Krim-Krise Russlands Nachbarn zittern vor Putin

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Kasachstan und China

Kasachstan

Tief im Osten des weiten Landes ist das Klima selten angenehm: Im Winter schüttelt einen die Kälte bei minus 40 Grad, bis April liegt Schneematsch in den Schlaglöchern, im Sommer fallen dann die Stechmückengeschwader ein. Trotzdem boomt die Stadt Öskemen, die die Einwohner auf Russisch Ust-Kamenogorsk nennen: Autobauer Asia Avto, bisher Lohnfertiger für Kia, Skoda und die russische Marke Lada, baut eine Fabrik mit einer Kapazität von 120.000 Pkws. Co-Investor ist Lada-Hersteller Awtowas – ein russischer Konzern. Die meisten Arbeiter werden Russen sein.

Nirgendwo wächst Kasachstan so rasch mit Russland zusammen wie in Ust-Kamenogorsk. Von 300.000 Einwohnern der Industriestadt besitzen zwei Drittel den Pass mit dem doppelköpfigen Adler; die russische Großstadt Barnaul im Altai-Gebirge ist 500 Kilometer entfernt. In Kasachstans Hauptstadt Astana betrachtet man diese Nähe kritisch: Könnte sich Moskau eines Tages bemüßigt sehen, auf Kasachstan stärkeren Einfluss zu nehmen?

Auf kurze Sicht ist die Gefahr gering. Mit Nursultan Nasarbajew, der das rohstoffreiche Steppenland seit 1990 wie ein Sultan regiert, verfügt Kasachstan über einen auf Ausgleich bedachten Präsidenten. Der beginnt Reden auf Kasachisch und schwenkt dann ins Russische, um so alle Volksgruppen einzubeziehen. Geschickt balanciert er Interessenkonflikte innerhalb der Machtelite aus. Das Verhältnis zu Putin gilt als konstruktiv – und in der Ukraine bietet sich „Papa“ Nasarbajew als Vermittler an. Doch Nasarbajew ist 73 Jahre alt. Der Machtapparat des Landes ist so sehr auf seine Person zugeschnitten, dass ein Wechsel ein Machtvakuum zur Folge haben könnte.

In solchen Phasen haben oft Nationalisten ihre große Stunde – und die könnten leicht in Konfrontation zur russischen Minderheit treten. Für den Kreml wäre das ein guter Vorwand für eine Intervention. Was dazukommt: Im Osten des Landes lagern üppige Zink-, Uran- und Titan-Vorkommen. Damit ist Kasachstan ein Teil der alten Sowjetunion, mit dem sich die Wiedervereinigung aus russischer Sicht sehr lohnen würde.

Ökonomisch gesehen, hat der Kreml die Kasachen schon im Griff: Das Land ist Mitglied der Zollunion, die Moskau dominiert. „Theoretisch könnten kasachische Hersteller von Russland als Absatzmarkt profitieren“, so Fabian Nemitz von „Germany Trade and Invest“ in Almaty. „Aber in Russland sind die kasachischen Güter nicht konkurrenzfähig, sodass Kasachstan von der Zollunion bisher kaum profitiert.“

China

Noch pflegt Chinas Staatschef Xi Jinping eine Allianz mit Russland. Seine erste Auslandsreise nach Amtsantritt vor einem Jahr ging nach Moskau. Wenn es um die Krim-Krise geht, sprechen die Zeitungen von der „Hybris des Westens“ und wohlbegründeten Sicherheitsinteressen Russlands. Denn Moskau und Peking teilen die Sorge um wachsenden Einfluss der USA in der Region ebenso wie die Furcht vor Islamismus und revolutionären Umstürzen.

Ökonomisch sind China und Russland enge Partner: Dieses Jahr werden sie Waren im Wert von rund 100 Milliarden Dollar austauschen. „An den guten Beziehungen wird der Konflikt nichts ändern“, sagt Feng Shaolei, Politik-Professor an der East China Normal University. Geheuer ist China die Krise allerdings nicht. Die Vorstellung, die Krim könnte zum Präzedenzfall werden, ist Peking ein Graus. Staatlichen Medien ist deswegen jeder Vergleich mit Konflikten innerhalb Chinas untersagt.

Peking fürchtet vor allem, dass Tibeter und Uiguren sich die Sezession der Krim zum Vorbild nehmen. Auch eine förmliche Unabhängigkeitserklärung der Bürger Taiwans von China ließe sich mit dem Selbstbestimmungsrecht à la Putin immer begründen. Das dämpft den chinesischen Beifall für Moskau, aber distanzieren will man sich von Russland nicht. Was hinzukommt: Wenn es ganz schlimm würde beim Konflikt Putins mit dem Westen, käme China günstiger denn je an Energie.

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