„Italien darf nicht mehr weiter sparen. Das Sparprogramm führt unser Land ins Verderben“, sagt die Ökonomin Carletti. „Wir haben in Griechenland gesehen, dass eine zu rigide Sparpolitik die Wirtschaft abwürgt und damit die Steuereinnahmen verringert. So kann man nicht aus der Krise kommen. Das muss auch Frau Merkel endlich einsehen.“
Mario Monti hat diese Stimmung dankbar aufgenommen, und zusammen mit Spanien und Frankreich ein Wachstumspaket auf EU-Ebene durchgesetzt. Doch können zusätzliche Investitionen Italien aus der Krise führen? Norbert Pudzich ist skeptisch. „Das Wachstumspaket kann Italien sicher unterstützen. Es kann aber kein Ersatz für Strukturreformen sein.“
Die Beschlüsse des Euro-Gipfels im Überblick
Um den Teufelskreis zwischen angeschlagenen Banken und Staatsfinanzen zu durchbrechen, sollen Geldhäuser direkt aus dem Rettungsfonds ESM rekapitalisiert werden, heißt es in der Gipfelerklärung. Durch die Notkredite wird sich dann die öffentliche Verschuldung nicht mehr erhöhen - und die Zinsen könnten sinken. Mit dem Beschluss wird eine Kernforderung Spaniens erfüllt. Aber auch Irland wird in Aussicht gestellt, davon Gebrauch machen zu können, um die Schuldentragfähigkeit zu erhöhen. Die Hilfe soll an „angemessene Bedingungen" geknüpft werden.
Voraussetzung für die direkte Bankenhilfe ist eine effiziente Aufsicht auf der Euro-Ebene. Die Kommission wurde beauftragt, in Kürze einen Vorschlag für einen entsprechenden Mechanismus zu präsentieren, an dem die Europäische Zentralbank beteiligt sein soll. Die Mitgliedsstaaten werden aufgerufen, den Gesetzesvorschlag vordringlich bis Ende des Jahres zu prüfen.
Das bereits zugesagte Rettungsprogramm für die spanischen Banken soll so schnell wie möglich beschlossen werden. Anders als bislang vorgesehen, sollen die Kredite der Europartner keinen Vorrang vor Krediten der Privatgläubiger haben, wenn das Geld aus dem ESM kommt. Im Falle einer Pleite müssten die öffentlichen Geldgeber also genauso verzichten wie die Privatwirtschaft.
Länder, die den Brüsseler Spar- und Reformverpflichtungen nachgehen, erhalten einen erleichterten Zugang zu den Rettungsschirmen. Wenn sie die Instrumente - etwa den Aufkauf von Staatsanleihen durch den Fonds - nutzen, müssen sie sich keinem zusätzlichen Anpassungsprogramm unterwerfen. Sie müssen lediglich eine Vereinbarung unterzeichnen, dass sie die Vorgaben aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt und die Hausaufgaben der Kommission fristgerecht erfüllen. Das ist ein großes Entgegenkommen an Italien, das bislang aus Sorge vor den strengen Konditionen vor dem Griff zum Eurotropf zurückgeschreckt war.
Die Eurogruppe soll die Beschlüsse bis zum 9. Juli umsetzen.
Die Vertiefung der Eurozone wird vorangetrieben. Die Euro-Chefs einigten sich auf die Baustellen: Den Aufbau einer Banken-Union, einer Fiskal-Union und einer politischen Union. Im Arbeitspapier der Vierergruppe um EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy findet sich weiterhin der Unterpunkt einer schrittweisen Ausgabe von Gemeinschaftsanleihen. Die Bundesregierung wies die Mutmaßung von Italiens Ministerpräsident Mario Monti zurück, damit sei die Tür zu Euro-Bonds geöffnet. Über die Inhalte soll erst auf dem nächsten Gipfel im Oktober gesprochen werden.
Zwar hat Italiens Regierungschef Mario Monti seit seinem Amtsantritt im Herbst vergangenen Jahres einige wichtige Reformen durchgesetzt. So hat seine Administration die Rente mit 67 eingeführt und die Frühverrentung eingeschränkt. Zudem ist die Inflationsanpassung bei den Renten weggefallen. Doch insbesondere die Arbeitsmarktreform ist von den politischen Partnern zerpflückt worden.
Schlechter als Sambia und die Mongolei
Der Arbeitsmarkt bleibt streng reguliert, der Kündigungsschutz ist rigide und es gibt nach wie vor Kollektivverträge, die es den Arbeitgebern erheblich erschwert haben, flexibel auf Konjunkturdellen zu reagieren.
Hinzu kommt: Laut einer Studie der Weltbank sind die Investitionsbedingungen in Italien schlechter als in Entwicklungsländern wie dem afrikanischen Sambia oder der Mongolei. Beim sogenannten „Ease of doing Business-Index“ ist Italien weltweit lediglich auf Platz 87. In der Eurozone hat hier nur Griechenland noch schlechter abgeschnitten. Besonders schwach wird Italien beim Justizsystem und der öffentlichen Verwaltung bewertet.
Hilfe für Euro-Länder
Nach Griechenland, Irland und Portugal haben nun auch Spanien und Zypern erklärt, Hilfen aus den Euro-Rettungsfonds in Anspruch zu nehmen. Spanien bleibt aber als Garantiegeber für die Krisenfonds erhalten, da es lediglich Geld für die Sanierung seiner Banken beantragt hat.
Für Irland, Portugal und Griechenland (zweites Hilfsprogramm) hat der Rettungsschirm EFSF bislang 192 Milliarden Euro zugesagt. Die Kredite werden schrittweise ausgezahlt - unter der Voraussetzung, dass die Länder sparen und Reformen umsetzen. Spanien dürfte bis zu 62 Milliarden Euro für die Rettung seiner Banken benötigen - die Euro-Finanzminister haben bis zu 100 Milliarden pauschal zugesagt - , Zypern nach Medienberichten bis zu zehn Milliarden Euro.
Allein im EFSF stehen nach Angaben des Fonds noch 248 Milliarden Euro bereit - das würde für Spaniens Banken und Zypern locker reichen. Wobei noch offen ist, ob der EFSF oder sein Nachfolger, der permanente Krisenfonds ESM einspringt, der Mitte Juli starten soll. Mit dem neuen Programm für Spanien und Zypern dürfte sich die benötigte Summe auf maximal 300 Milliarden Euro erhöhen. Das ist immer noch weniger als die Hälfte des kombinierten Volumens der beiden Rettungsschirme EFSF und ESM von 800 Milliarden Euro.
Die Reihe der potenziellen Bittsteller ist lang: Wäre Spanien gezwungen, doch noch voll unter den Rettungsschirm zu schlüpfen, wird der Kapitalbedarf Madrids auf bis zu 300 Milliarden Euro geschätzt. Auch Italien kämpft mit Problemen, möglicherweise benötigen auch Portugal oder Irland ein zweites Paket. Die Faustformel der Ökonomen lautet: Spanien passt auch als Gesamtstaat unter die Rettungsschirme - das Schwergewicht Italien aber nicht mehr.
Für viele ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone Hilfen beantragen wird. Schlechte Nachrichten dominieren: „Die Konjunktur ist zu Jahresbeginn eingebrochen und der Reformwillen der italienischen Politik ist bereits wieder deutlich erlahmt“, sagt Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen. Spanien wie auch Italien stehen unter dem Druck der Märkte. Willem Buiter von der Citigroup sagt: „Das Vertrauen in beide Regierungen, die nötigen Strukturreformen und Sparanstrengungen bewältigen zu wollen und zu können, ist gering.“
Ja, denn das weckt Begehrlichkeiten. Obwohl Spanien ein Sonderfall ist. Madrid bekommt nur Geld zur Sanierung seiner maroden Banken. Die Auflagen betreffen somit die Rettung von Banken, die Reform der Branche und eine schärfere Bankenaufsicht. Zypern, dessen Banken eng mit Griechenland verwoben sind und Probleme haben, könnte nach spanischem Vorbild ebenfalls eine Euro-Rettung „light“ verlangen. Auch Griechenland will nun nachverhandeln und verlangt mehr Zeit für seine Reformen und die Rückzahlung der Kredite.
Experten von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds kontrollieren als „Troika“ die Einhaltung der Auflagen. Die internationalen Geldgeber haben eine scharfe Waffe in der Hand: Sie können kurzerhand den Geldhahn zudrehen. Damit wurde schon mehrfach Griechenland gedroht. So haben die Euro-Partner einige Male die Auszahlung von Kredittranchen verschoben.
Das ist umstritten. Kurzfristig würden die Aufschläge für Anleihen der Krisenländer wohl sinken. „Solche Käufe könnten aber auch eine Einladung sein, gegen die begrenzten Mittel der Rettungsfonds zu spekulieren“, warnt Holger Schmieding von der Berenberg Bank. Dann würden Mittel verschwendet, die sinnvoller angelegt werden könnten, etwa zur Kapitalisierung von Banken oder als Notkredite für Länder.
Behörden behindern Italiens Unternehmen
„Die Behörden arbeiten oftmals ineffizient. Das liegt vor allem daran, dass die Rathäuser und Ämter politisch besetzt werden“, sagt Pudzich. „Nach Wahlen findet in den Amtsstuben ein großes Stühlerücken statt. Amtsträger werden oftmals nicht ausschließlich nach ihrer fachlichen Kompetenz ausgesucht, sondern zuerst nach ihrem Parteibuch.“
Welche Blüten das zuweilen treibt, zeigt dieses Beispiel: „Wenn Sie eine Photovoltaikanlagen aufstellen wollen, müssen sie trotz gleicher Rechtslage je nach Region ganz unterschiedliche Genehmigungsverfahren durchlaufen“, berichtet Pudzich aus Gesprächen mit deutschen Unternehmen. „Die Gebühren sind unterschiedlich, die Fristen weichen voneinander ab. Für Unternehmer ist das sehr umständlich.“