Liberalismus "Aufpassen, dass wir nicht vom Staat überrollt werden"

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„Die EU ist ein bürokratisches Monster“

Droht diese Gefahr?
Durchaus. Weniger in den USA, aber vielmehr in Europa. Die Europäische Union ist ein bürokratisches Monster, das mehr und mehr Macht an sich reißt – ohne jegliche Grundlage. Das führt zu Politikverdrossenheit und Populismus.

Nicht so schnell. Die Bürger wählen das Parlament in freien Wahlen, seine Legitimation hat die Institution durch EU-Verträge, die von den Nationalstaaten abgesegnet wurden…
… ohne die Bürger je zu fragen. Gab es eine Volksbefragung zu den EU-Verträgen in Deutschland? In Großbritannien? Nein. Es gab Referenden in den Niederlanden und in Frankreich. Und da die nicht so ausgefallen sind, wie erwünscht, wurden sie einfach wiederholt. Das ist absurd.

Chlor-Hühnchen contra Pferde-Lasagne
Chlor-Hühnchen Quelle: dpa
 Keimbombe verzehrfertiger Salat Quelle: Fotolia
Radioaktiv bestrahlte Lebensmittel Quelle: Fotolia
H-Milch Quelle: REUTERS
Hormon-Fleisch Quelle: AP
Gentech-Gemüse Quelle: AP
 Rohmilchkäse Quelle: AP

Noch einmal: Was haben Sie für ein Problem mit der EU?
Mir geht es nicht um die EU an sich, sondern um die Tatsache, dass wir immer mehr Macht an einem zentralen Ort bündeln. Dabei sind dezentrale Strukturen viel besser: Sie sind demokratischer, bürgernäher, gerechter. Mir gefällt das Bild des französischen Historikers Alexis de Toqueville, der in diesem Zusammenhang davon gesprochen hat, dass der Staat eine Schule für seine Bürger sein soll. Wenn aber der Staat immer größer wird, wenn Macht zentralisiert wird, dann wird die Klasse zu einem Vorlesungssaal. Da wird dann nicht mehr diskutiert, es gibt keine Möglichkeit mehr, Fragen zu stellen – stattdessen gibt es einen Lehrer, der vor den Massen steht und predigt. Das ist alles, nur nicht liberal.

Was sind die Gründe für diese Fehlentwicklung?
Zum einen ist es bequemer, über die Köpfe der Bürger zu reagieren, statt sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Zum anderen sehen wir wie zentralistisch regierte Länder wie China sehr erfolgreich sind. Weite Teile der Elite in Europa hat Angst, abgehängt zu werden. Die einen ziehen sich zurück und vertrauen auf den Nationalstaat; sie werden zu Feinden der Globalisierung. Und die anderen orientieren sich an den starken Ländern – und träumen von den Vereinigten Staaten von Europa.

Dabei wäre die goldene Mitte genau das Richtige?
Ich denke schon. Es wäre wichtig, wenn sich Europa auf gemeinsame Werte besinnt und seine Kraft bündelt: der gemeinsame Binnenmarkt und die Autorität der EU als soft power sind herausragende Eigenschaften, die weltweit anerkannt werden. Diese Stärken gilt es zu pflegen und zu vermarkten. Europa lebt von seiner Vielfalt, wir brauchen einen Ausgleich zwischen den Interessen der Brüsseler Zentrale und den Regionen. Am besten gewährleistet durch eine richterliche Kontrolle, die die Bürokratie in die Schranken weisen kann. Europa sollte nicht vergessen, dass es genau beäugt wird und sein Schicksal große Folgen hat. Denn: Wir stehen heute in einem Wettbewerb der Ideen. Viele aufstrebende Länder schauen genau hin, ob sie dem aufgeklärten, liberalen Weg, den USA und Europa repräsentieren, folgen – oder dem autokratischen Wege Chinas.

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