Sind die Reformerfolge, die sich in den Lohnstückkosten widerspiegeln, also nur ein Zerrbild? Keineswegs. In einer aktuellen Studie kommt Jörg Krämer, Chefökonom der Commerzbank, zu dem Ergebnis, dass die Lohnstückkosten dem BIP-Deflator als Indikator überlegen sind. "Langfristig zeigen beide Indikatoren in die gleiche Richtung, aber die Lohnstückkosten laufen dem BIP-Deflator zeitlich voraus." Nicht umsonst verwendeten Ökonomen die Lohnstückkosten in ihren Modellen als Frühindikator für die Prognose der Inflation.
Den Grund für den Vorlauf der Lohnstückkosten gegenüber den Absatzpreisen in den Krisenländern sieht Krämer darin, dass Unternehmen sinkende Lohnstückkosten zunächst nutzen, um ihre Gewinnspannen aufzumöbeln. Erst wenn diese sich nachhaltig stabilisiert haben, beginnen die Unternehmen, ihre Absatzpreise zu senken, um Marktanteile zu gewinnen. "Wer nur auf den BIP-Deflator schaut, läuft Gefahr, Reformerfolge zu spät zu erkennen", urteilt Krämer.
Noch ist kein Reformdurchbruch zu erkennen
Hinzu kommt, dass der BIP-Deflator anfällig für Fehlsignale ist. Sinken die Importpreise für Öl und Gas, erhöht dies den Deflator. Tatsächlich aber haben sich die Kosten für die Unternehmen durch die billigere Energie verringert.
Allerdings: Auch wenn die gesunkenen Lohnstückkosten die Rahmenbedingungen in Portugal, Irland und Spanien verbessert haben, ist ein Reformdurchbruch auf breiter Front in den Krisenländern noch nicht zu erkennen. Das liegt an der desaströsen Lage in Griechenland, aber auch an mangelnden Reformfortschritten in Italien. Anders als in Spanien sind die Lohnstückkosten von Florenz bis Palermo bis zuletzt gestiegen, die Lohnbildung ist nach wie vor starr und zentralisiert. Entsprechend düster fällt das Urteil der Weltbank zu den Rahmenbedingungen für Unternehmen in Italien aus. Diese liegen auf dem Niveau eines Entwicklungslandes.