen Maßnahmenkorb für die Märkte zusammengepackt. Neben einer weiteren Leitzinssenkung auf nur noch 0,05 Prozent und einem mit minus 0,2 Prozent etwas höheren Strafzins kündigte der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) auch ein Kaufprogramm für Kreditverbriefungen (ABS) an.
Das Kürzel ABS steht für Asset Backed Securities, also verbriefte Kredite. Und das funktioniert so: Banken schnüren aus ihren Forderungen ein Paket und verkaufen das in Form von Wertpapieren an Investoren weiter. In diesem Fall kauft die EZB die verpackten Forderungen und entlastet damit die Bilanzen der Banken. Diese sollen dadurch mehr Spielraum für die Kreditvergabe bekommen.
Reaktionen auf EZB-Zinssenkung und Wertpapierkäufe
Die EZB senkt im Kampf gegen eine drohende Deflation ihren Leitzins überraschend auf das neue Rekordtief von 0,05 Prozent. Der Schlüsselsatz für die Versorgung des Bankensystems mit Zentralbankgeld lag seit Juni bei 0,15 Prozent. In der anschließenden Pressekonferenz kündigte Zentralbank-Chef Mario Draghi zudem an, dass die EZB sogenannte Kreditverbriefungen (ABS) sowie Pfandbriefe aufkaufen wird. Ökonomen und Händler sagten dazu in ersten Reaktionen:
"Die EZB hatte ihr Pulver schon viel zu früh verschossen und die Zinsen zu weit gesenkt. Jetzt ist sie in der Liquiditätsfalle. Sie kann an dieser Stelle kaum noch etwas tun. Bedauerlicherweise deutet sich auch der Kauf von Anleihen durch die EZB an. Damit würde sie das Investitionsrisiko der Anleger übernehmen, wozu sie nicht befugt ist, weil es sich dabei um eine fiskalische und keine geldpolitische Maßnahme handelt. Eine solche Politik ginge zulasten der Steuerzahler Europas, die für die Verluste der EZB aufkommen müssten."
"Die Notenbanker argumentieren mit den zuletzt schwachen Konjunkturdaten und der geringen Inflation. Auch die gesunkenen mittelfristigen Inflationserwartungen wurden thematisiert. In diesem Zusammenhang wurden auch die Projektionen für Wachstum und Inflation in diesem Jahr nach unten angepasst. Insofern bleibt die Tür für weitergehende Lockerungsschritte weit geöffnet."
"EZB-Chef Mario Draghi hat geliefert, warum auch immer. Für uns ist das nicht gerade eine glückliche Maßnahme. Alle Banken und Vermögensverwalter sind jetzt in noch größerer Not, ihre Liquidität irgendwo zu parken, ohne bestraft zu werden. Auch die Sparer dürften sich verraten fühlen und werden immer mehr ins Risiko gezwungen."
"Die ökonomischen Wirkungen der heutigen Zinssenkung sind vernachlässigbar. Die EZB hat sich im Vorfeld der Zinsentscheidung unnötig unter Zugzwang gesetzt. Die Gefahr, dass der Euro-Raum in eine gefährliche Deflationsspirale rutscht, ist nach wie vor gering. Auf der anderen Seite wächst mit den Aktivitäten der EZB die Gefahr, dass die in mehreren Euro-Ländern dringend erforderlichen Wirtschaftsreformen weiter verschleppt werden."
"Das ist überraschend. Eine Zinssenkung hatte niemand so richtig auf der Agenda - zumal sie konjunkturell nichts bringt und verpuffen wird. Die Deflationsgefahr lässt sich damit nicht vertreiben. Dazu bedarf es eher eines Anleihen-Kaufprogramms. Die EZB signalisiert mit ihrer Maßnahme aber, dass sie sehr weit zu gehen bereit ist. Das ist eher ein symbolischer Schritt. Die realwirtschaftlichen Folgen sind bescheiden."
"Beginnt jetzt auch EZB-Chef Mario Draghi damit, Geld aus dem Hubschrauber abzuwerfen? Wenn Draghi um 14.30 Uhr mit der Pressekonferenz beginnt, wissen wir mehr. Dann wird sich zeigen, ob die Zinssenkung nur das Vorspiel für weiteres geldpolitisches Feuerwerk sein wird oder er damit den bequemsten Weg wählte, um unkonventionelle Maßnahmen in großem Stil ohne Gesichtsverlust abzuwenden."
"Das war schon eine heftige Überraschung, mit einer Zinssenkung hat kaum einer gerechnet. Bei der Senkung der Zinsen handelt es sich zwar nur noch um Nuancen, aber das ist ein wichtiges Signal an die Kapitalmärkte, dass die EZB bereit ist, alles zu tun, was nötig ist."
Handelbar werden diese Kredite durch die Besicherung der Bank. Das Bündeln mehrerer Kredite soll das Risiko verringern. Es sorgt gewissermaßen für die Streuung des Investitionsrisikos. Fällt ein Kredit aus und kann nicht zurückgezahlt werden, können die anderen Darlehen das ausgleichen.
Warum gelten die Papiere als riskant?
Kreditverbriefungen waren in der Finanzkrise 2007/08 vor allem in den USA als Brandbeschleuniger in Verruf geraten, ihr Image haben sie damals verspielt. Denn es wurden vor allem faule Hypothekenkredite verbrieft. Da die Kredite reihenweise ausfielen, hatte der Käufer der Verbriefungen faule Kredite in seiner Bilanz - und musste am Ende den Verlust hinnehmen. Der Markt für solche Papiere brach daraufhin weitgehend zusammen.
Natürlich sind Kreditverbriefungen nicht pauschal gefährlich. In Europa sind bisher kaum ABS ausgefallen. Es kommt eben drauf an, welche Kredite verbrieft werden. Sind es Forderungen gegenüber solide wirtschaftenden Unternehmen, ist das Ausfallrisiko relativ gering. Sind es dagegen Immobilienkredite von Schuldnern, die sich für den Hauskauf hoch verschuldet haben und denen die Liquidität ausgeht, ist das Ausfallrisiko hoch.
Mario Draghi hat mehrfach betont, er wolle "einfache und transparente" Kreditverbriefungen kaufen. Denn Kritiker sehen die Gefahr, dass aufgrund der intransparenten Wertpapiere keiner weiß, wie hoch das Risiko eigentlich ist, welches die EZB sich in die Bilanz holt. Alle Kredite wird die Zentralbank zumindest nicht als Sicherheiten akzeptieren. Allerdings räumte Draghi ein, auch verbriefte Immobilienkredite kaufen zu wollen.
Die Herausforderung für die EZB wird es nicht nur sein, die richtigen Kreditverbriefungen herauszufiltern, sondern auch den Markt dafür zu reaktivieren. Der ist insbesondere in Europa relativ klein - und er kam im Zuge der Finanzkrise zum Erliegen.
Covered Bonds
Zusätzlich kündigte der EZB-Chef den Kauf von sogenannten Covered Bonds an. Zu diesen "gedeckten Schuldverschreibungen" gehört auch der klassische deutsche Pfandbrief. Im Unterschied zu ABS bleiben die Forderungen dabei auf der Bilanz des Emittenten. Sie landen also nicht auf der Bilanz der EZB. Grundsätzlich gelten diese Papiere als sicher, da sie beispielsweise mit Darlehen an die öffentliche Hand gedeckt sind. Je nach Herkunftsland ist die Sicherheit von Pfandbriefen allerdings unterschiedlich.
Der deutsche Pfandbrief gilt als sehr sicher. Das verzinsliche Wertpapier wird von vielen Banken zur Finanzierung des Kreditgeschäfts genutzt. Auch bei der EZB ist der Kauf von Covered Bonds nicht neu. Bereits im Juli 2009 startete der damalige EZB-Präsident Jean-Claude Trichet den Kauf von Pfandbriefen, um das Bankensystem der Währungsunion zu stützen.