Lizenzen Schäuble will Lizenz-Steuerschlupfloch schließen

Unternehmen können in Deutschland Steuern sparen, weil Ausgaben für Lizenzen ihren Gewinn schmälern. Dieses Schlupfloch soll nun geschlossen werden.

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Finanzminister Wolfgang Schäuble bemüht sich um eine internationale Lösung zur Schließung von Steuerschlupflöchern. Quelle: REUTERS

Ikea ist zwar ein schwedischer Konzern. Doch die hohen Lizenzgebühren, die die deutsche Tochter für die Nutzung von Marke und Verkaufssystem zahlt, fließen an eine niederländische Ikea-Stiftung. Der Vorteil: In Deutschland kann das etwas andere Einrichtungshaus kräftig Steuern sparen, weil die Lizenzausgaben den – so kaum noch vorhandenen – Gewinn schmälern. In den Niederlanden fließen die entsprechenden Lizenzeinnahmen in eine sogenannte Lizenzbox – eine besondere rechtliche Konstruktion, für die ein spezieller Steuersatz von nur fünf Prozent gilt – statt regulär 25 (oder knapp 30 in Deutschland). Auch Google nutzt die holländische Lizenzbox, um seine europäischen Gewinne zum Schnäppchentarif zu versteuern.

Besteuerung von Lizenzen und Patenten

Solchen Steuerschlupflöchern wollen die Regierungen der G20- und OECD-Länder seit über zwei Jahren ein Ende bereiten. Alle paar Monate treffen sie sich deswegen, vor einer Woche waren sie im australischen Cairns. Am OECD-Sitz in Paris ringen Hunderte Experten um eine Lösung. Doch bei der Lizenzbox verteidigen Niederländer, Luxemburger und Briten zäh ihre Lockangebote für Unternehmen.

Vor Kurzem platzte einem der beteiligten Finanzminister der Kragen. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion ließ er von seinen Beamten Gegenmaßnahmen erarbeiten und diese von der großen Koalition absegnen – die sogenannte Lizenzschranke war geboren. Seit diesem Frühjahr dürfen Unternehmen ihre Lizenzgebühren, wenn diese ins Ausland fließen und dort mit weniger als zehn Prozent versteuert werden, nicht mehr daheim als Betriebsausgaben deklarieren.

Österreichs Bundesfinanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) Quelle: dpa

Das Lizenzschranken-Land heißt Österreich. Es war Bundesfinanzminister Michael Spindelegger (ÖVP), der das beliebte Steuerschlupfloch kurz und bündig zustopfte. Sein deutscher Amtskollege Wolfgang Schäuble (CDU) bemüht sich derweil noch um eine internationale Lösung.

Aber auch Schäubles Langmut ist begrenzt. Sein Ministerium arbeitet bereits an einem Bündel von „Abwehrmaßnahmen“, sollten die diplomatischen Bemühungen keine Erfolge zeigen. Dabei erfinden seine Beamten das Rad nicht neu. Vielmehr dient der kleine experimentierfreudigere Nachbar Österreich offenkundig als Vorbild – fast so wie bei der Pkw-Maut.

Das Finanzministerium in Wien hat eine ganze Melange aus positiven und negativen Anreizen gegen grenzüberschreitende Steuergestalter geschaffen. Die Lizenzschranke ist da nur ein Instrument von mehreren. So überprüfen die Finanzbeamten jede Lizenzzahlung ins Ausland penibel auf ihre sachliche Berechtigung. Neben der Peitsche bieten die Österreicher aber auch Zuckerbrot – in Form einer steuerlichen Förderung von Aufwendungen für Forschung und Entwicklung.

Schreckliche Debatte

Was die Österreicher indes nicht haben, ist eine Lizenzbox. Auch in Berlin gilt die Einführung einer Lizenzbox – oder einer Patentbox, in der nur die Lizenzgebühren aus Patenten zum Spartarif besteuert werden – als äußerst unwahrscheinlich. Die Steuerausfälle will sich Schäuble auf dem Weg zum ausgeglichenen Bundeshaushalt nicht leisten, und überdies würden auch die Bundesländer nicht auf ihre anteiligen Steuereinnahmen verzichten.

Standorte der Dax-Konzerne in Steueroasen

Es geht überdies ums Prinzip. „Diese Patentbox-Debatte ist ganz schrecklich“, sagt der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lothar Binding. Wenn Deutschland damit auch noch anfinge, würden „am Ende alle Steuereinnahmen verlieren“. Ein solches Totrüsten wäre mit dem Koalitionspartner SPD nicht zu machen. Er sieht sich durch den Koalitionsvertrag gestärkt. Darin heißt es : „Auch wollen wir sicherstellen, dass der steuerliche Abzug von Lizenzaufwendungen mit einer angemessenen Besteuerung der Lizenzerträge im Empfängerland korrespondiert. Im Vorgriff auf diese internationale Regelung werden wir in Deutschland erforderlichenfalls gesetzgeberisch voranschreiten.“

Binding plädiert nun für eine Lizenzschranke à la Austria oder eine Quellensteuer (die es ebenfalls in Österreich in Bezug auf Drittländer außerhalb der EU gibt). Bei einer Quellenbesteuerung müssten beispielsweise die deutschen Ikea- oder Starbucks-Ableger sofort rund 30 Prozent Steuer an den hiesigen Fiskus abführen, sobald sie ihre Lizenzgebühren in die Niederlande oder in ein anderes Steuerparadies überweisen. Damit wäre der Spareffekt dahin. Für den grünen Finanzexperten Thomas Gambke hätte diese Variante ebenfalls „Charme“.

Sprudelnde Steuern

Jedoch gibt es auch Risiken und Nebenwirkungen. In Österreich führe die Schranke bei betroffenen Unternehmen dazu, dass sich bei einer Lizenzzahlung von acht Prozent des Umsatzes das Ergebnis um zwei Prozent verschlechtere, sagt Andreas Stefaner von der Beratungsgesellschaft EY in Wien. Für eine österreichische Tochtergesellschaft wäre dies ein beträchtlicher Wettbewerbsnachteil beispielsweise gegenüber einem bulgarischen Werk. „Bleibt Österreich mit seiner Lizenzschranke allein, gefährdet dies die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft“, warnt Stefaner. Darüber hinaus sieht er „massive verfassungs- und EU-rechtliche Bedenken, wenn der volle Betriebsausgabenabzug nicht mehr gewährleistet ist“.

Eine Milliarde in der Tasche

Die Wiener Regierung erhofft sich allein von der Lizenzschranke Mehreinnahmen von rund 100 Millionen Euro im Jahr. Auf Deutschland hochgerechnet, könnte eine solche Lizenzschranke ungefähr eine Milliarde Euro pro Jahr einbringen. Das macht jeden Finanzpolitiker sinnlich. Deshalb arbeitet Schäubles Truppe intensiv an der Vorbereitung einer Lizenzschranke beziehungsweise an einer entsprechenden Quellensteuer. Probleme mit dem EU-Recht und dem Grundgesetz, die der Münchner EY-Experte Christian Ehlermann auch für Deutschland sieht, hält man im Ministerium für eingrenzbar. Mit der Milliarde in der Tasche könnte Schäuble auch ein anderes Versprechen einlösen und die steuerliche Forschungsförderung ausbauen.

Die Steuerflüchtlinge unter deutschen Unternehmern
Klaus-Michael KühneSein Vermögen wird auf sieben bis acht Milliarden Schweizer Franken geschätzt. Bekannt ist Kühne in Deutschland als Großaktionär der Hamburger Reederei Hapag Lloyd und als Investor des Hamburger SV. An der Spedition Kühne+Nagel hält der 76-Jährige 53,3 Prozent. 1966 verlegte er den Firmensitz in die Schweiz. Quelle: dpa
Die Familie LiebherrAuf ein Vermögen von sieben bis acht Milliarden Franken hat es die Familie Liebherr mit Baumaschinen, Haushaltsgeräten und Hotels gebracht. Der Firmensitz der Dachgesellschaft wurde 1982 in die Schweiz verlegt. Quelle: dpa
Die Familie JacobsDas Geschäft der Familie begann mit einem Kolonialwarenladen in Bremen und wuchs zu einem internationalen Lebensmittelkonzern. Rund 19 Prozent des Zeitarbeitskonzerns Adecco gehören den Jacobs. Der Schweizer Schokoladenkonzern Barry Callebaut gehört zu rund 70 Prozent dem Familienunternehmen. Auf rund sieben bis acht Milliarden Euro wird das Vermögen der Familie Jacobs geschätzt. (Im Bild: Klaus J. Jacobs) Quelle: AP
Die Familie von FinckSeit 1999 lebt der ehemalige Geschäftsführer der Privatbank Merck Finck & Co., August von Finck, in der Schweiz. Ihr Vermögen von rund 5,5 Milliarden Franken hat die Familie unter anderem in die Hotelkette Mövenpick investiert. Quelle: dpa
Die Wella-Erben2003 verkauften die Mitglieder der Wella-Gründerfamilie Ströher das Haarprodukte-Unternehmen für mehr als sechs Milliarden Euro an Procter & Gamble. Das Vermögen der Familie wird auf 4,5 Milliarden Franken geschätzt. Quelle: dpa-dpaweb
Karl-Heinz KippAuf 4,5 Milliarden Schweizer Franken wird das Vermögen des 89-jährigen Karl-Heinz Kipp geschätzt. Der ehemalige Eigentümer der Massa-Märkte besitzt mit dem Tschuggen Grand Hotel in Arosa und dem Carlton in St. Moritz zwei Fünfsterne-Hotels. Quelle: PR
Erich und Helga Kellerhals21,6 Prozent halten der Mediamarkt-Gründer Erich und Helga Kellerhals an der Metro-Tochter Media Saturn. Bei wichtigen Entscheidungen haben sie immer noch ein Vetorecht. Geschätztes Vermögen: Vier bis 4,5 Milliarden Franken. Quelle: dpa

Zwar soll es eine allgemeine Förderung sämtlicher privaten Forschungs- und Entwicklungsausgaben (F&E) nicht geben, da dies mit zu hohen Steuerausfällen verbunden wäre. Aber eine Begünstigung ausgewählter F&E-Aktivitäten käme Schäuble gut zupass. Ein Modell wäre, nur die Lizenzzahlungen für neue Patente steuerlich zu begünstigen. Das hätte für Schäuble den Charme, dass es unter Berücksichtigung einer Anlaufdauer bis zur praktischen Patentverwertung von oft fünf Jahren frühestens in der nächsten Legislaturperiode zu Steuerausfällen käme.

Ein anderes, nicht ganz so restriktives Modell umfasst F&E-Ausgaben im technologischen Bereich. Jobst Wilmanns, Leiter Transfer Pricing beim Prüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte, berichtet von entsprechenden Diskussionen um mögliche Steuerrabattierungen. Für Prognosen über mögliche Steuerausfälle fehlen allerdings volkswirtschaftliche Daten. In Industriekreisen spricht man von weniger als einer Milliarde Euro, die bei patentbasierter Steuerförderung dem Fiskus entgingen. Das wiederum entspricht fast genau der Summe, die durch eine Lizenzschranke zusätzlich in die Staatskasse käme.

Doch wie beim Vorbild Österreich wird es Schäuble nicht bei Lizenzschranke und Steuerrabatt belassen wollen. Im Kampf gegen die grenzüberschreitenden Steuergestalter sollen die Finanzbeamten noch strenger als bisher die Unternehmensabschlüsse prüfen. Lizenzzahlungen ins Ausland – insbesondere für Marken- und Vertriebsrechte – will das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn genau auf Plausibilität und Sinnhaftigkeit kontrollieren.

Eigentlich würde Schäuble diese Maßnahmen gern im OECD-weiten Rahmen beschließen. Der nationale Alleingang, den der Minister nun vorbereiten lässt, ist für ihn nur die zweitbeste Lösung.

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